Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll125. Sitzung, 13. Oktober 2021 / Seite 225

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

aaO, 217). Es ist somit auch klargestellt, dass etwa die Verwendung der mutmaßlich gewährten Vorteile durch die ÖVP nicht Gegenstand der Untersuchung sein kann, da Parteien genauso juristische Personen des Privatrechts und somit nicht Untersuchungs­gegenstand sind, sondern lediglich jene Motive und Handlungen, die im Bereich der Voll­ziehung des Bundes zur Vorteilsgewährung führten.

Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass die Untersuchung die private Sphäre der ÖVP mittelbar berührt, da an der Aufklärung des behaupteten Missstands ein besonderes öf­fentliches Interesse besteht und die ÖVP über einen besonderen Bezug zu staatlichen Einrichtungen verfügt, sowie Kenntnis über Strukturen und Prozesse in der ÖVP zum Verständnis von Handlungen im Bereich der Vollziehung des Bundes erforderlich sind, da sie insofern eine Vorfrage darstellen. Die dem Untersuchungsausschuss von der Bun­desverfassung eingeräumten, der Wirksamkeit seines Kontrollauftrags dienenden, be­sonderen Informationsrechte würden ins Leere laufen, könnten private Umstände nicht einmal mittelbar erforscht werden, obwohl diese Folgen im Bereich der Vollziehung des Bundes haben. Aus diesem Grund kann der verfassungsrechtlichen Vorlagepflicht des Art. 53 Abs. 3 B-VG gegenüber dem Untersuchungsausschuss auch keine Geheimhal­tungsverpflichtung gegenüber Privaten entgegengesetzt werden (vgl. dazu bereits VfSlg. 19973/2015). Davon zu unterscheiden ist die Frage der eigenständigen Mitwir­kungspflicht Privater an den Beweiserhebungen eines Untersuchungsausschusses (vgl. dazu einerseits VfSlg. 19993/2015 bzw. andererseits § 288 Abs. 1 und 3 StGB).

Dass Private mittelbar vom Gegenstand der Untersuchung betroffen sein können, hat der Verfassungsgesetzgeber durch die Erlassung des Art. 138b Abs. 1 Z 7 und die Schaffung des dazugehörigen Beschwerdeverfahrens im VfGG überdies ausdrücklich anerkannt. Schließlich wäre ein solches Verfahren zum Schutz von Persönlichkeits­rechten ansonsten von vornherein obsolet.

Dem Nationalrat kommt gemäß Art. 143 B-VG das Recht zu, beim Verfassungsgerichts­hof die Klage gegen (auch ehemalige) Mitglieder der Bundesregierung auch wegen straf­gerichtlich zu verfolgender Handlungen zu erheben, die mit der Amtstätigkeit des Anzu­klagenden in Verbindung stehen. In diesem Falle wird der Verfassungsgerichtshof allein zuständig, die bei den ordentlichen Strafgerichten etwa bereits anhängige Untersuchung geht auf ihn über. Gemäß § 73 VfGG hat die Klage denselben Maßstäben wie eine An­klageschrift zu entsprechen (vgl. Rohregger in: Eberhard et al. [Hrsg.], Kommentar zum Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, 4; Zögernitz, Nationalrat-Geschäftsordnung4, § 75, Anm. 1). Zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Aufgaben muss es dem Na­tionalrat unter Einsatz seines weitestreichenden Kontrollinstruments - des Untersu­chungsausschusses - daher möglich sein, den Sachverhalt und insbesondere auch die subjektive Tatseite selbsttätig umfassend zu erforschen, auch wenn diese im Bereich der parteipolitischen Gründe zu verorten ist, so lange nur ein ausreichender Zusam­menhang mit der amtlichen Tätigkeit besteht. Vorwürfe strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen bestehen aktuell gegenüber mehreren der ÖVP zuzurechnenden Re­gierungsmitgliedern in Zusammenhang mit ihrer Amtsführung, insbesondere gegen den Bundeskanzler sowie Bundesminister Blümel. Eine solche Auslegung entspricht auch dem spezifischen Verständnis parlamentarischer Kontrolle als Informationsgewinnung zur Geltendmachung politischer Verantwortung (vgl. auch Konrath/Neugebauer/Posnik, aaO, 218).

Bei den Vorteilen, die mutmaßlich gewährt wurden, handelt es sich in aller Regel um solche, die im Bereich der Vollziehung des Bundes gelegen sind, da eine Vorteilsgewäh­rung in anderen Bereichen jedenfalls nicht durch die amtliche Tätigkeit der jeweiligen Personen ausgelöst sein kann. Einzige Ausnahme bilden Fallkonstellationen im Drei­ecksverhältnis, bei denen sich das jeweilige Organ des Bundes für den Vorteil bei einem Dritten verwendet und der Vorteil somit indirekt gewährt wird. Auf Grund derselben Ver­werflichkeit solcher Handlungen – nämlich der Unsachlichkeit des Eingreifens eines


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite