Stellungnahme zu 1662 d.B. (274585/SN)

Stellungnahme

Stellungnahme betreffend die Regierungsvorlage (1662 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II)

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Inhalt

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich erlaube mir, Ihnen eine kurze fachliche Rückmeldung zu der im Ministerrat kürzlich beschlossenen Regierungsvorlage betreffend ein „Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II)“ zu übermitteln.

Ich bin angesichts des geplanten Artikel 2 (Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes) der Regierungsvorlage fassungslos. Die politisch noch im Sommer ohne weitere Einschränkungen via Medien angekündigte Senkung des Dienstgeberbeitrags nach dem FLAG (DB) ab 2023 von 3,9 % auf 3,7 % soll nunmehr gemäß § 41 Abs. 5 FLAG auf 2025 verschoben werden. Für die Jahre 2023 und 2024 soll die Senkung auf 3,7 % nur unter Einhaltung beinahe schildbürgermäßiger Bürokratiehürden gelten, nämlich laut dem in der Regierungsvorlage vorgesehenen § 41 Abs. 5a FLAG nur dann, wenn diese Senkung in einer der aufgezählten lohngestaltenden Vorschriften (gesetzlichen Vorschrift, in einer der näher genannten Dienst- oder Arbeitsordnung, in einem Kollektivvertrag, in einer KV-ermächtigten Betriebsvereinbarung oder innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Arbeitnehmergruppen) festgelegt ist.

Abgesehen davon, dass es m.E. politisch etwas fragwürdig erscheint, eine gegenüber der Öffentlichkeit bereits im Sommer breit kommunizierte Gesetzesänderung nun plötzlich still und leise mittels bürokratischer Hürden einzuschränken, werden von den verantwortlichen politischen Akteuren (Ministerrat) und den beteiligten Mitarbeitern des zuständigen Bundesministeriums offenbar die zahlreichen Komplikationen völlig unterschätzt, die die geplante Regelung mit sich bringen würde.

Ohne näher ins Detail zu gehen, seien nachfolgend nur auszugsweise einige Aspekte in Kurzform festgehalten:

- Die genannten lohngestaltenden Vorschriften (insbesondere der Kollektivvertrag, siehe dazu § 2 Abs. 2 ArbVG) sind dazu berufen, arbeitsrechtliche Themen zu regeln, nicht Beitragssätze für Sozialabgaben oder Steuern! Die geplante Regelung ist insoweit absolut systemwidrig und m.E. ein Tabubruch, durch den die Büchse der Pandora geöffnet werden könnte: Was können wir uns künftig von der Politik erwarten? Sollen die KV-Partner künftig ggf. auch damit betraut werden, den Lohnsteuertarif branchenweise zu gestalten oder neue Steuerbefreiungen einzuführen?

Das Abstellen u.a. auf den Kollektivvertrag bringt - abgesehen von der erwähnten Systemwidrigkeit - vorhersehbare massive Auslegungsprobleme mit sich:
- Was soll in Betrieben mit mehreren organisatorisch getrennten Abteilungen (vgl. § 9 ArbVG) und dementsprechend mehreren Kollektivverträgen gelten? Kann man ernsthaft wollen, dass innerhalb desselben Betriebe künftig je nach KV-Zugehörigkeit von Abteilungen unterschiedliche DB-Sätze gelten sollen?
- Was gilt für vom Kollektivvertrag nicht erfasste Personen (z.B. sind in manchen Branchen angestellte Geschäftsführer, leitende Angestellte, Praktikanten vom persönlichen Geltungsbereich ausgenommen)? Gelten für diese trotz eines Kollektivvertrags, der einen DB von 3,7 % vorsieht, für 2023 und 2024 nach wie vor 3,9 %?
- Kollektivvertragsabschlüsse erfolgen bekanntlich sehr oft rückwirkend (manchmal viele Monate). Dies bringt neue Fälle von Rollungserfordernissen für die Personalverrechnung mit sich, gleichzeitig wird die Transparenz sowohl für die Betriebe als auch für die kontrollierenden Behörden (Finanzamt bei der Entgegennahme der DB-Beträge und Lohnabgabenprüfer im Rahmen von Lohnabgabenprüfungen) weiter reduziert.

- Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sprechen davon, dass eine innerbetriebliche lohngestaltende Vorschrift – bei Fehlen überbetrieblicher lohngestaltender Vorschrift – die Lohnnebenkostensenkung für alle Arbeitnehmer (bzw. Arbeitnehmergruppen) formlos festlegen kann. Wie dies für die vollziehende Behörde (Finanzamt) kontrollierbar oder bei späteren Lohnabgabenprüfungen nachvollziehbar sein soll, bleibt dem Praktiker eher schleierhaft. Hier wird offenbar billigend in Kauf genommen, dass ein völlig unnötig ein neues Problem- und Streitfeld eröffnet wird.

- Besonders in Betrieben, die unter keinen Kollektivvertrag fallen oder in denen es (mangels Einigung der Sozialpartner) zu keiner kollektivvertraglichen DB-Senkungs-Regelung kommt, wird das Schaffen einer lohngestaltenden innerbetrieblichen Vorschrift oftmals übersehen werden. Ist Ihnen eigentlich bewusst, mit wievielen tausenden – teils schrägen – Regelungen die Betriebe im Bereich der Personalverrechnung mittlerweile konfrontiert sind? Wer keinen aktiven Steuerberater hat und auf diese neue Anforderung nicht aufmerksam gemacht wird, soll also im Ergebnis mit einem höheren DB-Satz „bestraft“ werden. Motto: selber schuld? Ist das wirklich so gewollt? Falls ja, finden Sie das ernsthaft fair, vor allem vor dem Hintergrund, dass dies tendenziell eher kleineren Betrieben passieren wird, die sich keine teure Steuerberatung leisten können?

- Für die Personalverrechnung wird – ohne jede Not – ein massiver Zusatzaufwand geschaffen, besonders für jene beim Steuerberater: Es ist bei jedem einzelnen Klienten, ggf. – siehe oben – sogar innerhalb der Betriebe, zu hinterlegen, ob es eine lohngestaltende Vorschrift gibt (= 3,7 % DB) oder nicht (= 3,9 % DB), und dies lediglich für die Jahre 2023 und 2024 (der Aufwand lohnt sich also nicht einmal auf Dauer, sondern lediglich für die beiden Übergangsjahre). Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen bewusst ist, wie sehr Sie mit solchen Bestimmungen wie der gegenständlich geplanten DB-Anknüpfung an lohngestaltende Vorschriften die im Regierungsprogramm enthaltene "Vereinfachung der Lohnverrechnung" ad absurdum führen.

- Des weiteren ist m.E. zu bedenken, dass das Vorhaben, die Bestimmung (im Sinne einer Senkungsoption) des Beitragssatzes einer gesellschaftspolitisch wichtigen Sozialabgabe wie dem Dienstgeberbeitrag nach FLAG arbeitsrechtlichen Vorschriften zu überlassen, verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen könnte (Legalitätsprinzip gemäß Art. 18 B-VG, Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 7 B-VG). Es erscheint m.E. beinahe fahrlässig, ein solches Risiko in Kauf zu nehmen, welches im Falle einer späteren VfGH-Aufhebung zu Rückabwicklungen ungeahnten Ausmaßes führen könnte. Fast scheint es, als ob wir in Österreich einfach nicht dazu lernen ...

Die Liste ließe sich noch um einige weitere Punkte verlängern, davon möchte ich aber im Sinne der gebotenen Kürze Abstand nehmen. Zusammenfassend ist m.E. zu konstatieren, dass die geplante Regelung aus Praxissicht aufgrund völlig unnötiger Bürokratie ein Unding ist, nicht ins rechtliche System passt und nach meiner Einschätzung auch der hohen Gefahr der Verfassungswidrigkeit unterliegt. Es gibt sicher bessere und sachgerechtere Wege, dem Finanzierungsbedarf des Familienlastenausgleichsfonds Rechnung zu tragen als durch eine dermaßen skurrile Regelung.

Ich ersuche Sie inständig, den geplanten § 41 Abs. 5a FLAG im Zuge der Behandlung im zuständigen Ausschuss oder im Plenum des Nationalrates zu überdenken und unbedingt zu streichen, und anstatt dessen im § 41 Abs. 5 FLAG die Worte "Ab dem Kalenderjahr 2025 ..." durch den Passus "Ab dem Kalenderjahr 2023 ..." zu ersetzen (und ebenso natürlich die Inkrafttretensbestimmung entsprechend anzupassen). Sie würden den Betrieben, insbesondere den HR- bzw. Lohnabteilungen viel Ärger und Mühe ersparen. Ich übertreibe nicht, wenn ich Ihnen sage, dass ein gesamter Berufsstand (Personalverrechner) und viele tausende oder gar zehntausende Betriebe für die Abwendung der drohenden Zusatzbürokratie sehr dankbar wären.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Rainer Kraft
Geschäftsführer
Vorlagenportal für Arbeitsrecht & Personalverrechnung
www.vorlagenportal.at

Stellungnahme von

Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung; Rechtliche Fachredaktion

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