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Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 5. Mai, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, beging das Parlament auch heuer wieder den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

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Der Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Bundesratspräsident Michael Lampel folgten die Regierungsspitze, zahlreiche ParlamentarierInnen und Gästen aus dem In- und Ausland. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen heuer die Werke von verfemten, vertriebenen oder ermordeten Musikerinnen und Musikern. Zur Aufführung gelangte die Kinderoper "Brundibár" von Hans Krása, die im Konzentrationslager Theresienstadt den Kindern ein kleines Stück Freude in Mitten des schrecklichen Lageralltags bot. Der Journalist Michael Kerbler sprach mit den Zeitzeuginnen  Dr.in Eva Herrmannová und Dr.in Dagmar Lieblová über deren Kindheit im Konzentrationslager Theresienstadt. Beide haben in der Oper Brundibár als Darstellerinnen mitgewirkt.

Lampel: der Verantwortung für das Erinnern gerecht werden

Der Präsident des Bundesrates, Michael Lampel, begrüßte die Gäste und wies darauf hin, dass es in unserer heutigen Gesellschaft keine Toleranz für Gewalt und Rassismus geben dürfe. Er betonte die Bedeutung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, um eine Wiederholung dieser Verbrechen auszuschließen. "Denn wer die Augen vor der Vergangenheit verschließt, wird blind für die Gegenwart.", mahnte Michael Lampel.

Prammer: Geschichte verpflichtet

Die Präsidentin des Nationalrates forderte ein: "Gedenken darf nicht um der Vergangenheit willen geschehen, sondern muss Ausgangspunkt für Zukunft sein." Im Sinne einer lebendigen Erinnerungskultur sei es ihr ein Anliegen, Werke von verfemten, vertriebenen oder ermordeten Musikschaffenden in den Mittelpunkt des diesjährigen Gedenktages zu stellen. Die Aufführung der Oper Brundibár von Hans Krása sei ein Beitrag dazu, das Schicksal dieser KünstlerInnen in Erinnerung zu rufen. Gedenken sei ein zutiefst demokratisches Anliegen und Verpflichtung für jede und jeden Einzelnen, mahnte Prammer. "Die Europäische Union sei der Beweis dafür, dass ein friedliches Zusammenleben der Völker Europas möglich ist. An der Umsetzung der Idee müssen wir ständig weiter arbeiten. Dazu verpflichtet unsere Geschichte."

Karl Schwarzenberg fordert Mut und Entschlossenheit

Karl Schwarzenberg, ehemaliger tschechischer Außenminister, forderte in seiner berührenden Gedenkrede nicht nur Worte des Erinnerns, sondern Taten und einen offenen Umgang mit Minderheiten jeder Art. Das gelte vor allem für die Gegenwart. Der Verbrechen der NationalsozialistInnen zu gedenken, sei wichtig, doch gelte es, so Schwarzenberg, das Böse rechtzeitig zu besiegen. Aktuelle Entwicklungen, wie etwa die steigende Anzahl von Rechtsradikalen, müssten rechtzeitig erkannt werden. Schwarzenberg verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Abschiebung von ImmigrantInnen oder deren Verbannung in Ghettos vor den Städten. "Schön, dass wir hier gedenken, doch entschlossen müssen wir uns der Gefahren wehren, die heute drohen...", forderte er eine "Erinnerungspflicht" ein.

Zeitzeuginnen im Gespräch mit Michael Kerbler

Beide Zeitzeuginnen wurden 1929 geboren und beide waren im Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt. Unter den Häftlingen von Theresienstadt befanden sich circa 15.000 Kinder, die in Kinderheimen untergebracht waren. Nur 150 Kinder haben die Lagerhaft überlebt.

Eva Herrmannová wurde 1942 nach Thesesienstadt deportiert. Gefragt, ob sie sich noch an die Abreise erinnern könne, beschrieb Frau Herrmannová sehr berührend ihre überstürzte Abreise und die damit verbundene Trennung von den Eltern. In Theresienstadt lebte sie bis zur Befreiung des Lagers. Eva sang im Chor der Kinderoper Brundibár. Sie hätte von Brundibár erfahren und hat sich sofort beworben, sagte Frau Herrmannová. Der Enthusiasmus der Kinder gründete auf dem Glauben, das Böse besiegen zu können.

Dagmar Lieblová wurde 1942 mit ihrer gesamten Familie nach Theresienstadt deportiert. Sie konnte nur drei Monate an den Aufführungen von Brundibár teilnehmen, dann wurde sie und die gesamte Familie nach Ausschwitz transportiert. Sie überlebte als Einzige ihrer Familie. Ein Fehler in ihren Papieren, der sie älter und damit tauglich für den Arbeitseinsatz machte, rettete ihr das Leben. "Die Schoah ist Teil der europäische Geschichte. Es ist wichtig, dass die heutige Generation darüber erfährt. Es ist die Pflicht der ZeitzeugInnen sich dafür einzusetzen, dass nie wieder so etwas geschieht."

Brundibár

Die Kinderoper Brundibár (Die Hummel) von Hans Krása und Adolf Hoffmeister wurde dank der Rolle, die sie in Theresienstadt gespielt hatte, berühmt. Sie hat das tragische Schicksal der Häftlinge vermenschlicht – derer, die die Oper gespielt haben, und derer, die sie als ZuschauerInnen erlebt haben. Die festliche Premiere von Brundibár in Theresienstadt fand am 23. September 1943 im Saal der sogenannten Magdeburger Kaserne statt. Der Komponist Hans Krása war bereits am 10. August 1942 nach Theresienstadt deportiert worden und wurde 1944 in Ausschwitz in der Gaskammer ermordet. Der Librettist – Adolf Hoffmeister - hatte ein glücklicheres Schicksal: Dank Brundibár erhielt er eine Einladung nach London und kehrte erst nach der Befreiung in die Tschechoslowakei zurück.

Studierende der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien haben die Oper aufgeführt. Dirigiert hat Andreas Penninger. Die Regie führte Beverly Blankenship.

Demokratiewerkstatt mit Zeitzeugin

Eine der zum Gedenktag geladenen Zeitzeuginnen, Frau Dr. Dagmar Lieblová, stand im Rahmen des Zeitreise-Workshops der Demokratiewerkstatt Jugendlichen als Interviewpartnerin zur Verfügung.

Die SchülerInnen der 4. Klasse des BG/BRG Schwechat waren tief beeindruckt von den Erzählungen Frau Lieblovás über ihre Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Regime und das Überleben als jüdischer Häftling in den Konzentrationslagern des NS-Staates.

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