Parlamentskorrespondenz Nr. 528 vom 29.11.1999

1998 BRACHTE WEICHENSTELLUNG FÜR DIE REFORM DER AGRARPOLITIK

Landwirtschaftsminister legt Grünen Bericht 1998 vor

Wien (PK) - Der 40. Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft (Grüner Bericht) dokumentiert jene wichtigen Weichenstellungen für die EU-Agrarpolitik, die mit dem Beschluss der „Agenda 2000“ am 26. März 1999 in Berlin festgelegt wurden, betont Landwirtschaftsminister Molterer in seinem Vorwort. Gleichzeitig zeige er auf, dass Österreichs Land- und Forstwirtschaft den EU-Beitritt insgesamt gut verkraftet habe, wiewohl die Einkünfte je Betrieb zwischen 1995 und 1998 jährlich um durchschnittlich 3 % rückläufig waren. Die Familienarbeitskräfte haben sich im gleichen Zeitraum zahlenmäßig um rund 2,5 % vermindert. (III-3 d.B.)

DIE ENTWICKLUNG DES AGRARSEKTORS IM JAHRE 1998

Vor dem Hintergrund einer günstigen Konjunkturentwicklung im Jahr 1998 konnte auch der Agrarsektor seine Produktion dem Volumen nach deutlich ausweiten. Dem Wert nach dagegen fiel der agrarische Rohertrag hinter das Vorjahresergebnis zurück. So war die Endproduktion der Land- und Forstwirtschaft mit 62,7 Mrd. S (davon Landwirtschaft 49,2 Mrd. S und Forstwirtschaft 13,5 Mrd. S) um etwa 1 % niedriger als 1997. Insgesamt betrug der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am BIP 1,4 %.

Höhere Erträge im Pflanzenbau (+ 5,8 %), insbesondere bei Wein und Kartoffeln, standen Einbußen in der Tierhaltung gegenüber (-5,1 %). Dieser Rückgang wurde vor allem durch den Einbruch der Erträge aus der Schweinemast verursacht. Die Schweinehalter verloren im Vergleich zum Vorjahr rund 2,3 Mrd. S und damit über ein Fünftel ihres Rohertrages.

Die Direktzahlungen (Subventionen) an landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen der EU-Marktordnung sind für die aus der Land- und Forstwirtschaft erzielten Einkommen von ausschlaggebender Bedeutung. 1998 wurden rund 18,7 Mrd. S ausbezahlt, d.h. etwa um 8,1 % weniger als 1997, was primär auf den Rückgang der degressiven Ausgleichszahlungen zurückzuführen ist. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass sich die Einkommen aus der Land- und Forstwirtschaft um 3,8 % reduziert haben.

Seit Anfang 1996 sinkt die Abwanderung aus der Landwirtschaft wieder und laut WIFO sind im Agrarsektor derzeit 149.600 Personen beschäftigt, was einen weiteren Rückgang von 2,4 % gegenüber dem Vorjahr darstellt. Die Agrarqoute (Anzahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten und Arbeitslosen) sank parallell zur Abwanderung aus der Landwirtschaft und liegt nunmehr bei 4,2 %.

DIE DATEN DER ÖSTERREICHISCHEN AGRARSTRUKTUR

Laut Agrarstrukturerhebung 1997 werden in Österreich 252.110 Betriebe bewirtschaftet, wovon rund ein Drittel Bergbauernbetriebe sind. Der österreichische Agrarsektor, in dem 149.600 Arbeitskräfte hauptberuflich beschäftigt sind, ist noch immer sehr kleinstrukturiert; mehr als die Hälfte der Betriebe bewirtschaften weniger als 10 ha. An der Gesamtfläche Österreichs hat die Landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) einen Anteil von etwa 41 %, der Wald 46 % und sonstige Flächen (Gewässer-, Bau-, Verkehrs- und Bahnflächen) rund 13 %. Österreich hat, bezogen auf die Landesfläche, innerhalb der EU mit 70 % den höchsten Anteil an Berggebieten. Die LN umfasst 3,4 Mill. ha, die sich auf Ackerfläche (41 %), Wirtschaftsgrünland (27 %), extensives Grünland (29 %) und sonstige Kulturarten (3 %) verteilen. Was den Tierbestand betrifft, so werden in Österreich 2,2 Mill. Rinder gehalten

und 3,8 Mill. Schweine.

Die Gesamtanbaufläche (rund 840.000 ha) blieb, mit Ausnahme des starken Rückgangs bei Mais, weitgehend stabil, die Erträge nahmen bei den meisten Kulturen ab. Die österreichische Getreideproduktion betrug 1998 4,5 Mio. t. Der Anbau von Ölfrüchten (rund 113.000 ha) stieg nach jahrelangen Rückgängen wieder an. Die Zahl der geförderten Biobetriebe erhöhte sich auf 18.820, wobei fast 80 % im Grünlandgebiet liegen. Ertragseinbußen gab es bei Zuckerrüben und Gemüse, während die Weinernte mit 2,7 Mio. hl das Vorjahresniveau um 50 % übertraf.

WEITERHIN STEIGENDE TENDENZ IM AGRARISCHEN AUSSENHANDEL

Was den Agrarhandel betrifft, so nahmen 1998 neuerlich sowohl die Exporte (9 %) als auch die Importe (4 %) zu. Die Ausfuhren von Waren des Agrarsektors machten fast 37 Mrd. S aus, wobei über zwei Drittel auf den EU-Raum entfielen. Die Einfuhren beliefen sich auf fast 57 Mrd. S, drei Viertel davon kamen aus EU-Ländern. Die agrarische Handelsbilanz betrug -20 Mrd. S.

1998 kam es im österreichischen Tourismus nach mehreren rückläufigen Jahren wieder zu einem Nächtigungszuwachs von +1,9 % (insgesamt 111 Millionen Nächtigungen). In der Kategorie „Urlaub am Bauernhof“ sind die Nächtigungen zwar leicht zurückgegangen, die Aussichten werden aber positiv beurteilt.

In den letzten Jahren ist der Lebensmittelsektor - verstärkt durch den EU-Beitritt - in Bewegung geraten, heißt es im Bericht. Unternehmensfusionen, Betriebsstilllegungen sowie Arbeitsplatzverluste einerseits und die Entwicklung neuer Produkte und Vermarktungsformen andererseits sind die gravierendsten Erscheinungen. Aufgrund der zunehmend ökologiebewussteren Einstellung der Konsumenten werden den regionalen bäuerlichen Qualitätsprodukten jedoch gute Chancen eingeräumt.

ÖSTERREICH IM EUROPÄISCHEN BINNENMARKT

Der Beitritt Österreichs zur EU bedeutete für die heimischen Landwirte den Beginn tief greifender Veränderungen, die sich mit der nächsten WTO-Runde und der bevorstehenden Osterweiterung der EU fortsetzen werden. Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise wurden vor allem in den Bereichen Getreide, Schlachtrinder, Schweine und Milch von erheblichen Einbußen betroffen. Andererseits gab es gewisse Entlastungen der landwirtschaftlichen Betriebe durch preisgünstigere Betriebsmittel.

Die Agenda 2000 wurde vom Europäischen Rat am 26. März 1999 beschlossen. Dabei erfolgte auch eine Einigung über den Finanzrahmen bis 2006. Österreich ist es im Rahmen der Verhandlungen gelungen, den Nettobeitrag von derzeit 0,43 % des BSP auf ca. 0,31 % des BSP bis zum Jahr 2000 zu senken. Generell sieht die Reform einen weiteren Abbau der Markt- und Preisstützung mit gleichzeitigem Ausbau der Direktzahlungen vor. Betroffen sind die Marktordnungen von Milch, Getreide, Rindfleisch und Wein. Wichtige Eckpunkte sind dabei u.a.: die Verlängerung der Milchquotenregelung bis 2008 mit einer stufenweisen Aufstockung der Milchquoten um 1,5 % sowie - für Österreich - einer Umschichtung der 150.000 t D-Quote in eine A-Quote, die Senkung der Interventionspreise von Rindfleisch (-20 %) und Getreide (-15 %), die Einführung einer Schlachtprämie für Großrinder und Kälber sowie die Neuregelung der Mutterkuhprämie. Zudem soll eine schrittweise Senkung institutioneller Preise (Magermilchpulver, Butter, Richtpreis Milch) ab 2005 vorgenommen werden. Der Ausgleich erfolgt in Form einer Quotenprämie, wobei für Österreich und Finnland eine Extensivierungsprämie zur Verfügung steht.

FÖRDERUNG DER LÄNDLICHEN ENTWICKLUNG AB 2000

Ein wichtiges Ergebnis der Agenda-Verhandlungen stellt die Verankerung der ländlichen Entwicklung als zweite Säule der EU-Agrarpolitik dar. Damit kann Österreich den Sockelbetrag für Bergbauern verwirklichen. Dadurch ist auch die Umweltförderung langfristig gesichert, mit

neuen Programmen ist eine Ausweitung der Leistungen und deren Abgeltung möglich.

Was die Aufteilung der EU-Strukturfonds betrifft, so stehen für Österreich für die Periode 1995 bis 1999 insgesamt 1.632 Mio ECU an EU-Mitteln aus den so genannten Strukturfonds zur Verfügung. 184 Mill. ECU sind davon für das Burgenland (Ziel 1-Gebiet) reserviert. Das Ziel 5a wurde mit 388 MECU und das Ziel 5b mit 411 MECU für die kommenden fünf Jahre dotiert.

FÖRDERUNGERN FÜR DIE LAND-, FORST- UND WASSERWIRTSCHAFT

1998 wurden 28,4 Mrd. S an EU-, Bundes- und Landesmitteln für den Agrarbereich aufgewendet. Der größte Anteil der Finanzierung entfiel auf die Europäische Union (14 Mrd. S; 1998 war das letzte Jahr, in dem gemäß EU-Beitrittsvertrag degressive Ausgleichszahlungen zur Abfederung der Preisrückgänge an bäuerliche Betriebe geleistet wurden). Auf nationaler Ebene wurden die Mittel für die meisten Förderungen im Verhältnis 60:40 zwischen Bund (7,5 Mrd. S) und Ländern (6,8 Mrd. S) aufgebracht. Gegenüber 1997 sind die Ausgaben für die Land- und Forstwirtschaft um 0,6 Mrd. S (- 2 %) zurückgegangen.

DIE EINKOMMENSSITUATION UND DIE SOZIALE LAGE DER BAUERN

Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft 1998 betrugen im Bundesmittel S 264.990 (- 6,8 %) je Betrieb. Verursacht wurde der Rückgang bei den Erträgen in erster Linie durch die geringeren Umsatzerlöse bei Schweinen sowie den weiteren Abbau der degressiven Ausgleichszahlungen. Auch die öffentlichen Gelder verringerten sich weiter und beliefen sich durchschnittlich auf S 178.872 je Betrieb, was knapp 21 % des Unternehmensertrages entspricht. Positiv wirkten sich hingegen die Ertragszuwächse bei Wein, Rindern, Milch und Holz aus.

Im längerfristigen Vergleich (seit 1991) haben sich die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft je Familienarbeitskraft um 2,7 % verbessert.

Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass die soziale Situation der Bauern und Bäuerinnen nicht allein vom Einkommen abhängt. Eine wichtige Funktion diesbezüglich hat die soziale Absicherung durch die bäuerliche Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung, bei der es im Jahr 1998 einige wichtige Änderungen gab: Einführung des Krankenscheins für Bauern und der Bäuerinnen-Krankenversicherung, Anhebung des Wochengeldes um 300 S, zusätzliche Ausgleichszulagen sowie Absenkung des fiktiven Ausgedinges. 1998 betrug die durchschnittliche Alterspension der Bauern 7.087 S (inkl. Ausgleichszulage und Kinderzuschuss). (Schluss)