Parlamentskorrespondenz Nr. 259 vom 16.05.2000

NATIONALRAT: BUDGETS VERKEHR, INNOVATION UND TECHNOLOGIE SOWIE JUSTIZ

Kurzdebatte über Anfragebeantwortung Sickls, Fristsetzungsdebatte

Wien (PK) - Das Budget des Ressorts für Verkehr, Innovation und Technologie (Budgetkapitel 65) und der Voranschlag für das Justizressort (Kapitel 30) stehen auf der Tagesordnung der Nationalratssitzung , mit der heute die zweite Beratungswoche über den Bundeshaushalt 2000 eröffnet wird. Im Innovationsressort sind Ausgaben in Höhe von 31.266,9 Mio. S (Konjunkturausgleich-Voranschlag: 1.031,76 Mio. S) und Einnahmen von 7.045,1 Mio. S vorgesehen. Im Justizressort sind im laufenden Jahr Ausgaben von 10.936 Mio. S (Konjunktur-Ausgleich: 36 Mio. S) und Einnahmen in Höhe von 8.128 Mio. S veranschlagt.

Die Debatte über den Bundeshaushalt 2000 wird um 15 Uhr für zwei Kurzdebatten unterbrochen. Die Fraktion der Grünen will eine Debatte über die Beantwortung einer Anfrage an den Familienminister durch die Sozialministerin (in deren Zuständigkeit die Familienagenden seit Inkrafttreten des neuen Bundesministeriengesetzes am 1.April fallen). Die Sozialdemokraten beantragen, dem Justizausschuss für ihren Antrag betr. Präzisierung des Verhetzungsparagrafen eine Frist bis 1. Juli 2000 zu setzen. Auch über diesen Fristsetzungsantrag wird eine Kurzdebatte erfolgen.

BERATUNGSGRUPPE X: VERKEHR, INNOVATION UND TECHNOLOGIE

Abgeordneter PARNIGONI (S) beklagte den Bruch, den die schwarz-blaue Koalition gegenüber den Traditionen einer sozial und ökologisch ausgerichteten Verkehrspolitik bedeute. Der Redner bezifferte die Mehrbelastung eines PKW mit 2.000 - 3.000 S jährlich und meinte, mit der Anhebung des Vignettenpreises von 500 auf 1.000 S, der Erhöhung der Zulassungsgebühren und der ökologisch einseitigen Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer habe die FPÖ den von ihr beanspruchten Titel "Schutzmacht der Autofahrer" endgültig verloren.

Der ÖVP warf Parnigoni vor, die Nahverkehrsfinanzierung "torpediert" zu haben. Er machte auf die bevorstehenden massiven Tariferhöhungen und drohende Verkehrseinstellungen auf Nebenbahnen aufmerksam und sah die Pendler entweder als Autofahrer oder als Benützer öffentlicher Verkehrsmittel von dieser Regierung geschröpft. In diesem Zusammenhang wandte sich Parnigoni gegen das "Streichkonzert" der ÖBB bei den Nebenbahnen, von dem er befürchtet, dass es zu Staus auf den Straßen, zu Umwelt- und Lärmbelastungen und zu einer Verschlechterung des Wirtschaftsstandorts Österreich führen werde.

Dem Verkehrsminister warf der Redner vor, eine Politik auf Kosten der sozial Schwächeren zu betreiben, die auch ökonomisch in die falsche Richtung gehe, da die Steuererhöhungen nur Kfz unter 3,5 Tonnen treffen, obwohl bekannt sei, dass der LKW-Verkehr die Straßen am stärksten belaste und der Hauptverursacher für die hohen Unterhaltskosten im Straßennetz darstelle.

Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) trat den Ausführungen seines Vorredners entschieden entgegen und erinnerte daran, dass die von der SPÖ vorgeschlagene Erhöhung des Benzinpreises um 3 S die Autofahrer wesentlich mehr belastet hätte als die Maßnahmen, die die Regierung nun vorgelegt hat. Die Grünen hätten sogar verlangt, den Benzinpreis auf 30 S anzuheben, sagte Firlinger (beide Aussagen wurden von S- und G-Vertretern tatsächlich berichtigt).

Die Freiheitlichen haben sich laut Firlinger immer für die Interessen der Autofahrer eingesetzt, sie haben auch die EU-Kontrollorgane angerufen, die österreichischen Mineralölfirmen unter die Lupe zu nehmen, wovon er sich nun Benzinpreissenkungen erhoffe, sagte Firlinger.

Für den Zustand der Nebenbahnen seien nicht die Freiheitlichen verantwortlich, sondern die SP-Verkehrspolitiker der letzten Jahre. Dem gegenüber sei es nun notwendig einen neuen Weg einzuschlagen. Das vorliegende Budget bilde einen sparsamen Ansatz beim Straßenbau und bei der Schieneninfrastruktur. Es herrsche eben "das Diktat der leeren Kassen" und es werde eine Zeit brauchen, bis es wieder möglich sein werde, mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur aufzuwenden. Die Bundesregierung arbeite daran, weil sie wisse, wie wichtig die Verkehrsinfrastruktur im Sinne einer "gelebten Standortpolitik" sei.

Hinsichtlich der Nebenbahnen werden die Freiheitlichen dafür sorgen, dass bei den ÖBB gespart, aber die Verträge mit den Ländern eingehalten werden; die ÖBB müssen öffentliche Interessen wahrnehmen, sagte der Verkehrssprecher der FPÖ. Er sehe Freiräume dort, wo Geisterzüge unterwegs seien. Aber: "30 Nebenbahnen zu schließen - das wird es nicht geben", schloss Firlinger.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) leitete ihre Ausführungen mit der Klarstellung ein, dass ihre Fraktion sich an dem Streit um den Titel "Schutzmacht der Autofahrer" nicht beteilige. Die Grünen betrachteten sich vielmehr als Schutzmacht für eine gerechte Mobilität. Das bedeute einen vernünftigen und klugen Mix zwischen einem öffentlichen Transportwesen und privaten Kraftfahrzeugen. Darin wissen sich die Grünen in Übereinstimmung mit der EU, die klar ausgedrückt habe, dass die Verkehrsprobleme in den europäischen Zentralräumen nicht nur mit dem Pkw lösbar seien.

Daher lehnen sie die Absicht der Bundesregierung ab, den öffentlichen Verkehr weiter zusammenzustreichen. Mit Tariferhöhungen treffe sie die sozial Schwachen, die noch kein Auto haben oder zu alt sind, um eines zu lenken. Diese Bevölkerungsgruppen müssten mit schwersten Mobilitätseinbussen rechnen, kritisierte Lichtenberger.

"Warum sind Regionalbahnen zu Geisterzügen geworden?" fragte die Abgeordnete und nannte als Antwort das "jahrzehntelange Kaputtsparen". Jede Einstellung einer Nebenbahn bedeute einen Schlag gegen das gesamte Bahnnetz, analysierte die Rednerin weiter und nannte als aktuelles Beispiel die Vielzahl italienischer Fliesenproduzenten, die nach der Einstellung von Nebenbahnen innerhalb kurzer Zeit vom Bahn- auf den Lkw-Transport übergegangen seien.

Als Hauptproblem bei der Finanzierung eines gerechten Verkehrssystems bezeichnete Lichtenberger die Weigerung, ein Road-pricing für den Lkw-Verkehr einzuführen. Sie vermutete den Druck der Frächterlobby als Ursache dafür, dass die Regierung lieber den Pkw als den Lkw höher besteuert, obwohl klar sei, dass der Lkw ganz wesentlich für die mangelnde Kostenwahrheit im Straßenbereich verantwortlich sei. Grundsatz der Grünen sei es dem gegenüber, die Verkehrskosten demjenigen anzulasten, der sie verursache.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) wies Abgeordneten Parnigoni auf die Verantwortung sozialdemokratischer Minister für den unattraktiven Zustand der öffentlichen Verkehrsmittel hin. Auch die von SP-Seite kritisierten ÖBB-Manager seien von SPÖ-Ministern vorgeschlagen worden.

Der Kritik an der Erhöhung des Vignettenpreises hielt Kukacka die Absicht der Sozialdemokraten entgegen, die Mineralölsteuer anzuheben. Dies hätte die Autofahrer wesentlich stärker belastet. Der Verkehrssprecher der Volkspartei plädierte dafür, von ideologischen Wunschvorstellungen weg und zu einer an der Realität orientierten Verkehrspolitik zu gelangen. Das bedeute, Schiene und Straße nicht auseinander zu dividieren, da eine moderne Verkehrspolitik beide und ausserdem den Ausbau der Wasserwege brauche. Die Grünen sollten ihre Behauptung überdenken, die Straße sei gegenüber der Schiene bevorzugt. Das Gegenteil sei nämlich der Fall, sagte Kukacka und erinnerte daran, dass seit 1989 mehr, derzeit bereits dreimal so viel,  in die ÖBB-Infrastruktur investiert werde als in die Straßen. Da die Straßen immer weniger in der Lage seien, den wachsenden Verkehr aufzunehmen, bekannte sich Kukacka nachdrücklich zu einem raschen Lückenschluss und zum Autobahnausbau, insbesondere auch in die nördlichen und östlichen Reformstaaten. Der VP-Verkehrssprecher unterstrich die Notwendigkeit von Prioritätensetzungen und begrüsste einmal mehr, das die Kompetenzen für Schiene und Straße nunmehr in ein Ministerium zusammengeführten wurden - dies sei die Voraussetzung für die Ausarbeitung eines verkehrsträgerübergreifenden österreichischen Bundesverkehrswegeplans.

Abgeordneter EDER (S) wies auf die Notwendigkeit langfristiger Planung für Infrastrukturinvestitionen hin, dies insbesondere im Hinblick auf den kommenden EU-Beitritt der östlichen Nachbarländer, und forderte eine klare Haltung des Ministers zu Großprojekten wie dem Semmering-Basistunnel. Der Redner beklagte Kürzungen beim Straßenbudget als vor allem für die Ballungsräume schmerzhaft und drängte auf einen raschen Bau der Südumfahrung und der Nordostumfahrung von Wien.

Bundesminister Dipl.Ing. SCHMID nannte den viergleisigen Ausbau der Westbahn als vorrangig und meinte, erst danach sei der Lainzer-Tunnel sinnvoll. Priorität räumte Schmid aber auch dem Ausbau der Südbahn durch den Semmering ein. In diesem Zusammenhang übte er Kritik an Landeshauptmann Pröll, den er als "Pfropfen, der im Semmering steckt", bezeichnete.

Wichtig war es für den Minister weiters, Schiene und Straße in Richtung der östlichen Nachbarländer auszubauen. Der Zeitpunkt des EU-Beitritts dieser Staaten könne nur verkürzt werden, wenn man schon vorweg im Infrastrukturbereich Schiene und Strasse zur Verfügung stellt, sagte er.

Zum gemeinwirtschaftlichen Bereich auf der Schiene stehe er, betonte Schmid. Die Aufrechterhaltung jeder Nebenbahn sei aber nicht sinnvoll. Die Einstellung der Nebenbahnen, wie dies von den ÖBB angekündigt wurde, decke sich jedoch nicht mit seinen Vorstellungen, gab der Minister zu bedenken.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) sah in einer tatsächlichen Berichtigung keinerlei Priorität des Ministers für die Südbahn und erinnerte daran, dass es Schmid war, der den Bau des Semmering-Tunnels gestoppt hatte.

Diese Darstellung wies Bundesminister SCHMID scharf zurück. Er habe lediglich festgestellt, dass für den Semmering-Tunnel keine durchgehende Genehmigung vorlag.

Abgeordneter Dipl.Ing. SCHÖGGL (F) begrüsste es, dass es trotz der Einsparungen gelungen sei, die Forschungsfonds als Förderungsinstrumente auch heuer wieder unvermindert hoch zu dotieren. Von Kürzungen der Forschungsmittel könne keine Rede sein, betonte er in Anspielung auf diesbezügliche Kritik der SPÖ.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) forderte ökonomische, ökologische und soziale "Leitplanken" für die Verkehrspolitik, die auf dem Prinzip der Kostenwahrheit aufbauen. Der Weg des Mautsystems sei nur halbherzig, kritisierte sie. Jeder gefahrene Kilometer müsste vielmehr nach seinen tatsächlichen Kosten bewertet werden. Moser plädierte in diesem Sinn für eine fahrleistungsbezogene Kilometerabgabe in Kombination mit einem Ökobonus.

Abgeordneter ELLMAUER (V) trat für eine neue Gewichtung bei der Infrastruktur ein und meinte, mehr Mittel sollten für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. Die einzige Möglichkeit, die Finanzierung der Straßenbauvorhaben langfristig zu sichern, lag für ihn in einem funktionierenden Roadpricing-System.

Im einzelnen drängte Ellmauer auf den sechsspurigen Ausbau der Westautobahn und auf einen durchgehenden vierspurigen Ausbau der B 125 nach Tschechien. Aus der Sicht des Fremdenverkehrs maß Ellmauer aber auch der Realisierung von Ortsumfahrungen grösste Priorität zu. Er forderte in diesem Zusammenhang mit Nachdruck den raschen Bau der Umfahrung Traunkirchen.

Abgeordneter EDLER (S) schnitt das Problem der Nebenbahnen an, sprach davon, dass die Menschen, vor allem die Eisenbahner, verunsichert sind, ob diese verkehrspolitische Grundversorgung aufrecht erhalten bleibt oder nicht. Zudem plädierte der Abgeordnete für den Ausbau der West-, Nord- und Südbahn, würde doch anderenfalls der Volkswirtschaft ein Schaden von 100 Mrd. S entstehen.

Abgeordneter WATTAUL (F) begrüßte die Zusammenlegung von Schienen- und Straßenagenden in einem Ressort und wies darauf hin, dass die neue Regierung in 100 Tagen die Versäumnisse von "30 Jahren sozialistischer Misswirtschaft" ohne Geld nicht lösen kann. "Den Scherbenhaufen werden wir zusammenräumen", zeigte er sich überzeugt.

In einer tatsächlichen Berichtigung gab G-Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER bekannt, sie habe nicht - wie vom Vorredner behauptet - von Mülltransporten in den Osten, sondern von Mülltransporten von Deutschland nach Italien gesprochen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) kam auf die Forschungsförderung und auf deren Kompetenzzersplitterung zu sprechen. Die fehlende Bündelung der Zuständigkeiten führt seiner Ansicht nach zu einem Reibungsverlust und zu Überschneidungen von Verantwortlichkeiten, auch der umstrittene Rat für Forschung und Technologie könne dies nicht kompensieren. Seine Kritik bezieht sich auf die Tatsache, dass nur 2 bis 3 % der Forschungsförderung der Universitäten aus dem nicht öffentlichen Bereich kommen, und auf die bestehende Technologielücke. Seiner Meinung nach ist Budgetkonsolidierung nicht über Ausstiegsstrategien und Selbstbehalte zu schaffen, sondern über Forschungsinvestitionen und Nachwuchsförderung.

Abgeordneter FINK (V) warf den Sozialdemokraten vor, hinsichtlich des Semmering-Basistunnels und des Wienerwald Tunnels in den letzten Jahren nur Polemik von sich gegeben zu haben. 1989 hätte man den Bau dieser Tunnel durchaus in Angriff nehmen können. Durch die Versäumnisse der SPÖ und durch die Unfähigkeit der Verantwortlichen im Verkehrsministerium wurde eine Modernisierung der Bahn verhindert. Spitzengewerkschafter hätten nämlich den Arbeitern immer wieder eingeredet, es sei keine Änderung notwendig.

In einer tatsächlichen Berichtigung gab S-Abgeordneter Dr. KRÄUTER bekannt, dass der steirische Verkehrslandesrat Ressl am 16. März ein Gespräch mit Minister Schmid geführt habe.

Mit einem Aspekt der Verkehrspolitik, nämlich der Verkehrssicherheit, setzte sich S-Abgeordnete BINDER auseinander. Sie sprach u.a. die Risken im Straßenverkehr, vor allem durch Alkohol, an und wies darauf hin, dass sich bei einem Wert von 0,5 Promille die Unfallgefahr verdoppelt, bei 0,8 Promille vervierfacht und bei 1,2 Promille verzwölffacht. Als Maßnahmen forderte sie eine Ferienreise-Verordnung, mehr Kontrollen der Lkw-Fahrer, eine Aufklärung der Inlineskater und eine Fahrprüfung von Lenkern leichter Fahrzeuge ein.

Durch die Trennung von Schiene und Straße wurde bisher einer zukunftsweisenden Verkehrspolitik der Weg abgeschnitten, betonte Abgeordnete SCHOETTEL-DELACHER (F). Noch immer gebe es kein gesamtheitliches Verkehrskonzept und die neue Regierung stehe vor einem erdrückenden Schuldenberg, bedauerte sie. Mit der Zusammenlegung von Straße und Schiene in einem Ressort wurde ein erster mutiger Schritt gesetzt und die Grundvoraussetzung für die Erarbeitung eines sinnvollen Logistikkonzepts geschaffen. Hören wir auf, sagte sie, die Straße und die Schiene gegeneinander auszuspielen, konzentrieren wir uns vielmehr auf die Stärke beider Verkehrsträger.

Abgeordneter DIETACHMAYR (S) vermisste angekündigte Reformen im Bereich der Verkehrspolitik, vor allem für Gefahrenguttransporte. Angesichts der katastrophalen Unfallbilanz 1999 müssten zudem die Kontrollen für das Alkohollimit verstärkt werden. Lösungen sind auch für ein Zurückdrängen des Lkw-Verkehrs anzustreben, werden doch Lastkraftwagen immer häufiger zu "fahrenden Lagerhäusern".

Abgeordnete Mag. HAKL (V) begrüßte die Kompetenzzusammenlegung von Schiene und Straße in einer Hand, werde doch damit ein Straße und Schiene umfassender Verkehrswegeplan samt Prioritätensetzung ermöglicht. Ein besonderes Anliegen von ihr war der Ausbau des Unteren Inntales. In diesem Zusammenhang machte sie auf die Proteste der Bevölkerung gegen das überproportional steigende Verkehrsaufkommen aufmerksam. Der Verkehr auf der Autobahn bei Kufstein sei zwischen 1991 und 1998 um 53 % gestiegen, gab sie bekannt. 1,5 Millionen Lkw rollten im vergangenen Jahr über den Brenner, 14,3 % mehr als 1998. In den ersten drei Monaten des heurigen Jahres war ein weiterer Zuwachs um 12 % zu verzeichnen. Die Menschen in Tirol brauchen eine Alternative, forderte sie. Die Verlagerung des Verkehrszuwachses auf die Schiene darf, wie sie sagt, nicht zu einem Schlagwort verkommen.

Abgeordneter REHEIS (S) sprach seiner Vorrednerin ein Kompliment für ihr engagierte Rede aus, der er nichts hinzuzufügen habe. Der SP-Mandatar sprach von einer verkehrspolitischen Ratlosigkeit der Bundesregierung, denn anstatt der vorgesehenen Reduktion bei den Öko-Punkten werden in den nächsten vier Jahren 7,4 Millionen Transit-LKW über Österreichs Straßen donnern, wobei über 70 % über die Brennerroute fahren. Neben der enormen Lärmbelastung für die Anrainer habe auch der Wald darunter zu leiden; bereits über 54 % des Tiroler Baumbestandes weise Schädigungen auf. Verbesserungen sind daher beim Bahnangebot notwendig, insbesondere was die Unterinntaltrasse und den zweigleisigen Lückenschluss im oberen Inntal zwischen Ötztal und St. Anton betrifft.

Abgeordneter HAIGERMOSER (F) erinnerte daran, dass der Transitvertrag, den der damalige Minister Klima ausverhandelt habe, eine Zunahme des Transitverkehrs gebracht habe. Ein prosperierender Wirtschaftsstandort brauche eine positive und innovative Verkehrspolitik, die alle Verkehrsträger miteinschließe, betonte der Redner. Haigermoser setzte sich vor allem für den Ausbau der Westbahn und der Strecke von Schwanenstadt nach Salzburg zu Hochleistungsstrecken ein. Er ersuchte daher den Bundesminister, diese Investitionen - im Interesse der Arbeitsplätze, der Jugend und der Umwelt - prioritär zu behandeln.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter SCHWEMLEIN (S) gegenüber seinem Vorredner klar, dass Abgeordneter Parnigoni niemanden zu einer Abstimmung genötigt habe. Auch Abgeordneter PARNIGONI (S) bezog sich auf eine Aussage von Haigermoser und berichtigte tatsächlich, dass nicht Klima, sondern Streicher den Transit-Vertrag ausverhandelt habe. Unrichtig sei auch, dass dadurch das Verkehrsaufkommen gestiegen sei; vielmehr habe es seitdem eine Reduktion der Stickoxide um 40 % gegeben.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) hielt es angesichts der Belastungen im Verkehrsbereich für blanken Zynismus, wenn Finanzminister Grasser von sozialer Gerechtigkeit spreche. Nicht nur bei den Autofahrern soll die Steuerschraube massiv angezogen werden, auch die Mittel für den öffentlichen Verkehr sollen gekürzt werden: 100 Mill. S weniger für die Verkehrsverbünde, Einsparungen in der Höhe von 80 Mio. S bzw. 20 Mio. S für Länder und Gemeinden und Kürzungen bei der Schieneninfrastruktur. Zudem kritisierte sie, dass 80 % der Nebenbahnen eingestellt und das Road-pricing weiter verschleppt werden soll.

Abgeordneter KURZBAUER (V) strich positiv hervor, dass die gesamten Verkehrsagenden nun in einem Ressort zusammengeführt wurden. Und für den Ausbau des hochrangigen Straßen- und Schienennetzes stehen Minister Schmid auch die außerbudgetären Finanzierungsmittel zur Verfügung. Als niederösterreichischer Abgeordneter zeigte er sich erfreut darüber, dass der Ausbau der viergleisigen Westbahnstrecke St. Pölten-Wien ein prioritäres Anliegen des Bundesministers darstellt. In diesem Zusammenhang bat er den Ressortchef, nochmals die Vor- und Nachteile der Routenführung zu überdenken, da zwei Gemeinden im Tullnerfeld Bedenken angemeldet haben. Ein weiteres Anliegen war ihm die Güterzugumfahrung St. Pölten, wo es derzeit Probleme bei den Grundablösen gibt.

Abgeordnete Mag. PLANK (S) bezeichnete die Verkehrspolitik der neuen Bundesregierung als zutiefst unsozial. Als Gründe dafür nannte sie die massiven Belastungen für die Autofahrer, die Verzögerungen beim Road-pricing, die ebenfalls den "kleinen Mann treffen" und die Einsparungen beim öffentlichen Nahverkehr. Die Menschen werden von der Regierung im Stich gelassen, bemängelte Plank, und überdies sei die Infrastrukturpolitik chaotisch und nicht durchdacht. Dringenden Handlungsbedarf gebe es etwa bei der B 320, denn die Menschen im Ennstal warten sei 25 Jahren auf eine verkehrspolitische Lösung.

Abgeordnete BURKET (F) befasste sich mit der Kritik der Sozialpartner am so genannten "Paket an Grauslichkeiten". Als der "rote Finanzminister" jedoch ein 47 Mrd. S-Belastungspaket vorgelegt hatte, war nur von einer Notwendigkeit die Rede, der sich auch der ÖGB nicht verschließen konnte. Sodann konzentrierte sich Burket in ihrer Wortmeldung auf die Verkehrssituation in Wien, die ihrer Meinung nach ein Armutszeugnis für die Stadtplanung sei und der Realität hinterherhinke. Tausende Wohnungen werden zwar ins Grüngebiet gebaut, aber keine Überlegungen bezüglich der Verkehrsanbindung angestellt. Überdies enden die U-Bahnen gerade dort, wo die neuen Wohngebiete beginnen, kritisierte sie.

Abgeordneter Dr. RADA (S) verstand die Rede von Abgeordneter Burket als Aufforderung, der Stadt Wien wesentlich mehr Finanzmittel zukommen zu lassen, damit diese ihre kommunalen Aufgaben, v.a. die U-Bahn betreffend, besser durchführen könne. Im folgenden beschäftigte er sich mit dem Marchfeldkanal, der, so Rada, ein Jahrhundertprojekt sei. Der Kanal weise von Langenzersdorf bis Hainburg einen unnötigen Bypass aus, da die Anhebung des Grundwassers bis jetzt nicht erreicht werden konnte. Er bezweifelte auch, ob eine Zentralversickerungsstelle ausreichen wird, um dieses Problem zu lösen.

Abgeordneter ZWEYTICK (V) unterstrich, dass die Verkehrsinfrastruktur eine immer größere Bedeutung hinsichtlich der Standort- und Marketingentscheidungen gewinne. Weiters machte er auf die durch die Einführung des dualen Mautsystems und durch die Mautstellenverordnung entstehenden Probleme aufmerksam, wobei insbesondere die Grenzregionen betroffen sein werden. Er begrüße es daher ausdrücklich, dass Minister Schmid angekündigte habe, über Alternativen nachdenken zu wollen.

Nach Abgeordnetem SCHWEMLEIN (S) muss im Mittelpunkt der Verkehrspolitik die Wahrung der Interessen von Menschen und Umweltschutz stehen. Diese Zielsetzung geht ihm bei der derzeitigen Regierung verloren. Als Beispiel dafür nannte der Redner die Kürzung des öffentlichen Personenverkehrs, wodurch vor allem die BürgerInnen in den abgelegenen Regionen am meisten leiden. Das Einstellen wesentlicher Linien und die Reduktion des Fahrplans auf Spitzenzeiten habe einen noch höheren Individualverkehr zur Folge. Schwemlein hält es für unzulässig, alle Überlegungen auf betriebswirtschaftliche Ergebnisse zu reduzieren, denn Verkehrspolitik der Zukunft heiße, jene Verkehrsträger zu fördern, die menschen- und umweltfreundlich sind. 

Ing. WEINMEIER (F) wies der Verkehrspolitik einen wichtigen Stellenwert im Hinblick auf Gesundheit und Umwelt zu. Er kritisierte die falsche EU-Verkehrspolitik und die falsche EU-Verkehrsphilosophie. Solange es keine Kostenwahrheit im Verkehr gebe, müsse man die Freiheit des Warenverkehrs überdenken, so der Mandatar. Der Abgeordnete schlug die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete vor, zu der auch die österreichischen EU-Abgeordneten eingeladen werden sollten. Abschließend sprach er sich für einen Weiterbestand der Mariazellerbahn wegen ihrer enormen kulturellen, touristischen und identitätsstiftenden Bedeutung für diese Region aus. Die derzeitige Lage sei durch eine unprofessionelle Betriebsführung herbei geführt worden.

Abgeordneter HEINZL (S) warf dem Minister Realitätsverweigerung vor, da sich dieser, seiner Meinung nach, nicht zum Ausbau der Schiene bekennt. Der Abgeordnete setzte sich insbesondere für den Lainzer Tunnel und die Güterumfahrung von St. Pölten ein und meinte, dass es dazu abgeschlossene Verträge gebe. Es werde Sache des Parlaments sein zu prüfen, inwieweit Gesetze verletzt und welche Verträge gebrochen worden seien. Zu untersuchen wären auch Haftungsfragen bis hin zur Einleitung eines Amtshaftungsverfahrens.

Abgeordnete Mag. PECHER (V) beklagte die außerordentlich schlechten statistischen Ergebnisse für Forschung und Entwicklung in Österreich, zumal F & E-Investitionen Vorsprung für die Wirtschaft und damit Beschäftigung schaffen. In Österreich fehle es an Innovations- und Technologiefreundlichkeit und an Akademikern, die bereit seien, Risiko und Verantwortung im Betrieb zu übernehmen. Einen Anteil an dieser Lage habe auch die bisherige Budgetpolitik, denn um Reformen setzen zu können, brauche man budgetäre Spielräume.  Sie begrüßte daher die Absicht der Regierung, den Anteil von F & E-Ausgaben auf 2,5 Prozent des BIP anheben zu wollen und eine bessere Koordinierung der Fonds anzustreben.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) stellte an Bundesminister Schmid die rhetorische Frage nach der Forcierung des Ausbaus der Südbahn, des Koralmtunnels und der Beschleunigung der Schiene im Süden von Graz. Er kritisierte unter Zitierung von Verfassungsrechtler Mayer die Politik in Niederösterreich, die hinsichtlich des Semmering-Basis-Tunnels fortlaufend rechtswidrige Gesetze beschließt bzw. Bescheide erlässt. Schließlich warf er dem Bundesminister vor, der Verkehrspolitik einen Trümmerhaufen zu bescheren und sich einer unappetitlichen Ausdrucksweise etwa dem steirischen Landesrat Payrl und einem ÖAAB-Funktionär gegenüber zu bedienen.

Gegen diesen Vorwurf verwahrte sich Bundesminister SCHMID mit aller Entschiedenheit. Dr. Kräuter habe Schlüsse aus willkürlich zusammengesetzten Äußerungen gezogen.

Schmid ging dann auf die Budgetpolitik ein und betonte, dass aufgrund der derzeitigen Lage nur die wichtigsten Ziele vorgezogen werden könnten. Er gebe den Abgeordneten in vielen Punkten recht. Es wäre vieles zu tun, aber die Schulden schränkten den Handlungsspielraum ein und er sei nicht bereit, Zusagen zu machen, von denen er wisse, dass für deren Aufwand keine budgetäre Bedeckung vorhanden ist.

Anhand eines Zitates aus der "Neuen Zeit" wollte Abgeordnete SILHAVY (S) in einer tatsächlichen Berichtung beweisen, dass Minister Schmid zu einem ÖAAB-Funktionär tatsächlich "Hornochse" gesagt hat.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) hielt dem entgegen, dass seine Vorrednerin aus einer Parteizeitung zitiert habe. Er wandte sich daraufhin dem Forschungsbudget zu und zeigte sich darüber enttäuscht, dass Wissenschafter unwissenschaftlich und parteipolitisch agieren und sich sogar Gremien, wie die Bundeskonferenz, die Vertretung der Professoren, instrumentalisieren lassen. Graf versuchte die Angriffe anhand der Dotierung des Forschungsbudgets zu widerlegen und strich hervor, dass der Forschung heuer mehr Geld zur Verfügung gestellt werde. Die Forschung habe dann Zukunft, so Graf, wenn sich die Politik heraus hält und er sei zuversichtlich, dass der Rat für Forschung und Technologieentwicklung dieses Ziel umsetzen werde.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) meinte, dass es niemanden geben werde, der sich nicht zu den Zielen im Bereich Forschung und Entwicklung bekennt. Allein die Fakten sprächen gegen die im Regierungsprogramm festgehaltenen Absichten, so der Redner. Die Tatsache, dass zu diesem Thema heute vier Minister auf der Regierungsbank sitzen müssten, zeige, dass die bessere Koordinierung der Forschungspolitik nicht gelungen sei. Er habe auch die notwendigen zusätzlichen 5,6 Mrd. S für eine Erhöhung des F & E-Anteils am BIP auf 2 Prozent im Budgetvoranschlag vergeblich gesucht. Er frage sich auch, wo denn der Beitrag der Wirtschaft sei, um gleichzeitig festzustellen, dass der Anteil der Wirtschaft an der Forschungsförderung zu gering sei. Verzetnitsch konstatierte, dass es hier einen enormen Unterschied zwischen Sein und Schein gebe. Innovationspolitik brauche seiner Ansicht nach auch gesellschaftliche Akzeptanz und die Folgenabschätzung als gleichwertige Ziele.

Abgeordneter GAUGG (F) fragt sich, warum die Regierung vor der Situation stehe, zu wenig Geld für den Verkehr zu haben. Gebe es die Schulden nicht, wären Sparmaßnahmen nicht notwendig, betonte er. Gaugg ist aber überzeugt davon, dass der Infrastrukturminister die entscheidenden Prioritäten setzen wird. Zur ÖBB merkte er an, es gebe hier neun freigestellte Gewerkschaftsfunktionäre, "die keine Minute für das Unternehmen arbeiten. "Wichtig ist ihnen das eigene Gerstl". Das koste aber auf Dauer 10 Mill. S jährlich.

Abgeordneter GRADWOHL (S) konstatierte, Gaugg habe mit seiner Aussage, wer sonst nirgendwo unterkomme, gehe zur ÖBB, "sein wahres Gesicht gezeigt". "Das ist Ihre Art der Arbeitnehmervertretung. Danke, Herr Gaugg." In Bezug auf das Technologiebudget erklärte der Abgeordnete, Forschung und Entwicklung würden nicht besonders angekurbelt. Zudem sind es seiner Ansicht nach gerade die von der geplanten Privatisierung betroffenen restlichen Staatsbetriebe, die Geld in hohem Ausmaß für Forschung und Entwicklung ausgeben.

Infrastrukturminister DI SCHMID bekräftigte, dass es unter seiner Amtsführung im Bereich Forschung zu Verbesserungen gekommen sei. "Wir haben mehr Mittel im Ressort." Als "bösartige Unterstellung der Sonderklasse" wertete Schmid die Behauptung, er plane, den Mindestrentnern die Telefongebühren-Befreiung zu entziehen. Die Vergünstigung soll ihm zufolge vielmehr auf Mobiltelefone ausgeweitet werden. Der Minister warf der SPÖ in diesem Zusammenhang vor, "mit der Angst der Ärmsten" zu spielen.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) glaubt, dass die österreichische Forschungsquote deshalb unter dem europäischen Durchschnitt liegt, weil die Unternehmen sehr stark rohstofforientiert sind. Dem gegenüber hält er die öffentliche Forschung für durchaus konkurrenzfähig. Negativ beurteilte Gartlehner, dass es zu keiner Zusammenführung der Kompetenzen im Bereich Technologie und Innovation gekommen ist. Seiner Auffassung nach gibt es für den Minister aber trotzdem Chancen, in den nächsten Jahren innovative Ansätze einzubringen und den eingeschlagenen Weg in der Technologiepolitik fortzusetzen.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) kritisierte in einer zweiten Wortmeldung, dass ein Budgetposten im Verkehrs- und Technologiebereich "massiv unterdotiert " sei. Sie ist davon überzeugt, dass aus der Versteigerung der UMTS-Frequenz ein zweistelliger Milliardenbetrag lukriert werden kann. Moser ist es ein wichtiges Anliegen, dieses Geld sinnvoll zu verwenden, wobei sie neben einer Verdoppelung der Technologiemilliarde eine "Demokratie-Milliarde" für Sozialvereine und NGOs fordert.

Auch Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) meldete sich ein zweites Mal zu Wort. Er erinnerte an eine Wette mit seiner Vorrednerin, bei der er behauptet habe, dass Mosers Fraktionskollegin Petrovic 30 S bis 35 S für einen Liter Benzin verlangt hätte. Kukacka vertritt die Meinung, er habe die Wette gewonnen, wäre man nämlich in Medien zitierten Forderungen von Petrovic gefolgt, "hätten wir heuer locker einen Benzinpreis von 30 bis 35 S".

Das Budgetkapitel Verkehr, Innovation und Technologie wurde mit FP-VP-Mehrheit angenommen. Der SP-Entschließungsantrag betreffend Erhaltung der Nebenbahnen wurde lediglich von der SPÖ und den Grünen unterstützt und blieb damit in der Minderheit.

BERATUNGSGRUPPE V: JUSTIZ

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) erklärte, die SPÖ müsse angesichts der gestrigen Vorfälle die Justizdebatte anders führen, als sie ursprünglich beabsichtigt habe. Er habe, betonte Jarolim, eigentlich Worte des Dankes an Justizminister Böhmdorfer anbringen wollen, weil es diesem gelungen sei, vieles von dem, was die Regierung im Justizbereich geplant habe, bis dato zu verhindern. So habe Böhmdorfer dazu beigetragen, dass die Diskussion über die Diversion, laut Jarolim einer der entscheidendsten Fortschritte im Justizbereich in den letzten Jahren, wieder in einen sachlichen Rahmen gebracht worden sei. Auch die "missbräuchliche" Diskussion zum Thema "lebenslang muss lebenslang bleiben" habe Böhmdorfer wieder in die Schranken gewiesen.

Gestern hätte Justizminister Böhmdorfer bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Ex-FPÖ-Chef Haider dem Justizsprecher der SPÖ zufolge aber "mir persönlich Unbegreifliches von sich gegeben". Die Forderung Haiders, Mandatare strafrechtlich für unliebsame Aussagen belangbar zu machen, erinnert Jarolim an das "Dritte Reich". Für den Justizminister handle es sich dabei aber offenbar um ein diskussionswürdiges Thema. Jarolim will einer Erklärung Böhmdorfers, bei der sich dieser in aller Form vom Anliegen Haiders distanziert.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) wies auf einen einstimmigen Beschluss der Kärntner Landesregierung hin, der einen gemeinsamen Aktionsplan zur Aufhebung der Sanktionen der 14 EU-Staaten gegen Österreich umfasst. Dort habe man im Gegensatz zum Parlament einen Schulterschluss herstellen können, zeigte er sich erfreut.

Zum Justizkapitel sagte Ofner, die Justiz arbeite in Österreich gut, und das schon seit vielen Jahren. Sie werde auch vom Bürger angenommen. Auch die Verfahrensdauer betrage in Österreich nur einen Bruchteil dessen, was man von anderen Ländern gewohnt sei. Ofner warnte vor einer Beschleunigung der Verfahren zu Lasten von Einzelfallgerechtigkeit.  Der Bürger wolle schon, dass etwas rascher gehe, argumentierte er, in erster Linie möchte er aber gerechte, akzeptable Entscheidungen.

Deutlicher als bisher will der Justizsprecher der FPÖ das Instrument der fachmännischen Laienrichter eingesetzt wissen. Ihm zufolge gibt es bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit damit gute Erfahrungen, ein Einsatz bei Wirtschaftsdelikten im Strafverfahren sollte überlegt werden. Was die Diversion betrifft, plädiert Ofner dafür, die Enquete abzuwarten, bei der es auch um die Ausgewogenheit der strafrechtlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten gehe.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) übte scharfe Kritik an den gestrigen Aussagen von Ex-FPÖ-Chef Haider und Justizminister Böhmdorfer. Er gab zu bedenken, dass es hier nicht um strafrechtliche Verfehlungen von Abgeordneten gehe, für die es, wie der Fall Rosenstingl gezeigt habe, klare Verfahren gebe, vielmehr wolle der Kärntner Landeshauptmann Sanktionen, wenn ein Mandatar das Treuegelöbnis verletze und damit gegen die Interessen des Staates verstoße. "Das ist eine eindeutige politische Motivation", unterstrich Van der Bellen. Seiner Auffassung nach ist ein Justizminister, der einen solchen Vorschlag als verfolgenswert qualifiziere und nicht auf den ersten Blick erkenne, dass das die Denkweise eines totalitären Regimes sei, ungeeignet.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) meinte, jede/r MandatarIn müsse sich gefallen lassen, dass hinterfragt wird, ob von ihm die Gesetze eingehalten werden. Jede/r MandatarIn dürfe aber das Recht der freien Meinungsäußerung, der Gewissensfreiheit und der Freiheit, für politische Interessen einzutreten, für sich in Anspruch nehmen. Wer das hohe Gut der freien Meinungsäußerung einfordert, der darf keinesfalls mit zweierlei Maß messen: Äußerungen von politisch Andersdenkenden auf die Goldwaage legen, bei politisch Gleichgesinnten sie aber weglassen, sagte Fekter.

Beim Kapitel Justiz verwies die Justizsprecherin darauf, dass sich der Sachaufwand im Verhältnis zum Personalaufwand verringert habe, und begründete dies damit, dass aus budgetären Gründen die sonstigen Ausstattungen gekürzt wurden und der Konsumentenschutz, ein Bereich mit hohem Personalaufwand, in das Justizressort gewandert ist.

Im Hinblick auf die Bezirksgerichtsorganisation forderte Fekter eine ausreichende Information der Bevölkerung ein, ob und wie Bezirksgerichte - ausgenommen jene in den Bezirkshauptstädten - zusammengelegt werden. Gespräche vor Ort seien notwendig, denn "der ländliche Raum darf nicht zu Gunsten des Zentralismus ausgetrocknet werden".

Abgeordneter PENDL (S) befasste sich mit dem Strafvollzug und traf vorerst die Feststellung, dass der Dienst im Strafvollzug für alle Bediensteten, von der Justizwache über die Sozialarbeiter, die Verwaltung bis hin zum Sonderdienst, im Interesse der ÖsterreicherInnen und der inneren Sicherheit von enormer Bedeutung ist. Er wies darauf hin, dass immer größere Belastungen auf die Beamten des Strafvollzuges zukommen. Ganz allgemein strich er heraus, dass das Budget "keine Sparziele, sondern nur Belastungsziele" enthalte und ein "Paket der Ungerechtigkeiten" sei.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) beschäftigte sich vornehmlich mit der Diversion, lehnte diese zwar nicht zur Gänze ab, habe sie doch Vorteile im Bereich der Kleinkriminalität. Im Prinzip sollen all jene Delikte diversionsfähig sein, die mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren bedroht sind. Herausgenommen gehören seiner Meinung nach Sexual- und Suchtgiftdelikte.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) bedankte sich vorerst bei der Beamtenschaft des Justizressorts, die sich auch im Umgang mit der Opposition als fair und höchst kompetent darstellte. Gegenüber Böhmdorfer zeigte sie sich "fassungslos" darüber, dass der Justizminister gestern den Vorschlag, ein Sonderstrafrecht für Abgeordnete und Funktionsträger einzuführen, für "verfolgenswert" und zustimmungswürdig hält. Aus diesem Grunde brachten die Grünen einen Misstrauensantrag gegen den Justizminister, den "obersten Hüter des Rechtsstaates", ein, habe es doch bisher "noch nie so einen gravierenden Anschlag auf die Demokratie" gegeben wie jetzt. Zu all dem komme die "lapidare" Feststellung des blau-schwarzen Kanzlers, es handle sich um ein "beginnendes Sommerthema". Enttäuscht zeigte sie sich über diese Aussage nicht, denn das sei ihrer Ansicht nach die Art und Weise, wie Schüssel mit Ideen, die von der FPÖ kommen, umgehe: entweder Kritik totschweigen oder banalisieren.

Justizminister Dr. BÖHMDORFER erinnerte im Zusammenhang mit der Haider-Pressekonferenz an seine Erklärung, "er sei weder Förderer noch Bremser, er hätte sich bei jedem anderen Politiker gleich verhalten". In meiner ersten Rede, sagte Böhmdorfer, habe ich ein Bekenntnis zur österreichischen Justiz und zum Rechtsstaat, "wie es klarer nicht sein könnte", abgelegt. Mein Bekenntnis gilt auch für die Unabhängigkeit der Richter. Ich habe nicht die Absicht, am freien Mandat zu rütteln, fuhr der Ressortchef fort. Es gibt in meinem ganzen Leben kein Indiz dafür, dass ich am freien Mandat rütteln wollte oder rütteln werde.

Die Reform des strafrechtlichen Verfahrens schreitet voran, teilte er zu den Gesetzesvorhaben mit. Das Reformprojekt soll mit 31.3.2001 abgeschlossen sein. Das bedeutet, die StPO wird für das nächste Jahrtausend fit gemacht. Mit Hilfe der Wissenschaft kann man seiner Ansicht nach eine Brücke schlagen von der politischen Forderung, lebenslang muss lebenslang bleiben, bis zu einer modernen Legistik. Im Hinblick auf das zivilprozessuale Verfahren gibt es eine Reformkommission. Außerdem machte Böhmdorfer darauf aufmerksam, dass der Konsumentenschutz nun dem Justizministerium unterliegt und man die Bürger über die Gleitzinsklausel informieren wird.

Die große Kommission zur Reform der Zivilprozessordnung wird, so hofft der Minister, ihre Arbeit noch in diesem Jahr abschließen. Zu den historischen Aufgaben eines Justizministers zählte Böhmdorfer schließlich die Beobachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen, um gemeinsam mit den Beamten des Ressorts und den Mitgliedern des Justizausschusses darüber nachzudenken, was justizpolitisch zu geschehen hat. Er wolle nichts anderes als die Abgeordneten auch, nämlich ordentliche Sacharbeit leisten, schloss Dr. Böhmdorfer.

Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) rief dazu auf, sich den Sachthemen des Justizressorts zuzuwenden und sprach zunächst das geplante Wohnrechtsänderungsgesetz 2000 an. Es bringe Verbesserungen für Wohnungswerber und Markt und entlaste gleichzeitig die Justizverwaltung. Die oppositionelle Kritik führte Tancsits auf den irrigen Glauben zurück, man könnte Wohnungspreise "bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma" behördlich regeln. Gerade das Wiener Beispiel zeige, dass die Planwirtschaft auf dem Wohnungssektor zu Schwarzmarkt, Korruption und illegalen Ablösen führe. Demgegenüber gehe die Wohnrechtsreform 2000 den Weg zu transparenten Marktverhältnissen und damit zu einem höheren Wohnungsangebot. Der Redner untermauerte seinen diesbezüglichen Optimismus mit positiven Analysen des Wirtschaftsforschungsinstituts und erwartete insbesondere auch einen erleichterten Zugang von Jungunternehmern und Gewerbetreibenden zu Geschäftslokalen.

Abgeordnete Mag. WURM (S) kritisierte unsachliche Einsparungen im Justizressort, die zur generellen Budgetlinie dieser Bundesregierung mit ihrer Umverteilung von unten nach oben passe. Sparen bei der Justiz sei Sparen am falschen Platz mit hohen Folgekosten durch steigende Kriminalität, sagte Wurm, wobei sie im Einzelnen vor Einsparungen im Maßnahmenvollzug, insbesondere bei der Bereitstellung spezifischer Therapien warnte.

Verschlechterungen ortete die Rednerin auch in der Drogenpolitik, und zwar durch die Einschränkung des Zivildienstes. Das bewährte österreichische Prinzip "Helfen statt Strafen" drohe eingeschränkt oder gar abgelöst zu werden. Die geplante Zulassung des Scheinkaufs von Drogen durch Sicherheitsbeamte dürfe nur unter strengen rechtsstaatlichen Bestimmungen erfolgen, sagte Abgeordnete Wurm, die den Koalitionsparteien vorwarf, durch Maßnahmen gegen Sexualtäter oder Drogendealer politisch punkten zu wollen - eine solche Politik sei abzulehnen.

Bei der Einführung der gemeinsamen Obsorge geschiedener Eltern für die Kinder verlangte die Rednerin eine sensible Vorgangsweise, da es schwierig sei, Regelungen zu finden, die für alle Einzelfälle geeignet seien. Wurm wies auf Fälle hin, in denen ein Elternteil die Last und die Verantwortung für die Erziehung trage, während der andere Obstruktion betreibe und sich unsachlich einmische.

Auf Wurms Kritik an einer Grußbotschaft des Justizministers für einen Burschenschafter-Festkommers in Innsbruck, bei dem der deutsche Rechtsextreme Mechtersheimer gesprochen habe, reagierte Minister Dr. BÖHMDORFER mit dem Hinweis darauf, dass ihm Alfred Mechtersheimer nur als Mitglied der deutschen Friedensbewegung und als Mitbegründer der deutschen Grünen bekannt gewesen sei.

Abgeordneter Mag. MAINONI (F) zeigte Grenzen der Justiz am Beispiel des Salzburger WEB-Skandals auf, der, wie er gerne einräumte, von der Stellvertretenden Vorsitzenden der SPÖ, Gabi Burgstaller, aufgedeckt worden war. Für ihn sei das ein klassischer Fall organisierter Kriminalität im Sinne planmäßig begangener Straftaten unter dem Einfluss von Politik oder Medien, sagte Mainoni und schilderte im Detail die Verstrickung von Salzburger SP-Politikern in diesen Skandal. Er wies auf die tausenden geschädigten Anleger hin und klagte über die mehr als zehnjährige Dauer dieses Verfahrens.

Nicht zur Kenntnis nehmen wollte Abgeordneter Mainoni das Denkverbot, dass die Abgeordneten Jarolim und Van der Bellen über den Vorschlag Jörg Haiders verhängen wollten, das Gelöbnis der Abgeordneten auf die Republik inhaltlich ernster als bisher zu nehmen.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) hielt es für bemerkenswert, was in dieser Debatte alles zu Tage komme. Sie registrierte bei Jörg Haider eine Strategie des Provozierens, verbunden mit dem Anspruch, den Ton anzugeben, wodurch die ÖVP mit ihrer Haltung, alles sehr lustig zu finden, in immer grössere Schwierigkeiten gerate. "Denn für Österreich seien die Botschaften des Dr. Haider schon lange nicht mehr lustig."

Auch die Aussage des Justizministers, Stimmungen in der Gesellschaft beobachten und dann handeln zu wollen, hielt Petrovic für gefährlich und fragte: "Wie weit soll das gehen, etwa bis über die Europäische Menschenrechtskonvention hinaus?"

Petrovic hielt die Interessen des Staates für ausreichend gesetzlich geschützt und listete die diesbezüglichen Gesetzestitel mit strengen Strafsanktionen zum Schutz von Staat, Verfassung, obersten Organen, Bundesheer und der Beziehungen zum Ausland auf. Daher stelle sich die Frage, was der Vorschlag Haiders bedeute. Petrovic befürchtete ein Gesinnungsstrafrecht, das an dunkle Zeiten erinnere. Demgegenüber wies sie darauf hin, dass der Wettbewerb der politischen Parteien mit ihren sehr unterschiedlichen Auffassungen konstitutiv für die Demokratie sei. Sie warnte vor einer Gleichsetzung von Regierung und Staat und vor einer Beschneidung der Oppositionsrechte. Wenn es um demokratische Errungenschaften und um Oppositionsrechte gehe, habe der Justizminister eine besondere Sorgfaltspflicht, und zwar auch bei Pressekonferenzen - Petrovic warf Böhmdorfer eine Grenzverletzung vor, die so nicht hingenommen werden könne.

Abgeordnete STEIBL (V) wollte zur Sacharbeit zurückkehren, die ihre Vorrednerin "mit ihrer polemischen Rede" verlassen habe. Zunächst wies sie einmal mehr darauf hin, dass gespart werden müsse, weil Minister Edlinger dieser Regierung ein grosses Budgetloch mit auf den Weg gegeben habe. Dann ging Steibl auf aktuelle Vorhaben der Justiz ein und bekannte sich zur gemeinsamen Obsorge geschiedener Eltern für ihre Kinder unter Beachtung des Kindeswohls. Dies sei notwendig, weil 34 % der Ehen in Österreich geschieden und jährlich zwischen 18.000 und 20.000 Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen werden. Die gemeinsame Obsorge bewirke eine Verbesserung der Situation und eine Stärkung der Rechte der Kinder. Wo die gemeinsame Obsorge nicht möglich sei, will die Abgeordnete die Mediation, etwa bei der Regelung des Besuchsrechts, stärker einsetzen und die Maßnahmen gegen die Gewalt in der Familie verstärken. Adoptiv- und Pflegeeltern will Steibl im Sinne einer sozialen Elternschaft verstärkte Anerkennung zuteil werden lassen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) kam auf die Wortmeldung des Abgeordneten Mainoni zu sprechen und wies darauf hin, dass der angesprochene Wohnbauskandal von der Arbeiterkammer Salzburg aufgedeckt wurde. Die AK habe über 20.000 Geschädigte betreut, mehrere Prozesse geführt und einige davon beim OGH bereits gewonnen. Sodann rief er in Erinnerung, dass es der Parteianwalt der FPÖ, der nunmehrige Minister Böhmdorfer, war, der den absurden Demokratievertrag der Freiheitlichen mitverfasst habe. Angesichts der gestrigen Pressekonferenz mit Jörg Haider und der Vorschläge im Bereich des Konsumentenschutzes frage er sich, für welche Justizpolitik Böhmdorfer stehe.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) unterstrich, dass trotz der erforderlichen budgetären Sparmaßnahmen eine Prozessbegleitung von minderjährigen Opfern von Gewaltdelikten gewährleistet werden soll. Ein weiteres wichtiges Anliegen war ihr der Zeugenschutz, betonte sie, und schlug vor, die Verlesung von Vernehmungsprotokollen in den Verhandlungen zu ermöglichen. Um Einsparpotentiale im Justizbereich zu nützen, sollten u. a. eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse beim Verkauf des "Familiensilbers" durchgeführt, die Teilprivatisierung des Strafvollzuges überlegt und "mehrere Gerichte gebündelt" werden.

Für Abgeordnete Dr. MOSER (G) war Minister Böhmdorfer zum Zeitpunkt seiner Amtsantritts ein politisch relativ unbeschriebenes Blatt. Seit gestern sei ihr jedoch klar geworden, dass er einen innenpolitischen Kurs verfolge, der jenseits der bisherigen Tradition seines Ressorts liege und in die dunkle Vergangenheit zurückführe. Bedauerlich sei auch, dass Böhmdorfer keinerlei Aussagen bezüglich der zukünftigen Konsumentenschutzpolitik getätigt habe. Überdies forderte Moser ihn auf, in der Wohnrechtspolitik Farbe zu bekennen.

Ziel und Aufgabe der Justizpolitik müsse es sein, seriös und glaubwürdig zu agieren, erklärte Abgeordneter GAHR (V). Dennoch müsse es möglich sein, Effizienz und Praxistauglichkeit des Justizsystems zu hinterfragen. Im besonderen machte Gahr auf den personellen Notstand im Strafvollzug und bei den Richtern aufmerksam. Als vorrangige Ziele der Bundesregierung nannte Gahr die Ausarbeitung eines Objektivierungsgesetzes für den Bundesdienst, die Einführung der Briefwahl für Bundes-, Landes und Gemeindewahlen, die Reform der Sozialpartnerschaft sowie die Stärkung der Rechte der Volksanwaltschaft.

Abgeordnete HUBER (S) fragte sich, wohin sich die Justizpolitik entwickle, wenn ernsthaft der Vorschlag gemacht werde, Kritiker durch Strafmaßnahmen mundtot zu machen. Sorgen bereite ihr auch, dass die Diversion, das größte justizpolitische Reformprojekt der letzten 25 Jahre, "zurückgestutzt" werden soll.

Abgeordnete HALLER (F) stellte mit Bedauern fest, dass die politische Diffamierung nun auch in der Justizpolitik Platz gegriffen habe. In Österreich dürfe anscheinend nur links gesprochen und links gedacht werden. Für wichtig erachtete sie die Stärkung der Rechte der Kinder bei Scheidungen. Die FPÖ sei beispielsweise immer für die gemeinsame Obsorge, die in einem Kindschaftsrechtsentwurf in Ansätzen in Angriff genommen wurde, eingetreten. Nicht nur in diesem Bereich sei die derzeitige Gesetzeslage unbefriedigend, sondern auch was den Strafrahmen für Missbrauchsdelikte an Kindern anbelangt.

Abgeordneter HEINZL (S) bezeichnete das vorliegende Justizbudget als herbe Enttäuschung. Einsparungen würden am falschen Platz durchgeführt und sachlich ungerechtfertigte Forderungen gestellt, gab Heinzl zu bedenken. Eine Signalgesetzgebung sei gerade im Bereich des Strafrechtes besonders abzulehnen. Er wandte sich gegen die drastische Einschränkung der Diversion und gegen den Vorschlag, die Volksanwaltschaft zum Kontrollorgan der unabhängigen Justiz zu machen.

Auch Abgeordneter ÖLLINGER (G) kam auf die gestrigen Erklärungen von Jörg Haider zu sprechen. Er befürchtete, dass es eigentlich darum gehe, einen Paragraphen einzuführen, der deliktisch dem entspreche, was die Nazis mit Volksverrat gemeint haben. Er hätte sich erwartet, dass Justizminister Böhmdorfer auf den Plan trete und dieser unsäglichen Debatte eine Ende bereite.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) zeigte sich enttäuscht darüber, dass in dieser Debatte die grossen Themen des Justizbereichs nicht angesprochen wurden. Vielmehr sei die Diskussion durch Polemiken seitens der Opposition geprägt gewesen.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) wies die Vorwürfe seiner Vorrednerin zurück und rekapitulierte den Standpunkt seiner Fraktion zu den gestrigen Aussagen des Kärntner Landeshauptmannes. Vom Bundeskanzler erwarte er sich, dass er auf diese Aussagen entsprechend reagiere, erklärte der Redner. Schliesslich gehe es hier um die Glaubwürdigkeit des Landes und um die Einstellung zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Auch Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) widersprach der Darstellung der Abgeordneten Partik-Pable und wiederholte ihre Auffassung, dass es ob der exakten juristischen Regelungen vollkommen unnötig sei, hier neue Gesetze anzudenken. Vor diesem Hintergrund müsse man die Vorschläge des Landeshauptmannes als eine Art Gesinnungsstrafrecht interpretieren, und dies stelle einen verbalen Angriff auf eine der wichtigsten Einrichtungen der Demokratie, nämlich das Wechselspiel von Regierung und Opposition, dar.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) übte Kritik an Aussagen von Oppositionspolitikern, erinnerte an Slogans von Anti-Regierungs-Demonstrationen und stellte dem entgegen, dass die Regierung derweilen ihre Geschäfte zum Wohle des Landes erledige.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) gab den Abgeordneten Partik-Pable und Ofner den Vorwurf der Polemik zurück und meinte, deren Reden hätten nur den Zweck verfolgt, vom eigentlichen Thema dieser Diskussion abzulenken. Gegenstand dieser Debatte seien die Aussagen des Kärntner Landeshauptmannes, die Kostelka scharf zurückwies. Vom Justizminister wollte er wissen, was die Bundesregierung in dieser Angelegenheit vorhabe. Er, Kostelka, erwarte sich jedenfalls ein deutliches Auftreten der Regierung und eine grundsätzliche Aussage darüber, dass die Demokratie in Österreich nicht gefährdet werden dürfe.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) sagte, die Debatte um die gegenständlichen Aussagen erwecke den Eindruck, als stünde Österreich kurz davor, Gesetze nationalsozialistischen Gedankengutes zu beschliessen. Dies sei mitnichten der Fall. Fekter erläuterte den Stand der Dinge aus ihrer Sicht und meinte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei noch überhaupt nichts Konkretes beabsichtigt. Für die ÖVP sei es nicht akzeptabel, dass der Kärntner Landeshauptmann einen neuen Straftatbestand für die in Diskussion stehenden Zusammenhänge einführen wolle. Es gebe für ihre Fraktion keinen Grund zu einer Anlassgesetzgebung und daher keinen Handlungsbedarf.

Die Beratungsgruppe wurde mehrheitlich angenommen, der G-Misstrauensantrag gegen Justizminister Böhmdorfer verfiel der Ablehnung. Die Beratungen zum Budget wurden sodann vertagt, um morgen eine Sitzung zu einem anderen Thema - Ersatzlösung für die entfallende Getränkesteuer - einschieben zu können.

(Schluss)