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Ein Militärspital im Parlament

Das Parlament als Kriegslazarett? Ja, während des ersten Weltkrieges war es das. Ende September vor 100 Jahren öffnete die „Militär-Rekonvaleszentenanstalt im Reichsratsgebäude“ ihre Pforten zur Pflege von Verwundeten. Natürlich tagten in dieser Zeit weder Abgeordneten- noch Herrenhaus – der Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh hatte die Verhandlungen des Reichsrates bereits im März 1914 vertagt und im Juli die Sessionen geschlossen.

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Die Einrichtung des Lazaretts fußte auf einer Vereinbarung zwischen dem Innenministerium und den Präsidenten der beiden Häuser des Reichrates. Es war nicht das einzige Hilfsspital dieser Art, z.B. im Universitätsgebäude und der Secession gab es während des Ersten Weltkrieges ähnliche Einrichtungen.

Spital für höhere Dienstränge und besser gestellte Persönlichkeiten

Die erste Aufnahme eines Patienten erfolgte am 26. September 1914, bereits wenige Tage nach der Eröffnung. Bis zur Schließung des Krankenbetriebes am 4. Dezember 1916 sollten noch fast 1.400 weitere folgen. Die eingelieferten Soldaten gehörten zu einem großen Teil höheren militärischen Rängen an oder zeichneten sich durch eine hohe gesellschaftliche Stellung aus. Schwerer Verletzte wurden im Parlamentsgebäude zunächst nicht betreut. Die meisten Soldaten wurden nach Ihrer Entlassung wieder diensttauglich geschrieben.

Gut ausgestattetes Militärspital

Insgesamt standen 200 Patientenbetten sowie ein Operations- und ein Ambulanzbereich pro Abteilung zur Verfügung. Die Kriegsversehrten hatten Zugriff auf eigene Postkästen, ein Postamt in der Säulenhalle und sogar Telefone standen für sie zur Verwendung bereit. Die Krankenzimmer waren in den heutigen Ausschusslokalen, im Erdgeschoss entlang der Reichsratsstraße sowie im heutigen Empfangssalon des Gebäudes untergebracht. Dort lagen vor allem Verwundete mit erhöhtem Pflegebedarf. Pro Zimmer waren 15 bis 20 Patienten untergebracht. In den Sitzungssälen der beiden Häuser fand kein Spitalsbetrieb statt.

Die Säulenhalle diente den Patienten als Aufenthaltsraum und Besuchszimmer, sie war mit Lederfauteuils und Diwanen ausgestattet. Zur Weihnachtszeit schmückte ein raumhoher Christbaum die Halle. Im heutigen Sitzungssaal des Bundesrates wurde auch eine Hauskapelle mit Altar, Beichtstuhl und Harmonium eingerichtet. Für die Zerstreuung der Soldaten sorgten im heutigen Abgeordneten-Sprechzimmer hier auch immer wieder Konzerte und andere Veranstaltungen.

Die Schließung der Anstalt

Die Schließung der „Militär-Krankenanstalt im Reichratsgebäude“, wie das Spital mittlerweile hieß, ging mit der Wiedereinberufung des Parlaments einher. Am 4. Dezember 1916 verließen die letzten Patienten das Haus, ab 30. Mai 1917 nahmen Abgeordneten- und Herrenhaus ihre Sitzungen wieder auf.

Fotos vom Militärspital im Parlament