Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll143. Sitzung, 24. Februar 2022 / Seite 62

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Viele fragen sich: Verliere ich womöglich meinen Job, wenn Sanktionen verhängt wer­den, weil das Unternehmen nach Russland exportiert? Wird die Gasversorgung unter­brochen? Wird auch die Industrie beschädigt? Sind unsere Wirtschaftsbetriebe ausrei­chend geschützt? Die Regierung soll aufklären, was der Konflikt für die Bevölkerung in unserem Land bedeutet. Die Regierung soll erklären, was sie bis dato geleistet hat, um weitere Eskalationen zu verhindern. – Es war die SPÖ, die Ende Jänner den Nationalen Sicherheitsrat einfordern musste.

Herr Bundeskanzler, etablieren Sie als Regierungschef endlich ein multifunktionales, ein gesamtstaatliches Krisen- und Lagezentrum, und zwar im Bundeskanzleramt und nicht in irgendeinem Bunker im Innenministerium!

Meine Damen und Herren, es lebe die demokratische Republik Österreich und ihre im­merwährende Neutralität! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


12.19.10

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Teilweise ist mir die Diskussion zu abstrakt, wenn hier über Neutralität und Solidarität mit einem Land gesprochen wird – wir reden von Men­schen. Während wir hier stehen, sitzen Kinder in Kellern, wird mit Artillerie auf sie ge­schossen; andere Menschen sind auf der Flucht, Helikopter fliegen über sie hinweg und schießen auf sie. Davon reden wir! Und wer Neutralität so versteht, dass man keine Position bezieht betreffend Kinder, auf die geschossen wird, und jene, die auf sie schie­ßen, der ist nicht neutral, der ist feig. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeord­neten der NEOS.)

Das ist keine Neutralität. Wir sind militärisch neutral, aber zwischen Kindern und Schüt­zen beziehen wir Position! Wir werden humanitäre Hilfe leisten, so schnell wie möglich, so konkret wie möglich – danke der Bundesregierung, dass das schon klargestellt ist –, und das muss sofort passieren, das muss in diesen Stunden losgehen.

Wir müssen aber auch grundsätzlich darüber reden. In dieser Nacht, um 6 Uhr morgens, ist die Sicherheitsordnung Europas gekippt. Das ist nicht mit Verhandlungen und viel­leicht einem Waffenstillstand in ein paar Tagen wieder weg. 77 Jahre lang hat hier kein Land versucht, ein anderes zu erobern, hat es keine große Offensive gegeben. Es hat Bürgerkriege und Streit gegeben, es hat Auseinandersetzungen gegeben, wenn Länder zerbrochen sind, aber einen Invasionskrieg und einen Eroberungskrieg hat es 77 Jahre lang nicht gegeben. Wir leben jetzt in einem Europa, wo es das wieder gibt – und das verschwindet nicht mit einem Waffenstillstand.

Diese Sicherheitsordnung werden wir in den nächsten Jahren neu diskutieren müssen, und wir müssen auch auf unsere Sicherheit achten. Wir müssen lernen, dass es dort, wo autoritäre Autokraten, Diktatoren versuchen, ihre Macht auszubreiten, kein politisches Vakuum gibt. Wenn wir uns da zurückhalten, wenn wir da politisch neutral sind, dann gehen die in dieses Vakuum hinein. Demokratie muss nicht nur wehrhaft sein, Demo­kratie muss auch offensiv sein. Wir müssen Demokratie verbreiten, wir müssen den Rechtsstaat verbreiten, wir müssen den Frieden verbreiten, wir müssen als Demokratien darum kämpfen, dass sich unser Gesellschaftssystem, unser Wertesystem ausbreitet. Da gibt es in diesem Sinne auch keine Neutralität.

Das gilt – um auch das zu sagen – zum Beispiel auch für China. Da schaut Europa viel zu sehr weg, wenn Tibet, die Uiguren, Hongkong unterdrückt werden. Da brauchen wir dann auch nicht in drei, vier Jahren vielleicht einmal aufzuwachen und zu sagen, dass


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