18.29

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir befassen uns heute im Nationalrat mit einigen sehr wichtigen Anliegen, letzten Endes geht es um echte Gleichstellung und Gleichberechtigung der LGBTIQ-Community. Dazu liegen Ihnen drei Anträge vor, ich hoffe sehr, dass sie breite Zustimmung erfahren.

Zwei Anträge würde ich schon gerne ansprechen, weil wir immer wieder darüber reden und weil es sehr wichtig ist, dass heute ein Zeichen gesetzt wird. Ich als Justizministerin kann Ihnen meine vollste Unterstützung zusichern.

Es geht um das Verbot der Konversionstherapie. Mit solchen Pseudotherapien soll die sexuelle Orientierung von LGBTIQ-Menschen verändert werden, sie sollen, so sagt man, umgepolt werden. Sie können sich vorstellen, was das für diese Personen bedeutet. Gerade im jugendlichen Alter wird ihnen erklärt, dass sie falsch sind, dass sie nicht richtig sind, dass sie umgepolt werden müssen. Das führt zu vielen psychischen Schäden, zu emotionalen Schäden, das führt letzten Endes zu Depressionen und zu Suizid. Daher sind diese Pseudotherapien unglaublich gefährlich, verletzen die Menschenrechte und sind absolut inhuman. Daher begrüße ich es als Justizministerin, dass dieses Verbot heute im Nationalrat behandelt wird, und ich hoffe, dass es dazu breite Zustimmung geben wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es geht aber auch um den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, an denen medizinisch nicht notwendige Behandlungen an ihren Geschlechtsmerkmalen vorgenommen werden. Das erleben wir leider immer wieder. In vielen Ländern werden diese medizinisch nicht notwendigen Behandlungen, in die diese Kinder, Jugendlichen und auch Babys nicht und schon gar nicht selbstbestimmt eingewilligt haben, vorge­nommen. Das führt unter anderem auch zu Verletzungen ihrer Menschenwürde. Der UN-Ausschuss gegen Folter hat es treffend formuliert: Es ist grausam, es ist unmenschlich und erniedrigend im Sinne der UN-Antifolterkonvention.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag schützen wir Kinder und Jugendliche, daher freue ich mich, dass Sie darüber abstimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist mein politisches Ziel, mich für eine Gesellschaft einzusetzen, bei der es um ein gerechtes Miteinander geht, in der jeder und jede ein freies Leben führen und sich entfalten kann. Dass das nicht selbstverständlich ist und dass wir uns tagtäglich für diese Rechte einsetzen müssen, das zeigt auch ein Blick Richtung Ungarn, unserem unmit­telbaren Nachbarland. Dort hat das Parlament gestern gegen den großen und auch muti­gen Widerstand der LGBTIQ-Community ein Gesetz verabschiedet, das sich gegen alle sexuellen Orientierungen richtet, die von der heterosexuellen Ausprägung abweichen. So soll etwa Werbung verboten werden, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als ein Teil der Gesellschaft dargestellt werden. Meine Damen und Herren, das ist rückschrittlich und entspricht nicht unseren europäischen Werten! (Beifall bei den Grünen.)

Das alles geschieht unter dem Deckmantel der Pädophilie. Diese Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie ist uns leider auch in Österreich nicht ganz unbekannt. Wir erinnern uns an das Jahr 1970, da war im Strafgesetzbuch die sogenannte Unzucht mit Tieren und Personen desselben Geschlechts zu finden. Erst mit der Strafrechts­reform 1971 änderte sich dieser diskriminierende Straftatbestand, es fanden sich aber weitere diskriminierende Straftatbestände im Strafgesetzbuch, und es dauerte letzten Endes bis ins neue Jahrtausend, bis diese mit der Aufhebung des ungleichen Schutz­alters durch den Verfassungsgerichtshof endlich entkriminalisiert wurden und endlich jegliche Kriminalisierung von gleichgeschlechtlicher sexueller Handlung aufgehoben wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Was aus heutiger Sicht unfassbar und klar menschenrechtswidrig erscheint, war für die Betroffenen – einige von ihnen leben heute noch – bitterer Ernst. Es war ungeheures Leid und zerstörte auch unzählige Existenzen. Gerade homosexuelle Männer wurden als eine Gefahr für die Gesellschaft und die sexuelle Sittlichkeit, wie man das damals genannt hat, dargestellt, doch ebenso betroffen waren homosexuelle Frauen, und eine Sensibilität für nicht binäre Identitäten gab es schon gar nicht. Diese Gesetze und die Urteile, die daraus folgten, waren ein schweres Unrecht. Daher bekräftige ich auch anlässlich des Pride Month, dass Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsmerkmale oder ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert, ungleich be­handelt oder gar strafrechtlich verfolgt werden dürfen.

Die Queercommunity ist und bleibt ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Es ist eine Community, die viel Leid erfahren musste, auch durch die Hände des Staates und seiner Vertreterinnen und Vertreter. Wie Sie jetzt gehört haben, war die Justiz da keine Ausnahme. Daher möchte ich als Justizministerin, als Gast im Hohen Haus, den heuti­gen Anlass nutzen, um mich stellvertretend für die Justiz noch einmal in aller Form bei allen Menschen, die in der Zweiten Republik aufgrund ihrer sexuellen Orientierung straf­rechtlich verfolgt wurden, und bei allen ihren Angehörigen aufrichtig und in aller Form zu entschuldigen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich möchte auch mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, ausdrücken, mich aber auch für das lange Schweigen, das darauf folgte, entschuldigen. Diese Menschen wurden von Institutionen, die sie eigentlich hätten schützen sollen, in ihrer Würde, in ihrem Menschsein verletzt.

In den vergangenen Jahren und zum Teil Jahrzehnten haben wir viele Fortschritte erzielt. Die LGBTIQ-Community hat viele, viele ihrer Rechte erkämpfen müssen, aber nach wie vor sind homo-, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen von Hass und Gewalt betroffen und nach wie vor haben wir einen langen Weg zu gehen, bis wir endlich echte Gleichstellung haben, bis endlich alle gleichgestellt sind.

Wir haben noch viel zu tun und daher bitte ich Sie, diese Schritte heute zu setzen und diesen Anträgen Ihre breite Zustimmung zu geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

18.37

Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger zu Wort gemeldet. – Bitte.