13.41

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir wieder einmal eine EU-Erklärung haben, auch wenn deren Zweck vielleicht nur war, eine Ministeranklage irgendwie in die ungünstige Fernsehzeit zu verschieben. (Zwischenruf der Abg. Disoski. – Zwischenruf des Abg. Bernhard.)

Ich weiß, ihr seid es wirklich nicht gewohnt, auch den EU-Abgeordneten ab und zu zuzu­hören, aber ich möchte jetzt schon ein paar Worte sagen, nämlich: Das ist typisch. Es ist etwas, was wir von der ÖVP genau so kennen, denn wenn man über die Europäische Union redet, hat alles eigentlich nur einen Zweck, und zwar von den eigenen Fehlern abzulenken und stattdessen zu unterstellen, dass EU-Institutionen und europäische PartnerInnen für etwas verantwortlich seien. Genau so funktioniert es immer wieder.

Das letzte Jahr hat sich da ziemlich nahtlos in die Greatest Hits der antieuropäischen Rhetorik der ÖVP eingereiht. Es ging um einen ominösen – unter Anführungszeichen – „Impfbasar“ und – unter Anführungszeichen – „geheime“ Liefervereinbarungen, die der Bundeskanzler irgendwo bei der Kommission vermutet hat. Fakt war dann aber doch, dass Österreich – wie alle anderen Mitgliedstaaten auch – natürlich in alle Entschei­dungen sehr klar und sehr eng eingebunden war. Doch anstatt die Verantwortung für Unwissenheit und Fehlentscheidungen auch bei sich selbst zu suchen, hat man wieder woanders gesucht und relativ absurde Vorwürfe auch in Richtung der europäischen Institutionen gerichtet.

Aktuelles Beispiel: der grüne Pass. Die ÖsterreicherInnen wissen ja, wie es darum steht, nämlich vielleicht, vielleicht auch nicht. Eigentlich wissen wir es nicht wirklich. Was steht jetzt drinnen? Wann sind die Geimpften dabei? Ist er eigentlich praktikabler als ein ausgedrucktes PDF? Im Moment sind wir uns da noch nicht sicher. Was hat aber Bundeskanzler Kurz noch im März dazu gesagt? – „Wir wollen nicht auf die Umsetzung auf europäischer Ebene warten“ müssen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Jetzt warten wir natürlich immer noch auf die Umsetzung auf österreichischer Ebene und darauf, dass sie dann abgeschlossen ist. Heute ist nämlich die EU-Infrastruktur schon fertig. Was bei der Deadline am 1. Juli dann in Österreich zur Verfügung steht, steht in den europäischen Sternen.

Die ÖVP schädigt nicht nur unsere gemeinsamen Institutionen, sondern schürt auch Ressentiments gegen unsere MitbürgerInnen auf europäischer Ebene und gegen andere Regierungen in Europa und schadet damit auch unserem Ansehen in der gesamten Europäischen Union. Wir erinnern uns an das, was Sebastian Kurz über andere EU-Mitgliedstaaten gesagt hat, die seiner Meinung nach „schlicht und ergreifend in ihren Systemen kaputt“ seien. – Ich glaube, die Menschen, die in diesen Ländern leben, die er damals angesprochen hat, müssen nur regelmäßig Zeitung lesen, um über die wöchentlichen neuen Enthüllungen zu Korruptionsverdacht oder Ähnlichem in der ÖVP lesen zu können, und sind entsetzt. Staaten, die in ihren Systemen irgendwie kaputt sind: Was könnte damit eigentlich gemeint sein?

Die ÖVP verspielt den ehemals guten Ruf Österreichs eigentlich nur, um damit politi­sches Kleingeld zu machen. In der ÖVP steht die eigene Karriere über dem Land, über den Bürgern und über der Europäischen Union. Das ist das Grundproblem, das wir im Moment in Österreich haben. (Beifall bei den NEOS.) Solange es nämlich der ÖVP hilft, ist der Kollateralschaden vollkommen egal – egal, wo er entsteht.

Wir haben in den letzten Wochen gesehen, was für Auswirkungen dieses über die Jahre hinweg betriebene EU-Bashing hat. Wer sich das letzte Eurobarometer angeschaut hat, auch darüber, was das Ansehen der Europäischen Union und das Vertrauen der Öster­reicherinnen und Österreicher in die Europäische Union betrifft, konnte sehen, dass die ÖVP mit ihrer Arbeit in ihrem Sinne erfolgreich gewesen ist. Die Österreicherinnen und Österreicher verlieren aufgrund der ÖVP das Vertrauen in die Europäische Union. Das ist ein nachhaltiger Schaden, den die ÖVP ganz alleine zu verantworten hat. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.) Da hat Ihnen nicht einmal die FPÖ helfen müs­sen, das haben Sie ganz alleine hingekriegt.

Nicht einmal die ÖVP kann aber etwas dagegen tun, dass die Bürgerinnen und Bürger größere Erwartungen an die Politik haben und sich von der Politik mehr erwarten. Sie erwarten sich auch mehr von Europa. Europa weiterzuentwickeln ist die Aufgabe, der sich auch die ÖVP in der Konferenz zur Zukunft Europas wird stellen müssen. (Abg. Kugler: Da sitzen wir! Da sitzen wir! – Abg. Hanger: Hier sind wir! Sie reden immer da rüber!)

Ich bin wirklich gespannt, ob wir denn bei dieser Zukunftskonferenz noch ins Reden kommen. Ich werde nämlich zuschauen, was ihr dabei machen werdet. (Abg. Hanger: Tolle Rede! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Ich bin wirklich daran interessiert, ob irgendwelche sinnvollen Vorschläge zur EU-Reform kommen werden oder ob man sich wieder einmal damit zufriedengibt, den Fehler bei den anderen zu suchen, so wie es die ÖVP immer schon tut. (MEP Mayer: Sie machen seit 5 Minuten nichts anderes!) Es ist immer dasselbe. Wir werden Sie damit nicht durchkommen las­sen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.) Die Europäerinnen und Euro­päer haben andere Erwartungen an die Zukunft der Europäischen Union, nämlich mehr, als ihnen die ÖVP zutrauen würde. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter. – Abg. Hanger: Sensationelle Rede!)

13.46

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.