17.03

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ja, es ist eine einstimmige Materie betreffend die Atom­kraft, für das Auftreten gegen Atomenergie hier in Österreich – wir sind ja gerne der Motor in diesem Bereich. Es war ein Anstoß von uns, dass wir diesen Antrag im Um­weltausschuss eingebracht haben. Ich freue mich immer, wenn andere Parteien auf­springen und mit uns diesen Weg gehen. Das ist sehr lobenswert, denn diese einhellige Meinung verbindet uns ja in dem Bereich.

Den Worten aber, Frau Bundesminister, müssen auch Taten folgen! Diese Taten sind entscheidend dafür, dass es dementsprechend auch zu einer Lösung kommt. Wir haben ja gestern schon in der Aktuellen Stunde über dieses Thema debattiert, und ich bringe diesbezüglich jetzt einen Antrag ein, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Not­wehrmaßnahmen gegen EU-Atomstrom-Verordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mittels Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 AEUV die Einstufung der Kernenergie als nachhaltige und umweltfreundliche Energiequelle zu verhindern und gem. Art. 278 iVm Art. 279 AEUV die Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Handlung zu beantragen. Über den Verlauf des Verfahrens und der dafür notwendigen Vorbereitungshandlungen soll dem Nationalrat quartalsmäßig Bericht er­stattet werden.“

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Das heißt im Endeffekt, Frau Bundesminister, wir brauchen in diesem Sinne einen Be­richt, wie die Europäische Kommission mit dieser Form der Energie, der Atomenergie, umgeht, und auch, wie wir dementsprechend handeln. Wenn Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Stellungnahme abgibt und sagt, wir brauchen für den Übergang Nuklearenergie, weil wir eine Stabilität hinsichtlich Energiequellen brauchen, dann frage ich mich, Frau Bundesminister: Wie werden Sie diesbezüglich handeln, und auch, wie werden Sie in der EU-Kommission auftreten? Wir fordern Sie explizit auf, einen Rechts­akt zu unterfertigen, dass wir da dementsprechend vorgehen und diese Energieform ab­lehnen.

Ein Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Wir haben Ihnen ja auch im EU-Haupt­ausschuss schon die Chance gegeben, Maßnahmen zu setzen und eine einheitliche Linie zu verfolgen. Beide Regierungsparteien haben unseren Antrag abgelehnt; wir haben der Bundesregierung explizit einen Auftrag gegeben, sich gegen diese Form der Energiegewinnung zu wenden – deswegen dieser Antrag. Ich bitte alle Parteien, zu­zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringende Notwehrmaßnahmen gegen EU-Atomstrom-Verordnung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 30, Bericht des Um­weltausschusses über den Antrag 2084/A(E) der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend vehementes Eintreten gegen Mini-AKWs (SMRs) und Generation IV Nukleartechnologien auf EU-Ebene und über den An­trag 1577/A(E) der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auftreten gegen Mini-Atomkraftwerke als Klimaschutzmaßnahme (1266 d.B.), in der 137. Sit­zung des Nationalrates, XXVII. GP, am 16. Dezember 2021

Die Zukunft der EU soll klimafreundlich und nachhaltig sein. Bis 2030 will man die Treib­hausgas-Emissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber den Werten von 1990 senken. 2050 soll der Staatenverbund dann klimaneutral sein. Der "Green Deal", das Leuchtturmprojekt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, soll die EU dorthin führen. Windkraft, Solaranlagen und Wasserkraft sollen ausgebaut werden, um die 450 Millionen Menschen in der Union mit grünem Strom zu versorgen.

Nach der politischen Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union über die Taxonomie-Verordnung – einem umfassenden Klassifizie­rungssystem, um sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu transformieren und grüne Investments anzustoßen – leitete die Kommission im Jahr 2020 eingehende Arbeiten ein, um zu prüfen, ob die Kernenergie in die Kategorie der ökologisch nachhaltigen Tätigkeiten aufgenommen werden soll.1 In einem ersten Schritt hat die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC), der kommissionsinterne Wissen­schafts- und Wissensdienst, einen technischen Bericht über die "Do no significant harm"-Aspekte2 der Kernenergie verfasst. Dieser Bericht wurde in Folge von zwei Sachverstän­digengruppen geprüft, der Sachverständigengruppe für Strahlenschutz und Abfallentsor­gung gemäß Artikel 31 des Euratom-Vertrags3 sowie dem Wissenschaftlichen Aus­schuss "Gesundheit, Umwelt und neu auftretende Risiken"4 für Umweltauswirkungen. Alle drei Beiträge werden in die Entscheidungsfindung der Kommission einfließen, schließen jedoch Kernenergie nicht kategorisch aus.

Bis Ende des Jahres 2021 will die EU-Kommission nunmehr in einem delegierten Rechtsakt, der sogenannten Taxonomie,5 definieren, ob Atomkraft als nachhaltige und umweltfreundliche Energiequelle zu gelten hat. Der Akt soll in Folge am 1. Jänner 2023 offiziell in Kraft treten. Kommissionspräsidentin von der Leyen, die sich sonst gerne als grüne Politikerin inszeniert, lässt bereits aufhorchen: „Wir brauchen für den Übergang auch Nuklearenergie und Gas als stabile Energiequelle“6.

Aus einem Gutachten7 der Kanzlei „Redeker Sellner Dahs“ zu den rechtlichen Aspekten des Vorgehens der Europäischen Kommission und einer allfälligen Einstufung der Kern­energie als nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung, geht jedoch klar hervor, dass die Kernenergie auch aus rechtlicher Sicht nicht den Anforderungen der Taxono­mie-Verordnung entspricht. Konkret führt das Gutachten folgende Kritikpunkte an:

•     In der Taxonomie-Verordnung ist Kernenergie in der Liste jener Tätigkeiten, die ei­nen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, gar nicht enthalten.

•     Kernenergie kann im Sinne der Taxonomie-Verordnung weder als „ökologisch nach­haltige Wirtschaftstätigkeit“ noch als „Übergangstätigkeit“ angesehen werden. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde der ursprünglich neben Erneuerbaren Energien angeführte Punkt „klimaneutrale Energie (inklusive CO-neutrale Energie) ersatzlos gestrichen.

•     Mangelnde Widerstandsfähigkeit der Kernenergie gegenüber Auswirkungen des Kli­mawandels.

•     Massive Umweltrisiken der Atomkraft, die den Nachhaltigkeitskriterien der Taxono­mie-Verordnung entgegenstehen, sowohl durch den Uranabbau, als auch während des Betriebs durch die Gefahr schwerer Unfälle und auch in der Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll.

•     Jeder Rechtsakt, der auf der Grundlage der Taxonomie-Verordnung erlassen wird und die Kernenergie irgendwie in die europäische Taxonomie einbezieht, wäre vor den EU-Gerichten anfechtbar.

Es stimmt: Atomstrom verursacht keine unmittelbaren Emissionen. Es gibt aber zahlrei­che Argumente, die gegen die Kernenergie sprechen: Die Errichtung von Kernkraftwer­ken ist enorm kostenintensiv, ohne staatliche Subventionen sind sie nicht rentabel. Kern­energie ist zudem im Vergleich zu erneuerbaren Energiequellen teuer, der Bau neuer Kraftwerke dauert Jahre. Experten halten Atomkraft deshalb für nicht wirtschaftlich. Die Frage, wo strahlender Atommüll gelagert werden soll, bleibt nach wie vor ungeklärt.

Die Weichen für große Finanzströme Richtung Atomenergie zu stellen, ist daher nicht nur vor dem Hintergrund der immanenten Gefahr eines Reaktorunglücks unverantwort­lich gegenüber nachkommenden Generationen. Mehr Klimaschutz, darf nicht mehr Atomstrom bedeuten. Ein „grünes Mascherl“ für Atomenergie ist entschieden abzuleh­nen. Die österreichische Bevölkerung hat die Stromgewinnung mittels Kernkraftwerken zudem schon vor Jahrzehnten entschieden abgelehnt. Seit der Katastrophe von Tscher­nobyl 1986 ist die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher und auch parteipolitisch einhelliger Konsens. Einen Antrag auf Stellungnahme zur Festigung dieser Anti-Atom-Haltung, in dem gefordert wurde, dass Österreich dem nationalen Anti-Atom-Konsens treu bleibt und EU-Standards, die Atomenergie als nachhaltig einstufen, konsequent ablehnt, wur­den im EU-Hauptausschuss des Nationalrats dennoch nur von den Oppositionsfrak­tionen SPÖ, FPÖ und NEOS unterstützt. Er blieb in der Minderheit, da ihn die Regie­rungsparteien ÖVP und Grüne ablehnten.8

Gegen technische Regulierungsstandards bzw. technische Durchführungsstandards, die Rechtsakte auf zweiter Ebene sind, wohingegen EU-Verordnungen und EU-Richt­linien Rechtsakte auf Ebene 1 darstellen, können zuständige Behörden mit der Nichtig­keitsklage gemäß Art. 263 AEUV vorgehen. Die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen sind binnen zwei Monaten zu erheben, weshalb es gilt sich entsprechend vorzubereiten. Zudem besteht die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach Art. 278 und 279 AEUV.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mittels Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 AEUV die Einstufung der Kernenergie als nachhaltige und umweltfreundliche Energiequelle zu verhindern und gem. Art. 278 iVm Art. 279 AEUV die Aussetzung der Durchführung der angefochtenen Handlung zu beantragen. Über den Verlauf des Verfahrens und der dafür notwendigen Vorbereitungshandlungen soll dem Nationalrat quartalsmäßig Bericht er­stattet werden.“

1     https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/sustainable-finance/eu-taxonomy-sustainable-activities_de

2     https://ec.europa.eu/info/file/210329-jrc-report-nuclear-energy-assessment_de

3     https://ec.europa.eu/energy/topics/nuclear-energy/radiation-protection/scientific-seminars-and-publications/group-experts_en

4     https://ec.europa.eu/health/scientific_committees/scheer_en

5     https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/LSU/?uri=CELEX:32020R0852

6     https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/2129430-Strahlend-gruene-Zukunft.html

7     https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:3da651b9-0085-4aaa-bb2f-a5308956efba/Redeker-Sellner-Dahs_Zsf-Kernenergie-Taxonomie-Verordnung.pdf

8     www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK1451/

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte.