Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll129. Sitzung, 16. bis 18. November 2021 / Seite 427

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

aktiven Wolfsmanagement in Österreich, wie es auch die FPÖ mit mehreren Anträgen2 im Nationalrat bereits gefordert hat:

1.   Der schwedische Weg

In Schweden gibt es schon seit 1971 Rennäringslagen, das schwedische Gesetz zur Rentierwirtschaft. Die Rentierzucht wird gerade deshalb geschützt, weil sie ein wesentli­cher Teil der Kultur der Samen ist.

Zum Schutz der Rentierwirtschaft wurden einzelne Wölfe, die aus Finnland nach Nord­schweden einwandern wollten, aufgrund der Regelungen in § 25 des Rennäringslag ge­zielt entnommen. Dies führte dazu, dass die Europäische Kommission gegen Schweden wegen Verstoßes gegen die FFH-Richtlinie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitete. Die schwedische Regierung verwies auf die besondere Situation der Samen einerseits und die bestehende Wolfs-Population in Mittelschweden andererseits. Heute ist es so, dass Wölfe, die aus Finnland kommend nach Schweden einwandern wollen, im Rahmen einer sogenannten „Schutzjagd“ entnommen werden und die EU-Kommission dagegen nichts weiter unternimmt. Daraus ergibt sich eine Möglichkeit für eine analoge Lösung in Österreich.

In Österreich gibt es – wie in Schweden – eine noch relativ geringe Zahl von Wölfen, die in Rudeln im Norden und Osten des Landes leben. Diese Rudel leben unter anderem in Truppenübungsplätzen. Nun sind diese einzelnen Rudel wohl noch keine sicher überle­bensfähige Population, aber ihr Anwachsen zu einer solchen erscheint realistisch. Dane­ben gibt es einzelne umherstreifende Wölfe im Alpenraum, die keinem Rudel angehören und auch keine Möglichkeit haben, sich einem Rudel anzuschließen, weil es solche ge­rade im österreichischen Alpenraum nicht gibt. Diese Einzelgänger sind es, welche die großen Probleme in der traditionellen Landwirtschaft verursachen. Und dies dürfte der Grund sein, weshalb die Europäische Kommission die Entnahme solcher Tiere in den Rentierhaltungsgebieten Nordeuropas duldet – in Finnland aufgrund der ausdrücklichen Ausnahme im Anhang der FFH-Richtlinie, und in Schweden aufgrund einer stillschwei­genden Übereinkunft mit der schwedischen Regierung.

Österreich könnte entsprechend dem schwedischen Modell eine interne Regelung zur Einrichtung von Schutzzonen für den Wolf einerseits und Zonen für die Weidehaltung auf den Almen andererseits treffen.

2.   Der finnische Weg

Mit Wirkung zum 01.01.1995 ist Österreich, Schweden und Finnland in die EU einge­treten. Die FFH Richtlinie wurde 1992 erlassen und war beim Beitritt von Österreich bin­dend. In Finnland gibt es schon seit 1990 ein Gesetz, mit dem die Rentierhaltungsge­biete geregelt sind. Die Rentierhaltung ist nämlich für die Kultur der Samen, der Urein­wohner Nordeuropas, von besonderer Bedeutung. Durch dieses Gesetz sollte dieses Kulturgut gesichert werden. Die Gebiete mit Wolfspopulation überschneiden sich in Finn­land teilweise mit dem Rentierhaltungsgebiet. Innerhalb des Rentierhaltungsgebietes besteht kein strenger Schutz des Wolfes nach Anhang IV zur FFH-Richtlinie; außerhalb dagegen schon.

Eine vergleichbare traditionelle Kultur stellt die Weidehaltung von Schafen und Ziegen in den Hochlagen der Ostalpen dar. Auch sie besteht schon mindestens 6000 Jahre und ist in der besonderen Form der Transhumanz sogar als immaterielles Kulturerbe in das Nationale Verzeichnis der Österreichischen UNESCO-Kommission aufgenommen wor­den. Anders als die Rentierhaltung in Finnland wird die Weidehaltung von Schafen und Ziegen in den Ostalpen sogar nach wie vor im Wesentlichen durch die angestammte Bevölkerung betrieben. Bei Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes spricht deshalb viel dafür, den Weidegebieten der Ostalpen einen ähnlichen Ausnahmestatus wie den finnischen Rentierhaltungsgebieten zu gewähren.

 


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite