Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung, 13. Oktober 2021 / Seite 221

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Pilnacek an Fuchs, 20.47 Uhr: „HBM wünscht auch, dass die Kommunikation aus­schließlich über OStA Wien läuft.“

Pilnacek an Fuchs, 20.50 Uhr: „Ich denke, dass du den Auftrag aktiv stellen solltest; HBM möchte WKStA keine aktive Rolle zukommen zu (sic!) lassen.““11

Moser selbst gab an, die Zuständigkeit der WKStA niemals bestritten zu haben. Offenbar hatte Moser jedoch realisiert, was eine solche Einflussnahme auf ein Ermittlungsverfah­ren für ihn bedeuten könnte und ließ noch am Montag, den 20.5.2019, über seine per­sönliche Assistenz ein E-Mail an die Leiterin der WKStA senden, wonach er von der ordnungsgemäßen Erfüllung der gesetzlichen Pflichten der WKStA ausgehe. Pilnacek und Mosers Kabinettschef erhielten diese E-Mail erst nachträglich.

Der Grund für Mosers Nervosität war mutmaßlich, dass die WKStA bereits an diesem Wochenende erkannte, dass ihre Ermittlungen verhindert werden sollten. Da jedoch im Zusammenhang mit der Causa „Wien Wert“ ein Verfahren bei der WKStA anhängig war, in dem auch Spenden an FPÖ-nahe Vereine bereits Thema waren, erstattete die WKStA am Sonntag, den 19.5.2019 einen dringenden Informationsbericht an die Oberstaatsan­waltschaft und das BMJ. Ermittlungen der WKStA waren somit mit den geplanten Mitteln nicht mehr zu verhindern.

Die in weiterer Folge stattgefundene Koordination der Obstruktionsmaßnahmen über mehrere staatliche Institutionen hinweg offenbart einen möglichen, rechtsstaatlich be­denklichen Zustand, in dem nur parteipolitische Interessen der ÖVP maßgeblich sind und der im Zuge weiterer Untersuchungen erkundet werden muss.12

Sinnbildlich für diese Koordination ist der intensive Austausch zwischen Pilnacek, dem späteren SOKO-Leiter Andreas Holzer, dem damaligen interimistischen Generaldirek­tor für die öffentliche Sicherheit Franz Lang und OStA-Leiter Johann Fuchs. Befragt nach der Rolle von Christian Pilnacek gab der fallführende Staatsanwalt Bernd Schnei­der bei der Staatsanwaltschaft Wien für das „Hintermänner-Verfahren“ folgendes an (204/KOMM XXVII.GP):

„Er war zu Beginn dabei, bei dieser allerersten Besprechung, die ich Ihnen genannt ha­be, die kurz nach Veröffentlichung des Ibizavideos bei der Oberstaatsanwaltschaft war. Da war eine Besprechung bei der Oberstaatsanwaltschaft, bei der der Oberstaatsanwalt Fuchs war, Vertreter vom Ministerium, Vertreter vom Bundeskriminalamt – die damals schon gesagt haben, dass eine Soko eingerichtet werden wird –, ich war dort, die Leiten­de Staatsanwältin Dr. Nittel war dort, und später hinzugekommen ist auch der damalige Noch-Generalsekretär Pilnacek.“

Gleichzeitig besteht der Verdacht, dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien durch Be­richtsaufträge und Weisungen sowie dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen für eine Zer­mürbung der WKStA sorgen wollte. Hervorzuheben sind die Weisungen der OStA, ge­wisse Akten dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten oder die „spontane“ Wei­sung, das Ermittlungsverfahren in der Schredder-Causa abzutreten.

Diese Kontrollbestrebungen der ÖVP gegenüber der Justiz schienen sogar den Regie­rungswechsel im Juni 2019 zu überdauern. Selbst unter der Amtszeit von Justizminister Jabloner blieb der Informationsfluss aus der Justiz an die ÖVP unverändert aufrecht. Das Nachrichtenportal zackzack veröffentliche Chats zwischen Christian Pilnacek und der damaligen Kabinettsmitarbeiterin von Jabloner, Andrea Martini. Den Hintergründen dieser Nachrichten konnte auf Grund des Endes der Beweisaufnahme des Ibiza-Un­tersuchungsausschusses nicht mehr nachgegangen werden:

„23.08.19, 17:03, Pilnacek an Abteilungsleiterin M.: Staatsanwaltschaft ermittelte bis vor kurzem gegen ein Mitglied der Soko Ibiza. Es geht munter weiter, das kann man sich nicht gefallen lassen!!!

 


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