23.46

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben einen Plenartag hinter uns, an dem viele Märchen der ÖVP wie Honig runtergingen, weil die Themen komplex sind und man nicht gleich erkennen kann, wo die ÖVP einem etwas vorgaukelt. Wo Sie, liebe Zuseherinnen und Zuseher, das wohl schon öfter merken, wenn die ÖVP sich dubios verhält, ist, wenn es um den Ibiza-Untersuchungsausschuss geht.

Ein Finanzminister erinnert sich am Beginn des U-Ausschusses, als er noch nicht wissen kann, was an Beweisen ausapert, zur Sicherheit einmal an fast gar nichts. (Abg. Hanger: Was Sie gesagt haben, wissen Sie schon noch, oder?) Ein Vorsitzender Wolfgang Sobotka räumt trotz zunehmender Befangenheit nicht seinen Platz, weil er mit seiner destruktiven Vorsitzführung der ÖVP sehr hilft. Im Kabinett eines Kanzlers Kurz wurde alles Relevante gelöscht, selbst die Kalender. Ein Finanzminister liefert dem Unter­suchungsausschuss die ihm zustehenden Akten erst, als die Opposition beim VfGH zu ihrem Recht kommt und der Bundespräsident bei der Exekution quasi schon vor der Tür steht, dann aber in rechtswidriger Papierform, mit der wir nicht arbeiten können – plumpe Verhöhnung, das versteht fast jeder.

Trotz dieser Obstruktion der ÖVP haben wir viel Aufklärungsarbeit geleistet. Der Privat­klinikenfonds wurde zugunsten von FPÖ- und ÖVP-Spendern massiv aufgestockt – zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir haben die Nähe der Novomatic zur ÖVP und auch zur FPÖ herausgearbeitet, bei der ÖVP beginnend mit den hohen Geldflüssen der Novomatic an einen kleinen niederösterreichischen Alois-Mock-Ge­dächtnisverein. ÖVP-Spender, -Förderer oder deren Familienmitglieder sitzen auffällig oft in Aufsichtsräten, und das bringt mich zu einem Hauptpunkt.

Sebastian Kurz versprach doch: Leistung muss sich wieder lohnen! Dieses Versprechen hat er gebrochen, ganz persönlich! Ich sage nur: Thomas Schmid. Dieser hat sich selbst die Ausschreibung für den Öbag-Alleinvorstand geschrieben, sich selbst mit dem Bundeskanzler und dem Rest der türkisen Familie den Aufsichtsrat, der ihn dann zum Besten auserkoren hat, ausgesucht. Das ist Postenschacher der übelsten Sorte und hat gar nichts mit neuem Stil, den Kurz versprochen hat, zu tun. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Bezeichnend ist auch, dass Schmid erst gehen musste, als herauskam, dass er die Menschen, deren Vermögen er verwaltet, als „Pöbel“ und Tiere bezeichnet.

Das Versprechen von Sebastian Kurz, mit Postenschacher aufzuhören, war ein wich­tiges. Warum? „Warum soll das jetzt zum Beispiel einen Bauern im Weinviertel interes­sieren?“ Darauf sagt Kreutner, ehemaliger Chef der Antikorruptionsbehörde BIA, im „Falter“-Interview: „Weil der Bauer im Weinviertel wahrscheinlich auch Kinder hat, die in die Schule gehen und irgendwann einmal einen Job haben wollen. Und diese Kinder sollen genauso das Recht haben, ihrer Schulbildung, ihrer Qualifikation und ihren Wün­schen gemäß einen Job zu kriegen, ohne ein Parteibuch, eine Parteispende oder ohne dass man jemanden kennt, der einem da was richtet. Im Endeffekt geht es um ein faires Miteinander“. Genau das ist ein Grundanliegen von uns NEOS – dass der/die etwas werden soll, der/die etwas kann, und nicht, wer jemanden kennt. Kreutner, der dies ausführte, ist einer der Unterstützer des Antikorruptionsvolksbegehrens, das Sie, Herr Kollege Hanger, unterschreiben wollen.

Ein weiterer Punkt aus unserer erfolgreichen Arbeit im U-Ausschuss (Abg. Michael Hammer: Können Sie außer lesen auch was?): Durch die Befragung von zum Beispiel Christina Jilek wurde bekannt, wie sie sich als im Ibizaverfahren ermittelnde Staats­an­wältin fühlte und warum sie ging. (Abg. Michael Hammer: Ja, genau! Verfahrensrichter beschimpfen und vorlesen!) Sie war konfrontiert mit Störfeuern, mit schikanösen Dienst­aufsichtsbeschwerden, Weisungen und Berichtspflichten. Das ist das System Pilnacek!

Es ging noch weiter: Brisante Akten wurden rechtswidrig versandt, und Pilnacek – unter Anführungszeichen: „Wer vorbereitet Gernot auf die Vernehmung?“ – thematisierte, als einer der höchsten Beamten der Justiz, aktiv die Frage der Verteidigung eines amtie­ren­den beschuldigten Bundesministers der ÖVP. Nun ist er suspendiert.

Gegen die Vertuschung der ÖVP konnten wir auch etwas tun (Abg. Hörl: Sie sind eine Lügnerin!): Das Schredderverfahren wurde wiederaufgenommen, weil wir nachweisen konnten, dass da wohl teilweise Festplatten von Laptops geschreddert wurden – abseits des vorgesehenen Prozederes, durch irgendjemanden unter falschem Namen, ohne Zahlung der Rechnung, gleich drei Mal.

Das alles ist mehr als unangenehm für die ÖVP. Deswegen schlägt die ÖVP wild um sich, weil sie die Ermittlungen gegen sich selbst nicht wahrhaben und vor allem nicht zulassen will und in ihrem Abwehrkampf gegen Recht und Gerechtigkeit vor nichts zurückschreckt. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Hafenecker.)

Und das ist in Wahrheit das Gefährliche: Wenn es um den Schutz der türkisen Familie geht, das heißt um Sebastian Kurz und seine Entourage, schreckt die ÖVP auch nicht davor zurück, die anderen Säulen der Demokratie zu attackieren – als Erstes das Parlament in Form des Untersuchungsausschusses. Die ÖVP macht seit Wochen nichts anderes als zu schreien: Privates ist nicht sicher vor der bösen Opposition im Unter­suchungsausschuss! (Ruf bei der ÖVP: Stimmt aber auch!), Stasivergleiche sind Ihnen auch nicht zu verrückt. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Reden wir also über die Chats! Ich würde mich freuen, als Mitglied des Untersuchungs­ausschusses seriöse Protokolle eines Finanzministers Löger, der eigentlich zuständig wäre, zu einer Kompetenzdiskussion über mögliche Aufsichtsratskandidaten zu lesen – Protokolle, die als Dokument an den U-Ausschuss geliefert worden sind. Diesen Zustand haben wir unter der Regierung Kurz I nicht; stattdessen bekommen wir Chats der türki­sen Familie, von Kurz, Schmid, Blümel und anderen – alle unzuständig –, unseriöse Chats darüber, wer Aufsichtsrat wird, um Thomas Schmid zum Alleinvorstand zu machen. – Das ist beruflich, nicht privat!

Was lesen wir noch? – Dass sich ein ranghoher Beamter des Justizministeriums und ein Verfassungsrichter herabwürdigend, abschätzig, respektlos über den Verfassungs­ge­richts­hof, seine Mitglieder, die WKStA und den Rechtsstaat an sich äußern. Das ist auch beruflich und eine ernst zu nehmende Gefahr für den Rechtsstaat (Zwischenruf des Abg. Hanger), und die Öffentlichkeit hat deswegen ein Recht darauf, es zu erfahren. Die Relevanz dieser Veröffentlichung haben sogar Sie, Herr Hanger, der sonst sehr fantasie­voll bei Argumentationen ist, nicht bestritten. (Abg. Hanger: Sie haben das Recht gebrochen ...!)

Und, Herr Hanger: Der U-Ausschuss erhält diese Korrespondenzen aufgrund der ge­setzlichen Regelungen und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, und jeder Chat wird einzeln beurteilt und dann durch die Justiz selbst freigegeben und geliefert. Wenn es die ÖVP so verurteilt, dass wir Chats bekommen, warum wollten Sie, Herr Kollege Hanger, dann im letzten U-Ausschuss alle Chats der WKStA haben? Anscheinend gibt es gute Chats und gemeine Chats. (Abg. Hanger: Hätten Sie das unterstützt?) – Das war das Parlament.

Wie attackiert die ÖVP die Justiz, ohne Skrupel? (Abg. Hanger: Gar nicht! Das wissen Sie ganz genau! ...!) Wäre die ÖVP eine staatstragende Partei mit einem reinen Gewissen, dann würde sie die Justiz einfach arbeiten lassen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger.) Aber nein, seit über einem Jahr wird die WKStA frontal von Sebastian Kurz abwärts attackiert. (Ruf bei der ÖVP: ... die Redezeit ist vorbei!) Wir hören auch nicht einmal irgendwann Kritik am System Pilnacek von der ÖVP – natürlich nicht –, vielmehr werden Akten von der ÖVP geleakt (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP), um es dann medial der WKStA in die Schuhe zu schieben. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Diese Schamlosigkeit raubt einem wirklich den Atem.

Jetzt hat die ÖVP durch ihre Umfragen klar zu sehen bekommen, dass wir Bürgerinnen und Bürger sehr auf den Rechtsstaat stehen und ihn schätzen und dass es nicht so gut ankommt, wenn Sie ihn kritisieren. Also attackiert die ÖVP nun gezielt die Sachbe­arbeiter der WKStA. Spannend, dass zwar keiner der Beschuldigten vonseiten der ÖVP ein Rechtsmittel genutzt hat, wie es dem normalen Bürger, der normalen Bürgerin zusteht, die ÖVP aber die einem normalen Bürger verschlossenen Wege von Presse­kon­ferenzen et cetera für falsche Vorwürfe nützt und auch jene Ibizasachbearbeiter, die noch nicht aufgegeben haben, anzeigt. Ich dachte, es gibt nur politisch motivierte Anzei­gen, aber anscheinend gibt es böse Anzeigen und gute Anzeigen. (Abg. Hanger: Sie machen nur die guten, oder?)

Irritierend muss es besonders für Christina Jilek – jene wichtige Kraft im Ibizaermittlungs­team, die zermürbt wurde – gewesen sein, dass Kollege Hanger gerade dieses Anti­korruptionsvolksbegehren, das sie unterstützt, jetzt unterschreiben möchte. Die ÖVP versucht anscheinend alles, auch das Zu-Tode-Umarmen. (Abg. Zarits: Soll er es jetzt nicht unterschreiben, oder was?) Die ÖVP schafft es auf jeden Fall sehr gut, zu tricksen und zu täuschen, und sie arbeitet mit Falschinformationen und Attacken an Ihrer Täu­schung, liebe Zuseherinnen und Zuseher! Irgendwann stimmt dann der Fokus der Debatte nicht mehr, und wie Harry Bergmann sehr richtig schrieb: „Wohin man sieht, stimmt die Gewichtung nicht. Das Zustandekommen des Ibiza-Videos wiegt schwerer als sein Inhalt. Die Sauberkeit der Fußnägel einer angeblichen Oligarchen-Nichte wiegt schwerer als der geplante Ausverkauf der Republik. Die Larmoyanz der Befragten im Untersuchungsausschuss wiegt schwerer als ihr Schweigen oder ihre Lügen. Eine Hausdurchsuchung bei einem Politiker wiegt schwerer als der Fund. Eine Suspen­dierung wiegt schwerer als Geheimnisverrat.

Und dann, die liebe Macht. Die Macht wiegt schwerer als das, was man mit dieser Macht für die Menschen zum Besseren verändern könnte. Die Macht zu gewinnen, wiegt schwerer, als den Willen derer, die einen gewählt haben, umzusetzen. Die Macht zu erhalten, wiegt schwerer als das korrumpierte Verhalten, das vielen dafür nötig erscheint.“ (Abg. Michael Hammer: Leseübung ...!)

In diesem Sinne: Erfolgreiche Täuschung der ÖVP hin und her, wir arbeiten weiterhin an Aufklärung, und es kann sein, dass es zu einer Enttäuschung bei den Bürgerinnen und Bürgern kommt, die meinten, sie könnten der türkisen Familie und ihrem vermeintlichen neuen Stil trauen. Von Täuschung befreit zu werden ist kein angenehmer Prozess, aber nach der Enttäuschung hat man wieder einen klaren Blick.

Wir wollen im U-Ausschuss diese Aufklärung ordentlich zu Ende führen. Dazu brauchen wir wegen der von Tag eins an (Ruf bei der ÖVP: Die Redezeit ist vorbei!) hemmenden, tricksenden, faktenbefreiten Kräfte aus der ÖVP noch eine Verlängerung für die Akten von Minister Blümel, Kanzler Kurz und die Chats von Thomas Schmid. Die Verzö­gerungstaktik der ÖVP soll nicht erfolgreich sein! Liebe Grüne, seid bei der Verlängerung dabei! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

23.56

Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Fürlinger das Wort. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)