Parlamentskorrespondenz Nr. 58 vom 31.01.2002

BILDUNGSVOLKSBEGEHREN SOLL IN EINEM UNTERAUSSCHUSS BERATEN WERDEN

Kontroversielle Debatte über Bildungspolitik

Wien (PK) - Im Rahmen der Ersten Lesung über das Bildungsoffensive- und Studiengebühren- Volksbegehren warf S-Abgeordnete Mag. KUNTZL der Regierung Kaputtsparen in der Bildungspolitik und Chancenabbau vor und appellierte an die Koalitionsparteien, im Zuge der Behandlung des Volksbegehrens dafür zu sorgen, dass es zu keinem Stillstand in der Bildungspolitik kommt.

Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) wies den Vorwurf des Kaputtsparens entschieden zurück und betonte, innerhalb von drei Jahren FP-VP-Regierung sei es gelungen, die Ausgaben für die Bildung um 500 Mill. € zu steigern. Die geringe Zahl von Unterstützern des Volksbegehrens wertete der Redner als Absage der Bevölkerung an rot-grüne Panikmache in der Bildungspolitik und als Zustimmung zum Kurs der Bundesregierung.

Abgeordneter AMON (V) kündigte eine intensive Auseinandersetzung mit den Fragen des Volksbegehrens in einem Unterausschuss an. Er sprach sich dafür aus, als Gesprächspartner in die Diskussion auch Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter einzubeziehen.

Abgeordneter BROSZ (G) kritisierte Einsparungen im Bildungsbereich und stellte fest, der Anteil der Bildungsausgaben am BIP gehe in den letzten Jahren eklatant zurück. So würden dem Bildungssystem rund 10 Mrd. S fehlen, rechnete er vor.

Abgeordneter Dr. ANTONI (S) warf den Koalitionsparteien vor, die Budgets für Bildung, Wissenschaft und Forschung miteinander zu vermengen, um so zu verschleiern, dass in den Schulen permanent Einsparungen vorgenommen werden. Die Sozialdemokraten hingegen seien bereit, für mehr Bildung zu kämpfen, weil sie wissen, dass die Qualifikation der Bevölkerung immer mehr darüber entscheide, ob ein Wirtschaftsstandort Zukunft habe oder nicht. Antoni kritisierte den Abbau staatlicher Leistungen für die Bürger bei einem gleichzeitigen historischen Höchststand der Steuerbelastung. Es werde nicht in Bildung investiert, sondern gekürzt und Bildungsabbau betrieben, lautete Antonis Resümee. Es werde der Koalition nicht gelingen, die Einführung von Studiengebühren als Investition in die Bildung und als Engagement für lebenslanges Lernen auszugeben. 

Abgeordneter Dr. GROLLITSCH (F) ließ seine Skepsis gegenüber dem Zeitpunkt der Einführung von Studiengebühren erkennen, der richtige Zeitpunkt wäre der, zu dem die Universitäten in die volle Autonomie entlassen werden. Er forderte die Initiatoren des Volksbegehrens dennoch dazu auf, ihre Blockade der Studiengebühren aufzuheben. Klüger wäre es, die Hochschülerschaft würde die Studierenden darüber informieren, dass nur ein Teil der Studierenden von ihrem Recht Gebrauch macht, sich die Studiengebühren zurückzahlen zu lassen.

Abgeordneter HORNEK (V) warf der SPÖ vor, mit diesem Volksbegehren das gute und international anerkannte Bildungssystem krank zu jammern. In Wahrheit wurde noch nie so viel Geld für Bildung ausgegeben und ein so vielfältiges Bildungsangebot geschaffen. Jeder siebente Schilling wurde 2001 für Bildung ausgegeben, insgesamt um 7 Mrd. S mehr als 1999. Dazu seien die Baumaßnahmen von 1,1 Mrd. S im Schulbereich zu zählen. Die geringe Beteiligung an dem Volksbegehren wertete der Redner als Beweis für das große Vertrauen der Österreicher in ihr Bildungssystem und in die Politik der Bildungsministerin.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) begrüßte die Zusammenschau der Universitäts- und der Schulpolitik, zu der das Bildungsvolksbegehren geführt habe, und ließ seine Präferenz für einen gemischten Ausschuss Wissenschaft-Unterricht bei der Behandlung des Volksbegehrens erkennen. Grünewalds Kritik galt dem Rückgang bei den Erstinskribenten an den Universitäten, wobei er dem Argument entgegentrat, hier handle es sich nur um eine Begradigung der Zahlen, um Karteileichen und Studierende, die bloß auf Freikarten aus wären - solche Argumente seien einer Bildungsdiskussion unwürdig. Grünewald klagte auch über die Personalnot an mehreren Universitäten und verwies auf die Warnung von Professoren, der wissenschaftliche Nachwuchs könnte mittelfristig ausbleiben. Einmal mehr wies der Wissenschaftssprecher der Grünen auf die beschämend niedrige Akademikerquote in Österreich hin und hielt es daher für dringend notwendig, über das Bildungssystem intensiv nachzudenken.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) nannte die erste Lesung des Bildungsvolksbegehrens aktueller denn je. Er wies auf das jüngste Chaos an den Universitätskliniken durch den drohenden vertragslosen Zustand im Dienstrecht hin. Ministerin Gehrer sei am "Njet" des Finanzministers gescheitert, der auf Urlaub gefahren sei, ohne Vorsorge für ein so dringendes Problem zu treffen und damit seine Verantwortungslosigkeit unter Beweis gestellt habe. In diesem Zusammenhang wandte sich Niederwieser gegen "akademische Söldnertruppen", die nach wenigen Jahren wieder entlassen werden. Auch der SP-Wissenschaftssprecher zeigte sich besorgt über das Absinken der ErstinskribentInnenzahlen und kritisierte einmal mehr die Einführung der Studiengebühren als verantwortungslos gegenüber sozial Schwachen. Auch die Erwachsenenbildung leide schwer unter Budgetkürzungen, klagte Niederwieser. Dringenden Handlungsbedarf sah der Abgeordnete bei den berufstätigen Studierenden, die großteils viel länger studieren, aber trotz geringerer Leistungen, die sie pro Semester in Anspruch nehmen, gleich hohe Studiengebühren zahlen müssen.

Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) erinnerte seinen Vorredner daran, dass er in der Vergangenheit selbst Studiengebühren verlangt habe, um, wie er damals gesagt habe, Qualitätsdruck auf die Universitäten auszuüben. "Was hat zu diesem Meinungsschwenk geführt?", fragte Schweitzer und vermutete, dass es mit dem Wechsel von der Regierungs- zur Oppositionsrolle zu tun habe. Das mäßige Abschneiden des Volksbegehrens führte Schweitzer darauf zurück, dass das österreichische Bildungssystem nicht so schlecht sei, wie die Organisatoren des Volksbegehrens glauben machen wollten. Lehrerentlassungen, von denen die SPÖ gesprochen habe, seien nicht eingetreten, sagte er. Österreich liege bei den Aufwendungen für die Schüler und beim Lehrer-Schüler-Verhältnis im europäischen Spitzenfeld, betonte der Abgeordnete.

Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) korrigierte in einer tatsächlichen Berichtigung die Aussage seines Vorredners, er habe im Jahr 1997 Studiengebühren gefordert.

Abgeordnete SCHASCHING (S) hoffte darauf, dass das Bildungsvolksbegehren mit derselben Aufmerksamkeit behandelt werde wie das Familienvolksbegehren, das zur Einführung des Kindergeldes geführt habe. Bestürzt zeigte sich die Rednerin über die Einsparung von Ermessensausgaben und listete die schon jetzt wirksamen Sparmaßnahmen der Regierung auf: weniger Beratungslehrer, weniger Logopädinnen, Einsparung von Förderklassen, Einschränkungen bei den unverbindlichen Übungen. Die angekündigten Kürzungen werden wieder zum Verlust von Infrastruktur führen, etwa bei der Bundesanstalt für Sporterziehung. Mit Gesundbeten werde die Bildungsministerin das Schulsystem nicht retten können, warnte Abgeordnete Schasching.

Abgeordnete Dr. PAPHAZY (F) warf der Opposition Gesprächsverweigerung als eine untaugliche Strategie vor, um die erfolgreiche Regierungsarbeit zu konterkarieren. Die ÖH habe sich, so Paphazy, von einer Vertretung der Studierenden zu einem politischen Sprachrohr entwickelt. Die skandalösen Aktionen der ÖH hätten die Nutzlosigkeit der Bundes-ÖH klar erwiesen, sagte Paphazy und forderte einmal mehr die Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft bei der Österreichischen Hochschülerschaft. Das Volksbegehren sei inhomogen und lasse an Aussagekraft zu wünschen übrig. Es diene ausschließlich dem Zweck, von der positiven Regierungsarbeit abzulenken. Man sollte die Uni-Reform dazu nützen, die ÖH-Zwangsmitgliedschaft auf eine freiwillige Mitgliedschaft umzustellen, umso mehr, als die Pflichtmitgliedschaft mit der universitären Autonomie nicht vereinbar ist.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) gab den Vorwurf der Gesprächsverweigerung an ihre Vorrednerin zurück und bedauerte, dass die Zerstörungswut der FPÖ gegenüber der Demokratie auch vor der ÖH nicht Halt mache. Die Koalition fühle sich für jene Familien zuständig, die sich Studiengebühren leisten können, die Situation sozial Schwacher sei ihr aber gleichgültig. Eliten brauchten ein starkes Fundament. Dieses Fundament könne nur aufgebaut werden, wenn die Kinder nicht zu früh selektiert werden, dieser Schluss sei auch den Ergebnissen der PISA-Studie zu entnehmen. Die SPÖ fordert Reformen, den freien Zugang zur Bildung und Ganztagsschulen statt bloßer Nachmittagsaufbewahrungsstätten im Sinne von "Paukanstalten mit kalter Jause". Es gehe darum, soziale Kompetenzen aufzubauen und dazu gehöre auch, nicht zu früh zu selektieren. Unter den Bedingungen der schwarz-blauen Regierungspolitik lösten sich die Worte vom lebenslangen Lernen in Schall und Rauch auf, klagte die Abgeordnete.

Abgeordneter FAUL (S) trat der Behauptung der Regierungsparteien entgegen, das Ergebnis des Bildungsvolksbegehrens signalisiere Zufriedenheit mit der Bildungspolitik der Bundesregierung. Auch warf Faul den Sprechern der Koalitionsparteien vor, nicht über die wirklichen Ergebnisse der PISA-Studie gesprochen zu haben. Die ganztägigen Schulen etwa seien sehr wohl ein Thema, über das auch in Österreich debattiert werden müsste, sowohl aus pädagogischen als auch aus gesellschaftlichen Gründen. Faul will über eine Reform der Kindergärten und über eine gemeinsame Schule aller Pflichtschüler sprechen. Die Koalitionsparteien sollten sich aus der Geiselhaft des Finanzministers befreien, für den Bildungsausgaben offenbar nur einzusparende Kosten darstellen.

Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) erinnerte daran, dass das Bildungsthema nicht nur Gegenstand eines Volksbegehrens war, sondern auch zahlreicher Petitionen und Bürgerinitiativen, in denen die Bürger ihre Besorgnisse über die Bildungspolitik der blau-schwarzen Bundesregierung an die Politik herangetragen haben. Die SPÖ steht für soziale Integration, Persönlichkeitsentwicklung und Förderung der Schüler, während die Koalitionsparteien auf sozialen Druck in der Schule setzten.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) sah sich veranlasst, einige Aussagen richtigzustellen: Die Grazer Universität registriere kaum Nachteile durch die Studiengebühren, in den Hörsälen säßen nicht weniger Studierende. In diesem Zusammenhang warnte Brinek vor falschen Signalen an die Öffentlichkeit: es gebe keinen Anlass, an die Kürzung der Universitätsbudgets zu denken. Der ÖH mangle es laut Brinek offenbar an Eifer bei der Bewerbung der Stipendien, wie die große Zahl nicht abgeholter Stipendien beweise. Entscheidend für den Unterrichtserfolg seien nicht Organisation und Klassenschülerzahlen, sondern die Motivation der Lehrer und der Schüler, das sei eines der Ergebnisse der PISA-Studie. Die überwiegende Mehrheit der Schüler und Eltern stellt den Schulen ein gutes Zeugnis aus, schloss Abgeordnete Brinek.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) hielt fest, dass sich die zentralen Forderungen des Bildungsvolksbegehrens auf das Versagen der Bundesregierung beziehen: auf die negativen Auswirkungen der Studiengebühren, die als sozialer numerus clausus gegen Frauen, Berufstätige und sozial Schwache wirkten, wobei die Erhöhung und Ausweitung der Studienbeihilfen nicht ausreichten, um die Härten auszugleichen. Dazu komme ein Uni-Dienstrecht, das ohne Einbindung der Betroffenen ausgearbeitet worden sei. Gute Arbeit kommt aber nicht aus Existenzangst und Karrieredruck, sondern aus der Identifizierung der Dienstnehmer mit ihrem Unternehmen. Sie haben den Bildungsbereich ausgehungert, Sie wollen gute Bildung nur für Eliten, Sie haben die Bildung in den letzten zwei Jahren kaputtgespart, lauteten die Hauptvorwürfe des Abgeordneten Posch an die Adresse der Regierung.

Nachdem der Antrag des G-Abgeordneten Brosz, für die Behandlung des Bildungsvolksbegehrens einen eigenen Ausschuss einzusetzen, abgelehnt worden war, wies Präsident Dr. FASSLABEND das Volksbegehren dem Unterrichtsausschuss zu.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) führte im Rahmen der Ersten Lesung über seinen Antrag auf Änderung des Kraftfahrgesetzes aus, dass sich der vorliegende Antrag nur mit einem kleinen, aber wichtigen  Problem befasse, nämlich den niedergelassenen Hebammen, die kein Blaulicht auf ihren Autos beim Einsatz führen dürfen.

Abgeordneter Mag. FIRLINGER (F) bezeichnete dieses Anliegen als berechtigt. Man werde dem Wunsch daher in der nächsten Novelle zum Kraftfahrgesetz Rechnung tragen. Dabei wolle man überlegen, welchen anderen Organisationen auch das Recht zugestanden werden könne, mit Blaulicht zu fahren.

Abgeordneter FINK (V) wies darauf hin, dass es nur wenige niedergelassene und frei praktizierende Hebammen gebe. Wenn er diesem Anliegen auch positiv gegenüberstehe, so meine er, dass man dafür nicht ein eigenes Gesetz brauche, sondern diese Bestimmung in eine größere Novelle einbauen könne.

Abgeordnete Dr. LICHTENBERGER (G) gab zu bedenken, dass es kein Zufall sein könne, warum diese Gruppe der niedergelassenen Hebammen so klein sei. Kritisch äußerte sie sich auch zur vorgebrachten Skepsis seitens der Autofahrerklubs gegen die Berechtigung der Hebammen, mit Blaulicht zu fahren. Sie stehe diesem Wunsch jedenfalls sehr positiv gegenüber.

Der Antrag 550/A wurde dem Verkehrsausschuss zugewiesen.

In einer weiteren (93.) Sitzung erfolgten in der Geschäftsordnung vorgesehene Mitteilungen sowie Zuweisungen durch den Präsidenten. (Schluss)