Parlamentskorrespondenz Nr. 340 vom 10.05.2001

PRESSEFREIHEIT VERSUS PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ

Dringlicher Antrag der Grünen, Misstrauensantrag gegen Böhmdorfer

Wien (PK) - Heftige Vorwürfe der Opposition an die Adresse der Regierung und speziell an Justizminister Dr.      Böhmdorfer prägten die Debatte über einen Dringlichen Antrag der Grünen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, in der Regierungsvorlage zur Reform des Vorverfahrens im Strafprozess Maßnahmen zur Einschränkung der Beschuldigtenrechte und der Pressefreiheit hinanzuhalten sowie eine Regierungsvorlage zu beschließen, in der der Paragraph 301 StGB so geändert wird, dass er nicht mehr zur Bedrohung der Pressefreiheit missbraucht werden kann. Der Dringliche Antrag fand bei der Abstimmung keine Mehrheit. Auch ein gegen den Justizminister eingebrachter Misstrauensantrag blieb in der Minderheit.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) kritisierte zunächst in einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung das Nichterscheinen des Bundeskanzlers als Affront gegenüber dem Parlament und meinte, in dieser Frage hätte sich Schüssel, und nicht Staatssekretär Morak zu verantworten.

Abgeordneter Dr. KHOL (V) verwies auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung, denen zufolge der Staatssekretär zur Vertretung des Bundeskanzlers in dessen gesamten Kompetenzbereich berechtigt ist.

Abgeordneter Dr. KOSTELKA (S) konnte sich dieser Meinung nicht anschließen. Der Antrag richte sich an den Bundeskanzler als Vorsitzenden der Bundesregierung, eine Vertretung durch den Staatssekretär sei daher nicht zulässig, argumentierte er.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) hielt hingegen die Vorgangsweise als durch die Geschäftsordnung gedeckt und sah keinen Anlass für eine von den Grünen geforderte Sitzungsunterbrechung.

Nationalratspräsident Dr. FISCHER erinnerte an eine Stellungnahme der Präsidialkonferenz, in der zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Staatssekretär zur Vertretung genehmigt ist. Fischer betonte, dass in diesem Fall kein Unterschied zwischen einem Dringlichen Antrag und einer Dringlichen Anfrage bestehe.

Ein Antrag der Grünen auf Anwesenheit des Bundeskanzlers fand daraufhin in einer Abstimmung keine Mehrheit.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) warf den Regierungsparteien massive Versuche der Einschüchterung und Kriminalisierung von Medienvertretern und Abgeordneten der Opposition vor. Die Rechte auf freie Berichterstattung, freie Meinung und Meinungsäußerung, die Rechte der Opposition, ihre Kontrollaufgaben wahrzunehmen, und die Rechte der Journalisten, selbständig zu recherchieren und darüber zu berichten, seien in Österreich heute keine Selbstverständlichkeiten mehr, stellte Van der Bellen fest. Empört zeigte sich der Redner dabei über den Umstand, dass nun gegen die Aufdecker des FP-Spitzelskandals ein Strafverfahren eingeleitet werde. Vor diesem Hintergrund übte Van der Bellen heftige Kritik an den Plänen Böhmdorfers, das Zitieren aus Akten des gerichtlichen Vorverfahrens unter Strafe zu stellen. Unter normalen Umständen könnte man über diesen Vorschlag diskutieren, schränkte der Redner ein, meinte jedoch, normale Umstände gebe es seit Justizminister Böhmdorfer nicht mehr. Das angestrebte Strafverfahren gegen die Journalisten sei menschenrechts- und verfassungswidrig und werde spätestens in Strassburg zu einem unrühmlichen Ende kommen, betonte Van der Bellen.

In einem Dringlichen Antrag forderte er die Regierung auf, den § 56 StPO-Entwurf und den § 301 des geltenden Strafgesetzes so zu verändern, dass eine missbräuchliche Verwendung gegen die Freiheit auf Meinungsäußerung und gegen den liberalen Rechtsstaat ausgeschlossen ist.

Staatssekretär MORAK stellte klar, die freie Meinungsäußerung genieße in Österreich besonderen verfassungsrechtlichen Schutz und entspreche seit Jahrzehnten der gelebten demokratischen Praxis. Die Vorwürfe des Dringlichen Antrages der Einschüchterung von Opposition und des Versuchs der Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit wies Morak als Unterstellungen zurück.

Bei dem Entwurf des § 56 StPO gehe es einzig und allein um den Schutz der Interessen Dritter in einem anhängigen Gerichtsverfahren. Morak versicherte jedoch, dass der Schutz der Privatsphäre des einzelnen niemals zu einer auch nur ansatzweisen Einschränkung der Pressefreiheit führen werde. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass die geplante Novelle auf Vorarbeiten des ehemaligen Justizministers Michalek zurückgeht und eine vernünftige Balance zwischen Persönlichkeitsschutz und Medienberichterstattung anstrebe. 

Abgeordneter Dr. PILZ (G) kritisierte Böhmdorfers Pläne als Anschlag auf die Meinungs- und Pressefreiheit und nannte den Justizminister einen "Rückfallstäter". Böhmdorfer sei nicht bereit, auf den Boden der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten zurückzukehren, er sei auch nicht in der Lage, anders denn als Vertrauensanwalt der FPÖ zu agieren. Aus diesem Grund forderte Pilz den Rücktritt des Ministers und brachte einen Misstrauensantrag gegen ihn ein – den siebten seit Amtsantritt Böhmdorfers.

Konkret warf Pilz dem Minister vor, den jahrelang wegen Bedenken gegen die Menschenrechte nicht judizierten § 301 StGB nun als Instrument der Unterdrückung und Einschüchterung zu missbrauchen. Nachdem die Verfahren gegen die Freiheitlichen niedergeschlagen wurden, habe Böhmdorfer keine Minute gezögert, Strafverfahren gegen die Vertreter freier Medien in Gang zu setzen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) betrachtete die geplante Gesetzesänderung als vom Geiste Metternichs getragen und sprach wie Pilz von einem Versuch der Einschüchterung von Journalisten. Die SPÖ werde jedenfalls alles tun, um den Rechtsstaat zu verteidigen und Angriffe auf die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung zu parieren, kündigte Cap an.

Abgeordneter Dr. OFNER (F) äußerte den Eindruck, die Kritiker der Regierung, aber auch die Verfasser des Weisenberichts, würden Fehlinformationen unterliegen. Die Meinungsfreiheit sei in Österreich nicht im geringsten gefährdet. Ofner erinnerte zudem daran, dass 1998 Justizminister Michalek eine entsprechende Vorlage präsentiert hatte, die wortgleich war mit dem derzeitigen Entwurf Böhmdorfers. Der nunmehrige Vorstoß sei also nichts Neues, er diene dem Schutz von Interessen Dritter und verfolge auch kriminaltaktische Zwecke. Der geplante Paragraph richte sich, wie Ofner mit Nachdruck betonte, nicht gegen Journalisten, sondern gegen Beschuldigte, die Vertraulichkeitspflichten verletzen könnten.

Abgeordnete Mag. Dr. FEKTER (V) betonte, dass ein Rechtsstaat sowohl Datenschutz als auch unabhängiges, faires Verfahren sowie Pressefreiheit in gleichem Ausmaß zu schützen habe. Bei den Stellungnahmen der Opposition vermisse sie jedoch das Eintreten für Personenschutz und die Ablehnung von Vorverurteilung. Medienjustiz und rechtsstaatliche Justiz seien aber klar zu unterscheiden. Die in Diskussion stehende Bestimmung gelte insbesondere dem Opferschutz, stellte Fekter in Richtung Opposition fest und kritisierte vor allem die Forderung der Grünen, § 301 StGB abzuschaffen. Auch in Deutschland gebe es eine zur geplanten Regelung analoge Bestimmung, weshalb das Vorhaben der Regierung in diesem Punkt international vergleichbar sei. Es werde, so die V-Justizsprecherin, keine Haftstrafen für Journalisten geben, denn schließlich gebe es das Redaktionsgeheimnis. Es gehöre auch zur Kultur der Strafjustiz, dass bei derartigen Strafandrohungen nur Geldstrafen verhängt würden. Diese Bundesregierung versuche, eine Balance der Rechtsgüter herzustellen und alle Rechtsgüter zu schützen, bekräftigte Fekter .

An diese Rede schlossen sich tatsächliche Berichtigungen von den Abgeordneten Dr. KHOL (V) und Dr. CAP (S) an. Abgeordneter Dr. PILZ (G) stellte klar, dass die Grünen nicht die Abschaffung, sondern die Änderung des § 301 StGB fordern.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) zitierte Aussagen von Dr. Fekter im Falter, wonach Kleindienst in Zukunft strafbar sein werde. Deutlicher könne man nicht sagen, was die Regierung vorhabe, folgerte Stoisits. Der V-Justizsprecherin gehe es offensichtlich um das "ordnungsgemäße Berichten" und damit um die "Freiheit, die ich meine", wobei Freiheit nach Jörg Haider definiert werde. Stoisits konzedierte, dass es einen enormen Reformstau im strafprozessualen Vorverfahren gebe. Bedenklich sei jedoch das Klima, in dem nun die Dinge passierten. Im Entwurf von Minister Michalek sei der Verweis auf § 301 StGB nicht enthalten gewesen. In der Zwischenzeit hätten sich die Zeiten geändert, habe sich die Interpretation geändert und der Druck auf die Justiz sei nun größer geworden, so Stoisits. Angesichts des diffizile Abwägens von Spannungsverhältnissen zwischen Grundrechten appelliere sie daher an die Sensibilität der Bundesregierung gegenüber der allumfassenden Besorgnis und Kritik.

Bundesminister Dr. BÖHMDORFER wollte das durchaus spannungsreiche Problem zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit nicht so einseitig sehen wie die Opposition. § 301 StGB stamme aus der Zeit von Bundesminister Broda, skizzierte der Justizminister die Geschichte des diskutierten Paragraphen. Er ging dann weiter auf die Änderungen im Zuge des großen Lauschangriffes ein, womit man die Persönlichkeitsrechte Dritter schützen wollte. Voraussetzung für dieses Formaldelikt sei die Vorsätzlichkeit. Nun würden die Rechte der Opfer, der Geschädigten und der Beschuldigten erweitert. Letztere sollen früher das Recht auf Akteneinsicht erhalten. Der Beschuldigte solle alles wissen, was er für seine Verteidigung verwenden könne, auch wenn er damit in Rechte Dritter eingreift. Er dürfe dieses Wissen jedoch nicht verwenden, wenn er in die Rechte Dritter eingreift, ohne sich selbst durch die Verteidigung zu helfen. Das sei, so Böhmdorfer, reiner Persönlichkeitsschutz. Dabei gehe es vor allem um Wirtschaftsverfahren, um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Freigabe von Treuhandschaften, Konten und Kredite etc.; es gehe beispielsweise auch um Verfahren im Rahmen der organisierten Kriminalität. Böhmdorfer warnte auch vor der Gefahr von Veröffentlichungen von Krankengeschichten oder psychiatrischen Gutachten etc. Wenn ein Journalist derartige Dinge veröffentliche, handle er vorsätzlich, aber kein seriöser Journalist würde das tun.

Abgeordnete BURES (S) hielt fest, dass sich die Opposition die Dinge nicht leicht mache und sehr viel über Persönlichkeitsschutz nachdenke. Der Unterschied zur Regierung sei aber, dass sie keine  strafrechtliche Regelung anstrebe, sondern Änderungen im Medienrecht. Sie habe sich von der ÖVP ein Mindestmaß an demokratiepolitischem Verständnis erwartet, aber diese Vorlage stelle eine demokratiepolitische Gefährdung dar. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Aussage Haiders, Ordnung in den Redaktionsstuben machen zu wollen. Sie kritisierte auch den Bundeskanzler, der es nicht der Mühe wert gefunden habe, selbst zum Dringlichen Antrag Stellung zu nehmen. Justizminister Böhmdorfer habe sich noch nicht von seiner Rolle als Parteianwalt und von seiner ablehnenden Haltung gegenüber JournalistInnen gelöst, weshalb ihm Bures den Rücktritt nahe legte.

Abgeordneter Dr. KRÜGER (F) gab die Schuld für das derzeitige schlechte politische Klima der SPÖ und versuchte dies mit Aussagen von den SozialdemokratInnen nahestehenden Wissenschaftlern zu untermauern. Van der Bellen kritisierte Krüger deshalb, da dieser seiner Meinung nach unter dem Mantel seiner Immunität Staatsanwälte zum Amtsmissbrauch in der Causa Pilz aufgefordert habe. Zur konkreten Debatte bemerkte Krüger, dass man hier eine vernünftige und ausgewogene Abwägung der Rechtsgüter auf freie Meinungsäußerung einerseits und Wahrung der Intimsphäre andererseits versuche. Man müsse eine Balance auch im Sinne der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte finden.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) warf der Opposition polemischen Umgang mit einem außerordentlich sensiblen Thema vor. Die Presseaussendungen von SPÖ und Grünen bezeichnete sie als "überzogen" und als "Panikmache". Die Rednerin ging dann näher auf den Wortlaut des geplanten § 56 StPO ein, der nicht darauf abziele, JournalistInnen zu beschränken, sondern schutzwürdige Interessen von Personen vor Veröffentlichung zu schützen. Entscheiden müssten darüber die Gerichte. Private Interessen unbeteiligter Dritter stellen ihr zufolge eine Grenze für die Pressefreiheit dar. 

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) hielt die Ausführungen des Abgeordneten Khol für eine "Entgleisung". Auch er ging auf die Historie des kritisierten Paragraphen ein und meinte, dass man die Situation auch immer wieder im Licht dessen sehen müsse, was unter diesem Justizminister derzeit stattfinde. Jarolim zeigte sich überzeugt, dass man mit der geplanten Novellierung das Rad des Medienrechts zurückdrehen würde. Der Persönlichkeitsschutz sollte seiner Meinung nach viel mehr durch einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch gewährleistet werden und nicht durch strafrechtliche Bestimmungen. Er argwöhnte, dass der Justizminister gegen Journalisten vorgehen wolle.

Abgeordneter ELLMAUER (V) bekannte sich als Menschenrechtssprecher seiner Fraktion zur Balance zwischen den Menschenrechten Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Er plädierte für eine sachliche Diskussion über den Entwurf für die Novelle der Strafprozessordnung und trat nachhaltig dafür ein, jedem ein faires Verfahren zu garantieren. Abzulehnen sei der Versuch der Grünen, vorsorglich eine Lex Pilz zu schaffen, zurück wies Ellmauer auch deren "ungeheuerlichen Vorwurf", die Presse- und Meinungsfreiheit entspreche in Österreich nicht europäischen Standards.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) berief sich auf den prominenten Medienrichter Bruno Weis, der ihr gesagt habe, am Aufklärungsjournalismus werde sich durch die Strafrechtsnovelle nichts ändern. Die Journalisten würden weiterhin in der Lage sein, Missstände aufzudecken. Dies sei auch notwendig, betonte die Abgeordnete und erinnerte daran, wie Journalisten gegen den Widerstand der SPÖ die Noricum-, Lucona- und AKH-Affären enthüllt haben. Auch Abgeordnete Partik-Pable wies Behauptungen der Grünen, der Rechtsstaat würde in Österreich nicht funktionieren, entschieden zurück.

In einer tatsächlichen Berichtigung zitierte Abgeordnete BURES (S) eine Aussage von Bruno Weis, der gesagt habe, der Strafrechtsentwurf drehe das Rad der Medienjustiz zurück.

Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) erinnerte an die Anzeige gegen den Medienkünstler Schlingensief wegen dessen zugegeben provokanter Aktion und erinnerte an eine Klage gegen die Zeitung "Linkswende", wegen der Verwendung des Begriffs "Scheißregierung", die in erster Instanz abgewiesen, in zweiter Instanz - Kläger war die Kanzlei Böhmdorfer - vom FP-Kurator Richter Ernest Maurer als berechtigt anerkannt wurde. Die kleine Zeitung mit 200 Exemplaren sei seither in ihrer Existenz bedroht. Aus dem Rechtsstaat drohe ein "rechter Staat blauer Prägung" zu werden, warnte Petrovic und wünschte dem auf der Regierungsbank neben Justizminister Böhmdorfer sitzenden Staatssekretär Morak pointiert "eine gute Nachtruhe".

In einer tatsächlichen Berichtigung wies F-Klubobmann Ing. WESTENTHALER die Behauptung der Abgeordneten Petrovic als unrichtig zurück, Ernest Maurer sei FPÖ-Vertreter im ORF-Kuratorium. Der Richter sei kein Mitglied der FPÖ.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) warf den Abgeordneten Van der Bellen und Jarolim vor, in der Debatte zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit mit zweierlei Maß zu messen. Er erinnerte an die Änderung der Spruchpraxis im Immunitätsausschuss, um FP-Abgeordnete auszuliefern, sowie daran, dass kein Grüner Abgeordneter etwas daran finde, wenn Journalisten wie Staberl und Mölzer mit Prozessen eingedeckt werden. Der Rechtsstaat sei nicht in Gefahr, er werde erst in Gefahr sein, wenn Rot und Grün gemeinsam in die Regierung kommen - das sei zu verhindern, meinte Abgeordneter Dr. Graf.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter GRADWOHL (S) die Aussage des Abgeordneten Graf (F) zurück, die Spruchpraxis des Immunitätsausschusse sei geändert worden, um freiheitliche Abgeordnete auszuliefern. Tatsächlich sei es darum gegangen, den Beschwerden von Bürgern Rechnung zu tragen, die sich gegen Beschimpfungen durch Abgeordnete nicht wehren konnten.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) sah den Rechtsstaat sehr wohl in Gefahr. Und zwar durch einen Justizminister, der den Vorschlag, Abgeordnete einzusperren für diskussionswürdig gehalten habe und den Kärntner Landeshauptmann Haider noch vor jeder Untersuchung in der Spitzelaffäre als "über jeden Verdacht erhaben" bezeichnet habe. Füge man die Absichten der Bundesregierung beim ORF hinzu, entstehe der Eindruck, dass sich diese Regierung am Rande dessen bewege, was als Standard westlicher Demokratien gelte. - Dieser Justizminister sollte längst die Konsequenzen ziehen und den Hut nehmen, schloss Abgeordneter Dr. Wittmann.

Bei der Abstimmung blieb der Dringliche Antrag betreffend Presse- und Meinungsfreiheit in der Minderheit der Oppositionsparteien.

Mit der Mehrheit der Koalitionsparteien wurde der Misstrauensantrag des Abgeordneten Dr. PILZ (G) gegen Justizminister Dr. BÖHMDORFER abgelehnt.

SP-FRISTSETZUNGSANTRAG ZUR ABSCHAFFUNG DER UNFALLRENTENBESTEUERUNG

Abgeordneter DIETACHMAYR (S) begründete den Antrag seiner Fraktion, dem Sozialausschuss zur Behandlung ihres Antrages auf Abschaffung der Unfallrentenbesteuerung eine Frist bis 5. Juni 2001 zu setzen, mit der Sorge um den sozialen Frieden in Österreich. Menschen mit niedrigem Einkommen stöhnten unter den Belastungen der Regierung und unter den Verschlechterungen im Gesundheitswesen. Dazu komme nun das Chaos bei der Unfallrentenbesteuerung, das für Dietachmayr nicht nach Reparatur, sondern nach sofortiger Abschaffung dieser sozial ungerechten Maßnahme rufe. Es sei nicht einzusehen, so Dietachmayr, dass die Regierung die Unfallrentner mit insgesamt zwei Mrd. S belaste, während sie die Multimillionäre bei den Stiftungen lediglich mit 500 Mill. S zur Kassa bitte. Die nunmehr von der Regierung vorgelegte Härteklausel bezeichnete der SP-Abgeordnete als einen bloßen "Pfusch", der verhindert werden müsse, solange noch Zeit sei.

Abgeordnete Mag. PLANK (S) sprach ebenfalls von einem "Murks" der Bundesregierung und wandte sich entschieden dagegen, Unfallrentner mit Gnadenakten und Almosen abzuspeisen, "solange Geld im Fonds vorhanden ist", wie es in der Regierungsvorlage heiße. Einmal mehr schilderte die Rednerin Fallbeispiele über Unfallrentner im Rollstuhl, denen seit Anfang des Jahres bis zu 6.000 S ihrer Rente weggenommen würden und die auch von der Härteklausel keine Verbesserung ihrer Situation zu erwarten hätten.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) wies die Ausführungen seiner Vorrednerin zurück, in dem er auf die Einschleifregelung für Einkommen zwischen 20.000 und 23.000 S aufmerksam machte. Im übrigen erinnerte er die SPÖ daran, dass es ihre Minister Lacina und Geppert  gewesen seien, die die Besteuerung der Unfallrenten aus Gleichheitsgründen "erfunden" haben. Es spreche für die Regierung, dass sie ihren Fehler eingesehen, rasch reagiert und einen Entwurf zur Korrektur vorgelegt habe. 60 Prozent der Unfallrentner werden von dieser Regelung erfasst. Sie können mit einer Rückerstattung ihrer Steuerleistung rechnen.

Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) erinnerte daran, was diese Regierung in den letzten 15 Monaten für die behinderten Menschen getan habe. Eine Milliarde S wurde eingesetzt und mehrere 100 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Jüngst vorgelegte Entwürfe bringen eine Erhöhung der Ausgleichstaxe um 20 % und wesentliche Verbesserungen im Bereich der Opferfürsorge. Der Sozialsprecher der Volkspartei erinnerte an die begünstigte Mitversicherung von Pflegepersonen ab der Pflegestufe 4. Die Regierungsvorlage bringe Unfallrentnern mit weniger als 230.000 S Jahreseinkommen eine Rückerstattung ihrer Unfallrentenbesteuerung. Feurstein forderte die Oppositionsparteien dazu auf, diesen Gesetzentwurf im Sozialausschuss konstruktiv zu diskutieren - er werde den Menschen die Gerechtigkeit geben, die sie brauchen.

Abgeordneter ÖLLINGER (F) stellte die Frage, warum gerade den UnfallrentnerInnen das Geld weggenommen werde und sie zur Sanierung des Budgets beitragen müssen. Unter dem Strich werden wahrscheinlich 400 Mill. übrig bleiben, die zudem noch mit einem hohen bürokratischen Aufwand eingehoben werden.

Bei der Abstimmung verfiel der Fristsetzungsantrag der Ablehnung.

(Schluss)