12.33

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister Blümel, es ist bedauerlich, was Sie hier machen, denn es wäre eine Gelegenheit gewe­sen, sich dessen zu besinnen, was Sie bei Amtsantritt dem Bundespräsidenten zu gelo­ben haben, nämlich dass Sie „die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten“ und Ihre „Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen“ werden.

Da Sie Ihr Studium im Unterschied zu Kollegen Kurz abgeschlossen und Philosophie studiert haben, brauche ich Ihnen das Wort Republik nicht zu erklären. Es kommt vom lateinischen Res publica und ist eine öffentliche Sache, mit deren Verwaltung Sie als Bundesminister beauftragt wurden. Damit sind schon einmal Einlassungen, wie sie Kol­lege Hanger und andere versucht und Sie jetzt wiederholt haben, nämlich von privaten Mitteilungen in der Spitzenverwaltung zu reden, obsolet. Es ist eine öffentliche Sache, die verwaltet wird, und nicht eine Privatangelegenheit, auch wenn manche das glauben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

Was ich aber ganz entschieden zurückweisen will, ist die Art und Weise, wie Sie jetzt wiederum versuchen, die Ihnen als Behördenleiter anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als quasi lebende Schutzschilde zu benützen. Sie haben uns schon wieder hier gesagt, die seien schuld! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Belako­witsch und Hafenecker. – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Sie haben hier wiederum versucht, zu suggerieren, irgendjemand habe die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter beschuldigt, sie würden dem Parlament und damit dem höchsten Organ der Gesetzgebung die ihm rechtlich zustehenden Akten und Unterlagen vorent­halten. Das ist nicht wahr! Es waren nicht die Beamtinnen und Beamten, die Vertragsbe­diensteten Ihres Hauses, sondern es waren Sie, Ihr Kabinett und die Führung. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eigentlich unglaublich – ich brauche nur eine Sekunde nachzudenken –: Was für ein Interesse soll ein Bediensteter des BMF haben, über die Spender der ÖVP und deren Begünstigung Unterlagen zurückzuhalten? Warum sollte er das tun? Das tut niemand! Wer ein Interesse daran hat, das sind andere – aus politischen Gründen.

Und noch einmal: Res publica ist es hier, die mit Checks and Balances als Demokratie und Rechtsstaat zu funktionieren hat. Da ist kein Raum dafür, dass Sie eineinhalb Jahre lang aktiv zu verhindern versucht haben, dass an die Öffentlichkeit kommt, was Res publica, die öffentliche Sache ist, nämlich wie Sie mit den Ihnen anvertrauten Institu­tionen, damit letztlich dem Staat, und der Demokratie umgehen. Schämen Sie sich ein­mal dafür und machen Sie keine Vorwürfe! (Beifall bei der SPÖ.)

Allein mit welcher Schnödheit Sie, Herr Bundesminister Blümel, die Fragen hier vom Tisch gewischt haben: Darf ich daran erinnern? Bei der Frage 9 – da muss man vielleicht auch den Zuseherinnen und Zusehern erklären, worum es geht – ging es darum, dass jetzt erst, wenn durch das Mauern der Regierungsmehrheit keine Befragung mehr mög­lich ist, durch die Beschlagnahme der Akten durch das Straflandesgericht bekannt wur­de, dass der nunmehrige höchste Beamte des BMF, damals Kabinettsleiter, seinem Vor­gänger und späteren Öbag-Chef Schmid während dessen Urlaub in Griechenland gra­tuliert hat, wie elegant dieser das bezüglich der Frage des möglichen Insolvenzantrages hinsichtlich der Kika/Leiner-Gruppe über das Bundesrechenzentrum abgedreht habe. Dort stand noch: cool!, mit dem Icon mit der Sonnenbrille.

Meine Damen und Herren! So eine Frage wischen Sie jetzt weg und sagen, dass ein anderes Ministerium zuständig sei, womöglich die dortigen Bediensteten. – Nein! Es war der Kabinettsleiter des ÖVP-geführten Finanzministeriums, der sich mit eben jenem Tho­mas Schmid – das ist der mit den Kussmündchen und „Ich liebe meinen Kanzler“, der ist das – darüber unterhalten hat, wie sie aktiv in die Verwaltung eingegriffen hätten. Der gratuliert ihm dazu, wie er eingegriffen hat – rechtswidrigerweise! Ehrlich, meine Damen und Herren, hier haben sich andere zu entschuldigen, und zwar insbesondere Sie, Herr Mag. Blümel! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.)

Kollege Krainer hat relativ klar zum Ausdruck gebracht (Abg. Wöginger: Gar nichts!), welches Mindestmaß an Vertrauen wir in jene Personen, die mit einem Mandat beliehen worden sind, dieses Land zu führen, haben. Jeder, der auch nur ansatzweise in diesem Hause Verantwortung wahrnimmt, muss sagen: Dieses Vertrauen müssten wir bei dieser Person des Bundesministers für Finanzen versagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Bei den Grünen tippt die Frau Klubvorsitzende wieder. (Abg. Maurer schaut auf ihr Smartphone.) Ich fürchte, da werden wir das Versagen wieder anderweitig zur Kenntnis nehmen müssen, nämlich das Versagen, dass die Grünen das, was sie hier jahrzehnte­lang immer versprochen haben, nämlich den Anstand zu wahren, heute wiederum nicht wahren werden, sitzen bleiben werden und genau meinen Antrag, den ich jetzt stellen werde, nicht unterstützen werden, obwohl sie es müssten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Antrag, den ich stelle, lautet:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Fi­nanzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Ich hoffe, dass der Anstand die Grünen nicht nur gewählt hat, sondern ihnen heute auch den Mut gibt, diesen Schritt zu setzen (Ruf: Das glaube ich nicht!), sonst ist es nämlich ein Verrat an diesem Wähleranstand, der genau das erwartet hat, als er Ihnen, meine Damen und Herren, dieses Mandat gegeben hat. Und hören Sie auf mit der Erpressung, die die ÖVP angeblich mit den Grünen macht! (Abg. Wöginger: Das ist unerhört, was du da zum Besten gibst!) Hören Sie doch einmal auf - - Na, diese nervösen Zwischenrufe des Herrn Wöginger (Abg. Wöginger: Na, wirklich ned! Nervös kannst du sein!) – da merken Sie es schon, es gibt ja gar keine Erpressung. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was soll sie sein? Dass Werner Kogler nicht mehr Vizekanzler ist? (Abg. Wö­ginger: Das kannst dem Doskozil erzählen!) Dass Frau Gewessler nicht mehr Ministerin ist? Na, wie lang wird denn das sein? Wenn wir in dem Augiasstall, der sich da herausge­stellt hat, saubermachen können (Abg. Wöginger: Das kannst der burgenländischen SPÖ erzählen!), dann braucht August Wöginger gar nicht mehr zu schreien, denn dann sind er und Kurz nicht mehr da, und wir können hier - - (Abg. Wöginger: Geht einmal in eure Parteigremien und räumt den Saustall einmal zusammen!) – Das Schreien hilft nichts, das wird nichts mehr. (Abg. Wöginger: Ja, ja, ich komme eh noch, du wirst es schon hören dann!) Anstand wird die ÖVP sowieso nicht wählen, das ist eh klar, aber den Grünen schaue ich in dieser Frage tief in die Augen: Was soll die Erpressung sein? (Abg. Wöginger: ... Fetzen hin die Partei!) Das ist doch eine Art Stockholmsyndrom, was ihr da entwickelt. Ihr lasst euch als Geisel nehmen und macht mit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Räumt doch mit uns gemeinsam auf, damit diese Republik wieder anständiger wird, dann hätten wir etwas für das Land getan (Abg. Wöginger: Ja, genau!) und nicht dafür, ob jetzt irgendwer noch in der Regierung ist oder nicht! Ganz ehrlich, das ist es nicht wert, und an der Nervosität des ÖVP-Klubobmannes erkennt man auch, wie schlimm die Lage ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Wöginger: Die SPÖ im ... Klub! – Ruf bei der ÖVP: 25 Prozent!) Er hat sachlich nichts beizutragen, aber er kann schreien. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass diese Partei ohne Ihre Unterstützung nicht mehr zurückfinden wird. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Ich wünsche es aber auch der ÖVP, in diesem Sinne: Stimmen Sie diesmal mit, versagen Sie diesem Minister das Vertrauen! (Abg. Wöginger: Das ist an Präpotenz nicht zu überbieten!) Er hat es nicht verdient! Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Matznetter, Hafenecker,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen

eingebracht in der 119. Sitzung des Nationalrates (XXVII. GP) am 19.7.2021 im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Krainer, Genossinnen und Ge­nossen, an den Bundesminister für Finanzen betreffend „selbstverschuldete Amtsunfä­higkeit und fortgesetzter Verfassungsbruch müssen Konsequenzen haben“

Bundesminister Mag. Gernot Blümel gelobte anlässlich seiner Angelobung durch den Bundespräsidenten und bekräftigte mit Handschlag und seiner Unterschrift:

„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobach­ten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“

Am 22. Jänner 2020 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsaus­schuss) ein. Mit grundsätzlichem Beweisbeschluss vom selben Tag wurde der Bundes­minister für Finanzen aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle seine Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen.

Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen er­gänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, mit der der Bundesminister für Finanzen erneut zur Vorlage aller seiner Akten und Unterlagen – nunmehr im vollen Umfang des Untersuchungsgegenstandes – verpflichtet wurde.

Art. 53 Abs. 3 B-VG lautet:

„Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände so­wie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (…)“

Der Bundesminister für Finanzen legte dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zunächst eine Vielzahl von Akten und Unterlagen vor, deren Vollständigkeit vom Untersuchungs­ausschuss jedoch bezweifelt wurde.

So forderte der Untersuchungsausschuss den Bundesminister für Finanzen u.a. am 30. September 2020 sowie am 11. November 2020 mittels ergänzender Beweisanfor­derung auf, ihm weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Der Bundesminister für Finanzen verweigerte in beiden Fällen die Vorlage.

Am 13. Jänner 2021 setzte der Untersuchungsausschuss dem Bundesminister für Finan­zen eine zweiwöchige Frist, um seinen verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen gegen­über dem Untersuchungsausschuss nachzukommen.

Auch diese Nachfrist ließ der Bundesminister für Finanzen verstreichen, ohne weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Am 11. Februar 2021 stellte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, dass dieser aussprechen möge, dass der Bun­desminister für Finanzen zur Vorlage der vom Untersuchungsausschuss begehrten Ak­ten und Unterlagen verpflichtet ist.

Am selben Tag fand eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ange­ordnete und gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchung bei Mag. Gernot Blümel statt, da dieser als Beschuldigter im sogenannten Casinos-Verfahren im Verdacht steht, zur Be­stechung von Amtsträgern – im Konkreten des damaligen Bundesministers Kurz – durch Vertreter der Novomatic AG beigetragen zu haben.

Am 3. März 2021 entschied der Verfassungsgerichtshof:

„Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediens­teten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundesministe­riums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.“

Der Bundesminister für Finanzen kam diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht nach.

Auf Grund der fortgesetzten Weigerung des Bundesministers für Finanzen, dem Unter­suchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, regte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 22. März 2021 beim Verfas­sungsgerichtshof die Exekution des genannten Erkenntnisses durch den Bundespräsi­denten gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an.

Am 5. Mai 2021 beantragte der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten schlussendlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG die Exekution seines Erkenntnisses. Dies stellt einen historisch bislang einzigartigen Fall dar.

Als Reaktion auf diesen Antrag und eine entsprechende Ankündigung des Bundesprä­sidenten legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss weitere Akten und Unterlagen vor. Diese waren im Finanzministerium bereits in Kartons bereit­gehalten worden und pauschal als „Geheim“ eingestuft.

Auf Grund der massiven Kritik an dieser Vorgangsweise legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss diese Akten und Unterlagen wenige Tage spä­ter nochmals – nunmehr jedoch in niedrigerer Geheimhaltungsstufe – vor.

Nach Durchsicht der gelieferten Akten und Unterlagen wandten sich SPÖ, FPÖ und NEOS an den Bundespräsidenten und stellten fest, dass die Aktenlieferung weiterhin nicht vollständig war.

Am 23. Juni 2021 gab der Bundespräsident bekannt, die Exekution des VfGH-Erkennt­nisses nunmehr tatsächlich anzuordnen, was am folgenden Tag auch geschah. Der Bun­despräsident beauftragte das Landesgericht für Strafsachen mit der Sicherstellung der geschuldeten Akten.

Bereits am 9. Juli 2021 übergab das Landesgericht für Strafsachen als Ergebnis der Sicherstellung umfangreiche Aktenbestände. Bereits bei erster Durchsicht ließ sich fest­stellen, dass diese deutlich über die bislang dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten hinausgehen. Dieser Befund bestätigte sich in weiterer Folge: so wurden zB bis­lang nicht bekannte Unterlagen zu mehreren Gesetzgebungsprojekten, Privatisierungs­plänen und Absprachen mit der Novomatic im Finanzministerium sichergestellt, die dem Untersuchungsausschuss bislang vorenthalten wurden.

Eine derartige, historisch einmalige Missachtung der Verfassung bei gleichzeitiger Brüs­kierung des Parlaments, des Verfassungsgerichtshofes und des Bundespräsidenten zu Zwecken der Vertuschung des eigenen Fehlverhaltens kann nicht folgenlos bleiben. Denn wenn sich die obersten Organe der Republik nicht mehr durch die Verfassung gebunden fühlen, ist die Verfassung als Ganzes in Gefahr.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. Das Wort steht bei ihm. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter. (Abg. Wurm – in Richtung des zum Rednerpult gehenden Abg. Han­ger ‑: ... seriös! – Abg. Hanger: Ich werde mich bemühen! – Abg. Belakowitsch: Kann ja nicht seriös sein, ist ja nicht seine Rolle!)