Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Guten Morgen! Herr Bundeskanzler, Sie haben, als die Probleme mit dem Gas offenkundig geworden sind, versucht, sozusagen wiederum in Fortsetzung der türkisen Showtradition zu reagieren: Sie haben mit einem sehr pompösen Ausflug in die Vereinigten Arabischen Emirate den Eindruck erzeugen wollen, es passiere gleich irgendetwas. Es waren mehrere MinisterInnen mit, es ist ein unglaublicher Aufwand gewesen, nur: Passiert ist nichts. Was hat dieser Ausflug ge­bracht?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 204/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie viel Gas aus alternativen Quellen ist aufgrund des pompösen Besuchs in den Ver­einigten Arabischen Emiraten in Österreich bisher angekommen?“

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Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Da muss man differenzieren: Es war eine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate und eine zweite nach Katar. Das ist deshalb auseinanderzuhalten, weil Sie Gas nicht in Abu Dhabi, in den Vereinigten Arabischen Emiraten kriegen, sondern in Katar.

Abu Dhabi war deshalb wichtig, weil Abu Dhabi auch ein wichtiger Anteilseigner der OMV ist, unseres größten Mineralölkonzerns, und es Aufgabe und Verpflichtung von Bundes­regierungen ist, da Türöffner zu sein und Bestrebungen des in Österreich mit Sicherheit für die Energiefrage wichtigsten kritischen Infrastrukturunternehmens im Bereich Öl und Gas bestmöglich zu unterstützen.

Ich war nicht nur mit Ministern dort, sondern ich war vor allem auch mit dem General­direktor der OMV dort. (Abg. Krainer: Mit Fotografen, oder was?) Das ist deshalb wich­tig, weil es darum ging, mit Adnoc – das ist ein Anteilseigner aus Abu Dhabi, dessen Entscheidungen unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen auf die OMV haben – Ge­spräche zu führen, die Lage zu sondieren und zu signalisieren, dass Österreich mit sei­nem über die Öbag verwalteten 31,5-Prozent-Anteil bereit ist, alles zu unternehmen, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens an sich, auch als Verhandlungspartner, zu stär­ken. Sie werden das noch aus der Zeit, als Sie Regierungsverantwortung getragen ha­ben, wissen, dass gerade der arabische Raum auf diese Form des Protokolls viel Wert legt.

Die Reise nach Katar war – auch von mir begleitet – tatsächlich eine operative für die OMV, denn dieses Gas kauft nicht die Republik Österreich, sondern die OMV. Da geht es um Flüssiggas, es geht um Möglichkeiten, dass die OMV ihre Kontingente aufstocken kann. Sie müssten diese Frage, wie viel mehr Gas tatsächlich als Folge der Ankündi­gungen in den Gesprächen möglich geworden ist, dann direkt an das Unternehmen stellen. Auch da war es wichtig, dass wir als Bundesregierung beim Emir von Katar, der da natürlich einen gewaltigen Einfluss hat, Türöffner für die Geschäftsführung der OMV waren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Also kurz zusammengefasst: Es war für nichts.

Meine Zusatzfrage ist folgende: Wenn man die Gaslieferungen nach Österreich an­schaut und gleichzeitig die Ziele der Bundesregierung damit vergleicht, kommt man zu einer beängstigenden Beobachtung. Frau Bundesministerin Gewessler hat angekündigt, dass es gelingen wird, die Speicher bis zu 80 Prozent zu füllen, weil das notwendig ist. Wenn sie nicht gefüllt werden, werden wir im Winter riesige Probleme bekommen, ins­besondere im Bereich der Industrie, aber auch in anderen Bereichen. Jetzt ist es aber so, dass wir derzeit Lieferungen in der Höhe von circa 200 Gigawattstunden erhalten. Mit diesen 200 Gigawattstunden geht sich das mit den 80 Prozent nie und nimmer aus, man bräuchte ungefähr 350 Gigawattstunden.

Ich weiß, Sie beobachten das – das ist gut, wenn es beobachtet wird –, aber man müsste schon ein bisschen mehr tun als beobachten. Angeblich gibt es – wenn Sie mich darüber informieren, würde es mich freuen – in Norwegen Gas von der OMV, das aber nicht nach Österreich kommt, sondern woandershin exportiert wird. Wäre das eine Möglichkeit, oder was fällt Ihnen sonst noch dazu ein?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Auch bei dieser Frage, Herr Abgeordneter, danke ich Ihnen besonders für die Wertschätzung und die Formulierung, weil das zeigt, wie ernst Sie die dramatische Situation in der Energieversorgung nehmen. (Abg. Leicht­fried: So ist es!)

Der Handlungsspielraum der Bundesregierung gliedert sich mehrfach auf. Das eine ist, Türöffner und Brückenbauer für Unternehmen zu sein, die die Unterstützung der Politik brauchen, wie durch die eben beschriebenen Reisen. Das andere ist, dass wir tat­sächlich auch als Republik Österreich Gas einspeichern. Dabei handelt es sich um ein Volumen von 20 Terawattstunden Gas. Damit Sie einen Anhaltspunkt haben: 10 Tera­wattstunden werden in Österreich in einem energieintensiven Monat wie dem Jänner verbraucht, 4,6 Terawattstunden in einem energiearmen Monat. Das heißt, da wird von der Republik, von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, selbst Gas gekauft. Das ist das von Ihnen erwähnte Einspeichern in die Speicher. Darüber hinaus speichern die Unternehmen ein. Die OMV zum Beispiel, die ja viele Kunden in Österreich versorgt, hat einen Füllstand ihrer Speicher von bereits 72 Prozent erreicht, und der steigt weiter.

Die von Ihnen erwähnte Liefermenge ist derzeit durch die Reduktion der Gasdurchfluss­mengen von Ost nach West eine schwankende, sie bewegt sich mittlerweile zwischen 200, 250 und 280. Das heißt, es gibt hier weiterhin eine Füllung der Speicher plus den Aufbau der von Österreich angestrebten strategischen Reserve.

Sie waren damals als Koalitionspartner von uns, der Volkspartei, in die Liberalisierung und Privatisierung des Energiemarktes voll involviert. Jetzt gerade bieten wir als Repu­blik beim Kauf von Gaskapazitäten – das kann das von Ihnen beschriebene norwegische Gas sein – genauso mit wie auch bei Pipelinekapazitäten, damit wir dieses Gas auch nach Österreich bekommen. Ich weiß, das ist ein komplexer Vorgang, aber es ist wichtig, zu beschreiben, wie viele Aktivitäten gesetzt werden. (Abg. Krainer: Zeit! Herr Präsident, Sie haben eine Glocke!)

Darüber hinaus haben wir auch hier im Hohen Haus das Use-it-or-lose-it-Prinzip be­schlossen. Das heißt, die Gazprom hat einen großen Speicher in Haidach, der derzeit nicht befüllt wird. Wir werden dafür sorgen, dass er befüllt wird, und das ist auch gerade in Umsetzung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Werner. – Bitte.

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Im Zusammenhang mit den Energieimporten wird immer wieder Nordafrika genannt, wo es aufgrund der konstant hohen Sonneneinstrahlung extrem große Potenziale für Sonnenenergie gibt. Welche Initiativen oder Ideen für Initiativen oder Partnerschaften wurden da auf Ebene des Eu­ropäisches Rates diskutiert und mit welchem Ergebnis?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es hat einen sehr aufwendigen und intensiven Gipfel der EU-Regierungschefs mit der Afrikanischen Union gegeben. Afrika ist tatsäch­lich in der Frage der Energieproduktion ein Zukunftskontinent. Da geht es vor allem um den sogenannten grünen Wasserstoff, den Sie, glaube ich, auch ansprechen. Da gibt es jetzt auf technischer Ebene viele Gespräche, die von der Kommission mit Ländern geführt werden, die Potenziale haben, diese Produktion vorzunehmen, und natürlich auch eine umfassende Planung der Energieunternehmen, wie man den produzierten Wasserstoff dann nach Europa bringen kann.

Das ergänzt sich zum Teil auch mit afrikanischem Gas. Warum? – Alle Pipelineinves­titionen, die jetzt gemacht werden und zum Teil auch schon gemacht worden sind, wer­den in Zukunft dazu führen, dass wir Wasserstoff auch einspeichern und transportieren können. Das ist ein gemeinsames Projekt. Österreich unterstützt da die Kommission. Ich selbst als Bundeskanzler versuche immer wieder, mit afrikanischen Staaten, erst un­längst auch wieder mit Marokko, in der Frage, welche Möglichkeiten es auch in Nord­afrika gibt, in Kontakt zu treten, um Produktionsmöglichkeiten auszuloten. Dabei geht es um beides: herkömmliches Gas genauso wie die Möglichkeit zur Produktion von grünem Wasserstoff.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Bösch. – Bitte.