Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll143. Sitzung, 24. Februar 2022 / Seite 52

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Idealfall lauter als das Schreien nach Sanktionen – aber darauf werde ich noch zurück­kommen.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen stellt sich na­türlich die Frage – die wir hier und heute nicht im vollständigen Umfang beantworten können –, welche Faktoren, welche Zusammenhänge, welches Spiel von Ursache und Wirkung, welche Zusammenhänge von Wirkung und Wechselwirkung et cetera denn dazu geführt haben, dass es dann am Ende so weit gekommen ist, wie wir es heute alle erleben müssen und wie es uns in gewisser Weise auch fassungslos macht.

Wir werden diese Frage hier und heute nicht vollständig beantworten können, eines aber ist auch klar, Kollege Lopatka – und da geht es dann um die Frage, die Sie in den Raum gestellt haben, und da frage ich Sie, ob dann auch immer der Mut vorhanden ist, die Dinge klar beim Namen zu nennen –: Ich denke jedenfalls – und Sie sind ein Kenner der außenpolitischen Situation, auch im Osten Europas –, dass es in den vergangenen Jah­ren und Jahrzehnten aufseiten beider Hauptbeteiligter – der Russen auf der einen Seite und der Amerikaner/der Nato sowie in ihrem Windschatten der Europäischen Union auf der anderen Seite – zu fehlerhaftem Vorgehen, zu schuldhaftem Vorgehen, zu provoka­tivem Vorgehen gekommen ist. Das Interessante bei Ihren Ausführungen hier und heu­te – bei Ihren (in Richtung Abg. Lopatka) und bei den Ausführungen der Regierungsver­treter – ist, dass ich von einer Seite gar nichts gehört habe und alle Ursachenforschung sich nur auf die andere konzentriert hat. Das ist nicht mutig, Herr Kollege Lopatka, und das ist auch nicht neutral. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich sehe es äußerst kritisch, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Kon­flikt, der, man kann sagen, seit Jahren, in Wahrheit aber ja schon seit Jahrzehnten, be­ginnend 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion, schwelt, dass jetzt, wenn sich dieser Konflikt in gewisser Weise militärisch entzündet und eine geopolitische Explosion statt­findet, die österreichische Bundesregierung eine Strategie der absoluten Eindimensiona­lität, Parteilichkeit und Einseitigkeit an den Tag legt.

Ich hätte vielleicht noch ein gewisses Verständnis dafür, wenn die Ereignisse so, wie sie jetzt in den letzten Stunden in der Ukraine stattgefunden haben, über Nacht gekommen wären. Dann könnte ich diese Vorgangsweise noch verstehen, weil man dann die Hinter­gründe nicht kennt, die Reaktion aber wäre trotzdem falsch. In Kenntnis all dessen aber, was sich da in einem Wechselspiel – ich habe es schon angedeutet – in Wahrheit in Jahrzehnten gegenseitig aufgeschaukelt hat, immer mit zwei maßgeblich beteiligten Par­teien, in Kenntnis dieser Situation eine derartige Eindimensionalität an den Tag zu legen, wie Sie das tun, halte ich für unverantwortlich.

Herr Vizekanzler – Sie werden es dem Bundeskanzler dann ausrichten –, ich spreche Sie direkt an, weil Sie bei Amtsantritt einen Eid auf die österreichische Bundesverfas­sung geleistet haben, so wie wir als Abgeordnete dieses Hauses ein Gelöbnis auf die Einhaltung der Verfassung abgelegt haben. Es kann Ihnen gefallen oder nicht: In dieser Verfassung ist die immerwährende Neutralität Österreichs ein Dreh- und Angelpunkt und ein ganz zentrales Element und nicht etwas, was man als lästige Randbemerkung jetzt irgendwo zur Seite stellen könnte.

Ich denke, dass diese Verfassungstreue im Sinn eines rot-weiß-roten Patriotismus – was überhaupt nichts mit Feigheit zu tun hat, sondern mit einer gelebten Neutralität, die ja nichts anderes bedeutet, als einen dritten Weg aufzuzeigen, wenn zwei sich ineinander verrannt haben – keine Position der Feigheit ist, sondern dass das die Haltung sein sollte, die Österreich in einem solchen Konflikt an den Tag legt. Das ist Haltung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben, ob Sie es verdrängt haben, deswegen sage ich es Ihnen noch einmal – ich lese es Ihnen einfach vor, ich darf zitieren –: „Zum Zwecke


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