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"Historischer Tag": Nationalrat beschließt neues Volksgruppengesetz

Von einem "historischen Tag" sprachen viele Abgeordnete in ihren Reden am Mittwoch im Nationalrat: Die MandatarInnen beschlossen ein neues Volksgruppengesetz in Verfassungsrang, mit dem auch der Kompromiss im Kärntner Ortstafelstreit gesetzlich besiegelt wird. Dabei zeigten sich die Fraktionen weitgehend zufrieden mit dem Erreichten, nur die Grünen bemängelten das neue Gesetz als zu kleinlich. Letztendlich stimmten nur drei Grün-MandatarInnen gegen das Gesetz, das unter lautem Applaus beschlossen wurde.

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Zur Plenarsitzung waren nicht nur die Regierungsspitze und "Ortstafel-Chefverhandler" Josef Ostermayer erschienen, sondern auch die Kärnter Verhandlungspartner des Staatssekretärs. So verfolgten Landeshauptmann Gerhard Dörfler, die Kärnter-Slowenen-Vertreter Marjan Sturm und Bernard Sadovnik sowie die Chefs der SPÖ- und ÖVP- Kärnten, Peter Kaiser und Josef Martinz, die Debatte. Dieser ferngeblieben war Valentin Inzko, Vorsitzender des Rates der Kärntner Slowenen, der sich nach Abschluss des Kompromisses doch noch dagegen ausgesprochen hatte.

SPÖ und ÖVP zufrieden mit Ortstafellösung

Die Diskussion eröffnete Peter Wittmann von der SPÖ, Obmann des Verfassungsausschusses, der sich freute, dass mit dem Beschluss des neuen Volksgruppengesetzes 56 Jahre nach dem Abschluss des Staatsvertrages endlich die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten gesichert würden. Dabei betonte er die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Gesetzes, das 164 zweisprachige Ortstafeln in Südkärntner Gemeinden vorsieht. Wittmann zeigte sich aufgrund des erzielten breiten Konsens überzeugt davon, dass die Lösung des Konflikts nun dauerhaft erreicht sei.

ÖVP-Mandatarin Ursula Plassnik ortete aufgrund der nun getroffenen Regelung ein neues Kärntner Selbstbewusstsein im vereinten Europa, in dem niemand mehr Angst um die Grenze zu seinem Nachbarn haben müsse. Der erzielte Kompromiss sei nicht als Zugeständnis der Mehrheit an die Minderheit zu sehen, sondern als Ausdruck uralter Gemeinsamkeit. Trotzdem werde damit kein Schlussstrich gezogen, sondern ein neues Kapitel aufgeschlagen, sagte die gebürtige Kärntnerin. Sie wünsche ihrer Heimat, dass diese ihr aufgrund des Ortstafelkonfliktes aufgebautes Negativimage nun ablegen könne.

Strache: Volksbefragung war wichtig

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache freute sich darüber, dass nach 56 Jahren eine dauerhafte Lösung beschlossen werde und zeigte sich zugleich stolz, dass diese unter einem freiheitlichen Landeshauptmann zustande gekommen sei. Die vorgesehenen 164 zweisprachigen Ortstafeln sehe er als einen gerechten und nachvollziehbaren Kompromiss, der zeige, dass man die Freiheitlichen nicht ausgrenzen dürfe. Kritik an der von den Freiheitlichen in Kärnten initiierten Volksbefragung zum Verhandlungsergebnis konterte der FPÖ-Chef damit, dass es wichtig gewesen sei, nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinwegzuentscheiden.

Dass die beiden Volksgruppen in Kärnten schon lange gut und friedlich miteinander lebten und der Ortstafelstreit im Alltagsleben keine Rolle spiele, betonte BZÖ-Klubobmann Josef Bucher. Der jahrzehntelange Konflikt sei nur von einigen wenigen am Leben gehalten worden, auch die Medien hätten oft ein falsches Bild Kärntens und der Situation gezeichnet. Um dieses zurechtzurücken, stimme das Bündnis nun auch für den ausverhandelten Kompromiss. Nach der nunmehrigen Lösung sei es an der Zeit, im südlichsten Bundesland die wirklichen Probleme anzugehen, so Bucher.

Jubelstimmung für Glawischnig nicht angebracht

Keinen Grund für Jubelstimmung sah Eva Glawischnig, die Klubobfrau der Grünen. Zu oft sei mit dem Ortstafelstreit in Kärnten politisches Kleingeld gewechselt worden und die jetzige Lösung könne die offene Wunde zwar schließen, jedoch nicht ohne eine Narbe zurückzulassen. Dass der nun gefundene Kompromiss in die Verfassung gehoben werde, bezeichnete die Abgeordnete als nicht ganz saubere, rechtsstaatliche Form. Die Lösung zeuge zudem nicht von Großmut im Umgang mit der Minderheit, sondern vielmehr von Kleingeistigkeit. Um dieser Kritik Ausdruck zu verleihen, würden drei MandatarInnen der Grünen auch gegen das neue Volksgruppengesetz stimmen, kündigte Glawischnig an.

Ostermayer zufrieden mit Kompromiss

"Chefverhandler" Josef Ostermayer zeigte sich sehr zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss. Dieser umfasse mit 164 zweisprachigen Ortstafeln mehr als alle Verhandlungsergebnisse der Vergangenheit und mehr, als er erwartet habe. Dass die Lösung nun verfassungsrechtlich beschlossen werde, bringe zum einen das Ende des Konflikts, aber auch Sicherheit für die slowenische Minderheit: Auch wenn die Zahl der Mitglieder der Volksgruppe abnehme, blieben die zweisprachigen Ortstafeln erhalten, so der SPÖ-Staatssekretär.

Faymann: "Ein wichtiger Tag für Kärnten, ein wichtiger Tag für Österreich"

Bundeskanzler Werner Faymann betonte die Bedeutung des erzielten Kompromisses für Kärnten, aber auch für Österreich. Die Ortstafel-Verhandlungspartner hätten mit Respekt, Geduld und Weitblick zur jetzigen Lösung im Geiste des Miteinanders gefunden. Erfreulich sei auch, dass die Bevölkerung im betroffenen Gebiet den Wunsch nach einer Neuregelung mitgetragen habe, denn ein Diktat aus Wien wäre nicht möglich gewesen.

Einen Neuanfang für Kärnten sah Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger mit der Lösung des Ortstafelstreits anbrechen, sie räume auch außenpolitische Probleme im Verhältnis zu Slowenien aus dem Weg. Rosen streute der ÖVP-Chef den Verhandlungspartnern, allen voran Ostermayer. Diese hätten alle an einem Strang gezogen und so zu einer guten Lösung beigetragen.

Sonstige Themen am Mittwoch, Donnerstag und Freitag

In der Sitzung am Mittwoch diskutierten die Abgeordneten noch zahlreiche weitere Verhandlungsgegenstände. So stand der Gesetzesvorschlag des Bundesrates zu einer Ausweitung der Kooperationsmöglichkeiten von Gemeinden auf dem Programm, auch neuen Regelungen für das Führerscheingesetz, Rettungsgassen auf Autobahnen sowie dem ORF-Jahresbericht 2010 widmeten sich die VolksvertreterInnen.

Auch am Donnerstag trat der Nationalrat zu einer Sitzung zusammen, wobei die MandatarInnen unter anderem ein neues Ökostrom-Gesetz und die Verlängerung der Bundesförderung für das Gratiskindergartenjahr diskutierten. Zu Beginn der Sitzung gab Finanzministerin Maria Fekter eine Erklärung zu den EU-Hilfen für Griechenland ab.

In der Sitzung am Freitag waren unter anderem neue Regelungen zu Pflege, der österreischische Stabilitätspakt sowie Zugangsbeschränkungen für österreichischen Universitäten Thema.

Detaillierte Berichte von den Sitzungen des Nationalrates entnehmen Sie bitte den Meldungen des Pressedienstes des Parlaments.