Beschuldigteneinvernahme bestätigt. Insofern kamen sachfremde Kriterien für die Personalauswahl zur Anwendung, durch die nicht die besten Personen, sondern die parteilich loyalsten bestellt wurden.
Die Stabstelle Think Austria hat besondere Bedeutung für den Zugang von potentiellen ÖVP-SpenderInnen ins Bundeskanzleramt. Hinzu kommt, dass die Auswahl der Mitglieder der Stabsstelle noch zu beleuchten sein wird. Insbesondere die Rolle von Markus Braun sticht hier hervor, da dieser insgesamt 70.000 Euro an die ÖVP gespendet hatte.
Im Bereich der Wirtschaftsdelegationen gaben mehrere Auskunftspersonen an, vom Bundeskanzler oder seinem Umfeld zu gemeinsamen Reisen eingeladen worden zu sein. Aus welchen Motiven diese Einladungen erfolgten, wird zu klären sein. Dieses Muster bestand bereits im BMEIA in den Jahren 2015 und 2016. Exemplarisch können die gemeinsamen Reisen des damaligen Bundesministers Kurz mit René Benko in den arabischen Raum oder mit OMV-Chef Seele nach Libyen genannt werden,18 wo zu späterem Zeitpunkt auch Jan Marsalek mit der Unterstützung durch die österreichische Regierung für seine dortigen Projekte warb. Entsprechende parlamentarische Anfragen zu diesen Reisen und dem Inhalt der dort geführten Gespräche blieben unzureichend (vgl. zB 3187/AB XXVI.GP).
Die Interventionen zu Gunsten von (ehemaligen) ÖVP-PolitikerInnen sowie Verwandten von ÖVP-SpitzenpolitikerInnen sind – sofern es das BMF betrifft – in einem eigenen Auswertungsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft erfasst, der dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorlag (ON 1309 zum Verfahren AZ 17 St 5/19d). Dabei ging es u.a. um die Versorgung von Gabi Tamandl, Manfred Juraczka und Harald Mahrer. In dem besagten Auswertungsbericht sind auch die umfassenden Bemühungen u.a. von Thomas Schmid dokumentiert, Personen frühzeitig aus ihren Organfunktionen abzulösen.
Zur Einordnung in den Bereich der Vollziehung des Bundes:
Ein Untersuchungsausschuss des Nationalrates kann nur einen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes überprüfen. Der Ausschussbericht (AB 439 BlGNR XXV. GP, 3) führt dazu aus, dass zur Verwaltung des Bundes nach Rechtsprechung und Lehre sowohl die hoheitliche als auch die nicht-hoheitliche Besorgung von Verwaltungsaufgaben sowie die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes zähle. Daher kann auch informelles staatliches Handeln Gegenstand der Untersuchung sein (Pabel, Die Kontrollfunktion des Parlaments, 2009, 85) sowie auch gesetzesvorbereitende Tätigkeit der Verwaltung (Pürgy, Die gesetzesvorbereitende Tätigkeit der Verwaltung als Kontrollgegenstand parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, ZfV 2021, 101). Das Untersuchungsrecht erstreckt sich somit grundsätzlich auf jede Art der „Verwaltung“ im verfassungsrechtlichen Sinn.
Gegenstand der Untersuchung ist im vorliegenden Fall das Verhalten von Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen und deren unmittelbarem Umfeld in Organen des Bundes. Privates Verhalten ist nicht erfasst, sofern es keinerlei Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (vgl. Konrath/Posnik, aaO, 9; Wimmer, Staatlichkeit und Kontrolle, in: Fuchs ua. [Hrsg.], Staatliche Aufgaben, private Akteure, 3. Band [2019], 136). Verhalten mit Bezug zur amtlichen Stellung in Organen des Bundes ist logischerweise Vollziehung des Bundes, auch wenn es bloß informelles oder schlichtes Verwaltungshandeln ist oder der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen wäre. Als politisches Kontrollrecht ist das Untersuchungsrecht nicht auf die Untersuchung bestimmter Handlungsformen beschränkt. Im Sinne des Ausschussberichts (AB 439 BlgNR XXV. GP, 3) wird bei der Abgrenzung zwischen amtlichem und privatem Verhalten auf die Intentionalität des jeweiligen Handelns, die nach objektiven Kriterien, also rechtlichen Zuständigkeiten und Befugnissen, zu bewerten ist, abzustellen sein (vgl. auch Konrath/Neugebauer/Posnik,
HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite