Parlamentskorrespondenz Nr. 466 vom 04.07.1997

SCHÜSSEL FÜR GEMEINSAME LÖSUNG IN DER NATO-FRAGE

Ausschuss nimmt Aussenpolitischen Bericht zur Kenntnis

Wien (PK) - Die Themen Sicherheitspolitik, EU-Osterweiterung und Schengen standen heute im Mittelpunkt der Beratungen des Aussenpolitischen Ausschusses über den Aussenpolitischen Bericht 1996 der Bundesregierung, der schliesslich mit SP-VP-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde.

Aussenminister Dr. SCHÜSSEL stellte grundsätzlich fest, noch nie habe Österreich eine aktivere Aussenpolitik betrieben als seit dem EU-Beitritt. Die Europäische Union sei Kern und erste Stossrichtung unserer Aussenpolitik, betonte er, hob aber gleichzeitig die eminente Bedeutung der Fortsetzung der Nachbarschaftspolitik für Österreich hervor. Grossen Wert legte Schüssel auch auf ein starkes österreichisches Engagement in den internationalen Gremien, insbesondere in der UNO. Das speziell Österreichische in der Aussenpolitik seien aber die Schwerpunktsetzungen in Richtung Balkan und mittel- und osteuropäische Staaten, unterstrich er.

In Fragen der Sicherheitspolitik trat Schüssel mit Nachdruck für eine gemeinsame Lösung zwischen den Regierungsparteien hinsichtlich NATO-Beitrittes ein. Die Entscheidungsgrundlagen sollten noch heuer vorliegen, meinte er. Die erste Erweiterungsrunde der NATO bezeichnete Schüssel als "window of opportunity". Danach werde es wohl längere Zeit dauern, bis abermals neue Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Die OSZE bietet sich nach Meinung des Aussenministers nicht als Alternative zur NATO an, da sie keinerlei Verteidigungsdimension habe und in diesem Sinn die Sicherheitsbedürfnisse ihrer Mitgliedstaaten nicht befriedigen könne. Nach der NATO-Lösung mit Russland und der Ukraine habe die OSZE als Sicherheitsmodell noch weiter an Bedeutung verloren.

Was Schengen betrifft, untermauerte Schüssel seine Forderung nach Herstellung eines Zusammenhanges mit dem Europäischen Vertrag von Amsterdam. Es müsse sichergestellt werden, dass die österreichische Teilnahme nicht durch Vetos anderer Staaten blockiert werde. Der Vizekanzler kündigte in diesem Zusammenhang ein Treffen auf Regierungsebene zwischen Österreich, Deutschland und Italien innerhalb der nächsten zwei Wochen an, das der Ausräumung noch bestehender Probleme dienen soll.

Der Aussenminister unterstrich ferner die positive Haltung Österreichs zur EU-Osterweiterung. Die Union solle um jene Staaten erweitert werden, die die Kriterien erfüllen, wobei von Verhandlungsprämissen auszugehen sei, die die österreichischen Interessen abdecken. Schüssel sprach in diesem Zusammenhang vor allem Übergangsfristen bei den Agrarprodukten an.

Im übrigen stellte der Ressortchef fest, dass es gelungen sei, mit dem vorhandenen Personal auf die Herausforderungen durch den EU-Beitritt und den explosionsartig angestiegenen Arbeitsanfall zu reagieren. Parteipolitik im engeren Sinne spiele in seinem Haus keine Rolle, relevant sei einzig und allein die Qualität der Mitarbeiter.

Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (VP) sprach die Lage des diplomatischen Dienstes an und wies auf Schwierigkeiten und Gefahren hin. Wichtig sei es, für die Mitarbeiter Anreize zu schaffen und den Servicecharakter der Leistungen im Aussenamt stärker hervorzuheben, meinte er.

Abgeordneter Dr. CAP (SP) forderte in der Sicherheitspolitik einen stärkeren Ausbau der europäischen Komponente und zweifelte an der Dringlichkeit eines NATO-Beitrittes gleich in der ersten Erweiterungsphase gemeinsam mit den Oststaaten.

Abgeordnete Mag. KAMMERLANDER (G) warf der Regierung Inaktivität im EU-Reformprozess vor und kritisierte Bestrebungen Schüssels in Richtung NATO-Beitritt und Aufgabe der Neutralität. 

Abgeordnete Dr. GREDLER (L) übte Kritik an der Personalpolitik im Aussenministerium und zeigte sich vor allem enttäuscht über den niedrigen Frauenanteil. Sie klagte auch über Parteipolitik bei der Vergabe von Botschafterposten.

Abgeordneter JUNG (F) bezog kritisch Stellung zum EU-Osterweiterungsprozess und meinte, Österreich habe bei seinen Nachbarländern Hoffnungen erweckt, die es nun nicht erfüllen könne. Im übrigen deponierte Jung die Forderung seiner Fraktion nach einem raschen NATO-Beitritt.

RASCHE RATIFIKATION DES ÜBEREINKOMMENS ÜBER INDIGENE VÖLKER

AUSWEITUNG DES WALFANGMORATORIUMS 

Der Aussenpolitische Ausschuss befasste sich heute auch mit mehreren Anträgen der Opposition zu den Bereichen NATO, EU, Walfang und Tibet sowie zu einem internationalen Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker.

So forderten die Freiheitlichen in einem Entschliessungsantrag, mit den Staaten des Nordatlantikvertrages umgehend in Verhandlungen über einen frühestmöglichen Beitritt Österreichs zur NATO einzutreten. Da aber diese Debatte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Optionenbericht steht, stimmten die Antragsteller zu, diesen Tagesordnungspunkt auf Herbst zu vertagen.

Ein Anliegen der FPÖ war auch eine weitere Ausgestaltung und Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EU-Vertrag sowie eine rechtlich eindeutige Definition der Europaregion und ihrer Funktionsweise. Diese legistischen Anpassungen sind ihrer Ansicht nach Voraussetzung für die Entwicklung der Europaregion Tirol. Der Ausschuss lehnte diesen Antrag jedoch ohne Diskussion ab, nicht zuletzt, weil er, wie Ausschussvorsitzender SCHIEDER betonte, in seinem Inhalt durch den Vertrag von Amsterdam überholt sei.

Einstimmig hingegen wurden die beiden Anträge der Grünen angenommen. So soll Österreich alle Möglichkeiten auf internationaler Ebene ausschöpfen, damit das bestehende unbefristete Moratorium für den kommerziellen Walfang nicht aufgehoben, sondern auch auf den "wissenschaftlichen Walfang" ausgeweitet wird. Die Regierung solle ausserdem insbesondere auf Norwegen und Japan einwirken, den Walfang einzustellen.

Schliesslich beantragten die Grünen die rasche Ratifikation des internationalen Übereinkommens über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern. Sie verwiesen auf einen vom Nationalrat 1992 einstimmig beschlossenen Entschliessungsantrag und hielten fest, dass die gegenständliche Konvention einen wichtigen Fortschritt im Ringen um die Rechte eingeborener Völker darstellt. In einem Fünf-Parteien-Abänderungsantrag wurde auf die Initiative aus 1992 Bezug genommen, die Materie sodann vom Ausschuss ebenfalls einstimmig angenommen.

Das Liberale Forum trat in einem umfassenden Entschliessungsantrag für ein volles Engagement der Bundesregierung hinsichtlich der Menschenrechte in Tibet ein. Dieser Punkt wurde einhellig auf den Herbst vertagt. (Schluss)