Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll135. Sitzung, 135. Sitzung des Nationalrats vom 15. Dezember 2021 / Seite 52

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unterschrieben und ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass es zu einem Zwangseingriff in ihre körperliche Unversehrtheit kommen könnte, dass es zu einer Abschaffung der Gewissensfreiheit für die Entscheidung: Lasse ich mich gegen Covid-19 impfen oder nicht?, kommt.

Wir müssen feststellen: Diese Sorgen waren berechtigt. Wir stehen nun hier und haben einen Gesetzentwurf in Begutachtung; und auch wenn mein Vorredner versucht hat, das etwas zu verharmlosen, sprechen wir über einen Gesetzentwurf, der eine Impfpflicht, eine allgemeine Impfpflicht ab 14 Jahren für alle österreichischen Staatsbürger und Per­sonen, die sich in Österreich aufhalten, vorsehen wird. Und auch wenn im Gesetz die eine oder andere Einschränkung drinnen steht: Es steht gleichzeitig auch eine ent­sprechende Verordnungsermächtigung an den Bundesminister drinnen, der diese Ein­schränkungen auch wieder aufheben kann.

Ich denke, ganz abseits von der Frage, wie gut oder weniger gut die aktuellen Thera­peutika gegen Covid-19, inklusive der Impfstoffe, schützen, ist die viel entscheidendere Frage: Ist ein derartig massiver Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte unserer Bürger zu rechtfertigen, ist er verhältnismäßig, und können wir ihn ethisch überhaupt vertreten? Diese Fragen wurden auch im Rahmen des Impffreiheit-Volksbegehrens gestellt, und die diskutieren wir auch im Gesundheitsausschuss schon seit geraumer Zeit.

Ich möchte diese Fragen auch ein bisschen in Relation dazu setzen, wie wir sie in der Vergangenheit beantwortet haben. Von Kollegen Schallmeiner wurde das Beispiel der Impfpflicht gegen die Pocken gebracht, der einzigen gesetzlichen Impfpflicht, die wir in Österreich in der jüngeren Vergangenheit hatten. Da muss man sich einmal anschauen: Was war die Pockenerkrankung? – Die Pocken waren eine wirklich tödliche Erkrankung, an der 20 bis 30 Prozent der Infizierten verstorben sind, und sehr, sehr viele derjenigen, die die Infektion überlebt haben, waren lebenslang schwerst gezeichnet. Dann hat man festgestellt, dass man durch das Impfen mit einer tierischen Variante dieser Erkrankung eine sterile Immunität erreichen konnte, und man konnte diese Erkrankung tatsächlich ausrotten. Das sind schon wirklich dramatische Zeiten gewesen, das war eine wirklich sehr schlimme Erkrankung, und eine extrem effektive Impfung hat tatsächlich zur Aus­rottung der Pocken geführt.

Wie sieht es zum Beispiel mit Masern, einer Erkrankung, die viele von uns Gott sei Dank nur mehr aus Geschichten kennen, aus? Wir haben in Österreich aktuell eine Durch­impfungsrate von 90 Prozent. Masern stellen bitte eine sehr, sehr schwere und hoch­infektiöse Erkrankung dar. Masern sind um ein Vielfaches ansteckender, als das eine Grippe oder ein Coronavirus ist, auch um ein Vielfaches ansteckender, als das die neue Omikronvariante sein wird, und haben eine Hospitalisierungsrate von circa 60 Prozent.

Wir haben seit vielen Jahren einen Impfstoff gegen Masern – geprüft, zugelassen, sicher. Haben wir eine gesetzliche Impfpflicht gemacht, um in Österreich die notwendige 95-prozentige Durchimpfungsrate zu erreichen, um diese bösartige Erkrankung tat­sächlich auszurotten, Herr Bundesminister? – Nein, das haben wir nicht gemacht, weil das, um diese Frage vielleicht zu beantworten, unverhältnismäßig wäre. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir haben es nicht gemacht.

Ich möchte ein drittes Beispiel bringen: die saisonale Grippe, die Influenza. Diese Erkran­kung befällt jedes Jahr zwischen 5 und 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung – jedes Jahr. Es sterben in Österreich jedes Jahr im Durchschnitt über 1 000, in manchen Jahren weit über 2 000 Menschen an der Influenza. Wir haben da seit Jahrzehnten eine zugelassene Impfung, die sogar jedes Jahr den aktuellen Stämmen angepasst wird. Wir wissen, dass die Schutzwirkung nur in der Größenordnung von vielleicht 30, 40 Prozent liegt, aber trotzdem: mehr als 1 000, in manchen Jahren 2 000, 2 500 Tote. Haben wir eine gesetzliche Impfpflicht für Influenza, die uns genauso alle Jahre wieder die Spitäler


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