Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll143. Sitzung, 24. Februar 2022 / Seite 42

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Darüber hinaus gibt es eine Diskussion, die in Krisenzeiten leider auch immer zu einem Faktor geworden ist: Krieg bedeutet immer auch Vertreibung. Das Innenministerium hat Vorsorge getroffen, sollte tatsächlich eine Fluchtbewegung aus der Ukraine auf Öster­reich treffen. Es wurde einerseits dafür Vorsorge getroffen, andererseits vor allem aber auch dafür, dass Länder wie Polen, die Slowakei und Ungarn als angrenzende Nach­barstaaten auch von österreichischer Seite umfassend und solidarisch bei der Erstver­sorgung unterstützt werden.

Ich habe gesehen, dass sich aus meiner Aussage heraus gleich Schlagzeilen formieren, um vielleicht auch da ein Stück weit wieder Diskussionen anzuheizen: Nehammer ist für Aufnahme von Flüchtlingen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ukraine ist ein europäisches Land. Die Ukraine ist, würde ich den Zirkel in Wien einstechen und einen 500-Kilometer-Radius ziehen, von ihren Grenzen her näher als Vorarlberg. Und wenn die österreichische Geschichte eines bewiesen hat – beginnend bei der Ungarn­krise in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts über die Krise in der Tschechoslo­wakei in den Sechzigerjahren bis zum dramatischen Zerfall des ehemaligen Jugosla­wiens in den Neunzigerjahren –, dann ist es das, was immer Linie österreichischer Politik war: dass Nachbarschaftshilfe Selbstverständlichkeit ist und Menschlichkeit da in den Vordergrund zu treten hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Ich habe heute alle im Parlament vertretenen Fraktionen, alle Landeshauptleute und den Bundespräsidenten über das Geschehen informiert. Dabei hat mir Klubobmann Kickl, als ich ihn angerufen und erreicht habe, eine ganz wichtige Frage gestellt. Er hat mich gefragt: Woher beziehen Sie Ihre Informationen? Und da konnte ich ihm, und das ist ein gutes Gefühl als Bundeskanzler dieser Republik, die Antwort geben: Einerseits aus den Informatio­nen, die uns der EU-Rat und die Europäische Kommission zur Verfügungstellen, vor allem aber lassen wir diese Informationen auch durch das Heeresnachrichtenamt, durch das Bundesministerium für Landesverteidigung überprüfen und gegenchecken.

Es ist von zentraler Bedeutung und es wird sichtbarer denn je, dass das Kapitel militä­rische Landesverteidigung – ob in der Pandemie oder jetzt in der Phase eines Krieges in Europa – eine zentrale Rolle für die Sicherheitsarchitektur der Republik Österreich spielen muss und spielen soll. Dafür meine höchste Anerkennung, Frau Verteidigungs­ministerin, auch gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in allen Lage­briefings präzise am Punkt waren, in der Lageeinschätzung nie übertrieben haben. Damit verhelfen sie uns in der Bundesregierung dazu, ein klares Bild von der Situation vor Ort zu haben, Entscheidungsgrundlagen zu schaffen und dass wir uns auf dem Fundament dieser Entscheidungsgrundlagen, auch solidarisch mit der europäischen Politik und der Europäischen Union, tatsächlich auf das Operative einlassen können.

Bei all dem, was ich sage, kommt immer das Wort Sanktionen zum Vorschein. Was bedeutet das? – Sanktionen sind ein wichtiges Instrumentarium, damit sie wirksam aber sind, müssen sie weitgehend sein. Das heißt auch für Österreich, dass es für die Wirt­schaftsbetriebe, die jetzt gerade in der Russischen Föderation oder in der Ukraine inves­tieren und dort Betriebe führen, nicht leicht sein wird, diese Sanktionen auch mitzutra­gen. Dessen sind wir uns bewusst.

Die Wirtschaftsministerin ist sich auch dessen bewusst, dass sie in Kombination mit der Energieministerin Vorsorge treffen muss, dass Wirtschaften in Österreich weiter möglich bleibt. Das Wichtige ist, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen den Ländern, die von diesen Sanktionen besonders betroffen sein werden – dazu zählen Österreich, die Slowakei, Tschechien, Polen, die Bundesrepublik Deutschland –,vonseiten der Kommis­sion mit entsprechenden Kompensationshilfen begegnen wird, um dem Rechnung zu tragen, was europäische Solidarität auch in Fragen der Sanktionen bedeutet. Die Ver­handlungen dazu laufen, und es ist für mich ein sehr positives Zeichen vonseiten der


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