Parlamentskorrespondenz Nr. 513 vom 02.07.2002

UMWELTAUSSCHUSS FÜR RATIFIKATION INTERNATIONALER UMWELTÜBEREINKOMMEN

Molterer: Alpenkonvention erleichtert Verkehrsverhandlungen mit EU

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf seiner Sitzung empfahl der Umweltausschuss jeweils mit den Stimmen aller Fraktionen die Ratifikation internationaler Abkommen und Protokolle, die von den Abgeordneten unisono positiv aufgenommen und von ihnen wie von Umweltminister Wilhelm Molterer als "Meilensteine der internationalen Umweltpolitik" apostrophiert wurden. Dazu zählen acht Protokolle zur Alpenkonvention, die von Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, der Schweiz, Slowenien und der Europäischen Gemeinschaft am 7. November 1991 in der Absicht unterzeichnet worden war, gemeinsam eine ganzheitliche Politik für die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums zu betreiben. Die Protokolle gelten den Themen " Tourismus ", " Berglandwirtschaft ", " Beilegung von Streitigkeiten ", " Raumplanung und nachhaltige Entwicklung ", " Bergwald ", " Verkehr ", " Bodenschutz ", " Naturschutz und Landschaftspflege " sowie " Energie " (1090 bis 1098 d.B). Zwar seien die Protokolle zu "Luftreinhaltung", "Bevölkerung und Kultur", "Wasserhaushalt" und "Abfallwirtschaft" noch ausständig, laut Umweltminister Molterer wäre es aber nicht richtig, noch länger zuzuwarten, da die Konvention durch die Ratifizierung Liechtensteins, Deutschlands und Österreichs - auch Slowenien wird voraussichtlich noch heuer ratifizieren - Rechtskraft erlangen wird.

Abgeordneter Gerhard Reheis (S) begrüßte die Alpenkonvention, die dem Alpenraum einen ökologischen Sonderstatus einräumt. Aus Tiroler Sicht sei der Verzicht auf weitere alpenquerende Straßen von besonderer Bedeutung. Als sehr erfreulich wertete der Abgeordneter daher die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Verkehrsprotokolls. Angesichts des auslaufenden Transitvertrages und des mit 2003 zu Ende gehenden Ökopunkte-Systems hielt Reheis eine EU-Finazierung des Projekts Brenner-Basis-Tunnels für besonders wichtig und warb um Unterstützung für die Bewerbung Innsbrucks als Standort des Konventionssekretariats.

Abgeordneter Robert Wenitsch (F) sprach die Erwartung aus, dass sich die EU großzügig an der Lösung der Verkehrsprobleme in den Alpen beteiligen werde und äußerte überdies die Hoffnung, dass die EU auf den österreichischen Weg bei der Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft in Extremlagen einschwenken wird.

Abgeordnete Evelin Lichtenberger (G) unterstrich die Bedeutung der Umsetzung der vorliegenden Protokolle und drängte darauf, das Verkehrsprotokoll bei den Verhandlungen mit der EU zu nutzen. Weitere Schwerpunktbereiche bei der Umsetzung der Alpenkonvention sah die Abgeordnete beim Naturschutz und beim Thema Waldweide, wo sie Aspekten des Umwelt- und Waldschutzes Priorität einräumen möchte. Zum Thema Berglandwirtschaft kündigte die Abgeordnete einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion an. Die Grünen wollen die Bundesanstalt für Bergbauernfragen zu einem europäischen wissenschaftlichen Zentrum für Berggebiete und ökologisch sensible Zonen aufwerten. Auch Lichtenberger unterstützte die Bewerbung Innsbrucks als Sitz der Alpenkonvention. Diesem Anliegen diente ein bei der Abstimmung einhellig angenommener Vier-Parteien-Entschließungsantrag, den Abgeordneter Hermann Gahr (V) einbrachte.

Bundesminister Wilhelm Molterer nannte die Konvention ein Modell für den grenzüberschreitenden Schutz ökologisch sensibler Regionen und wies darauf hin, dass sie bereits Vorbild für ähnliche Bemühungen der Karpaten-Staaten sei. Für falsch hielte es der Minister, mit der Ratifikation zuzuwarten, bis die noch ausstehenden Protokolle ausverhandelt seien, wobei er die Hoffnung äußerte, dass der nächste EU-Vorsitz bei den Verhandlungen über die restlichen Protokolle weiterkommen werde. Das Verkehrsprotokoll werde nach dem Auslaufen des Transitvertrags und in den Verhandlungen für die Wegekostenrichtlinie eine wichtige Hilfestellung bieten und die Forderung nach Quersubventionen in sensiblen Gebieten unterstützen. In diesem Zusammenhang sagte der Umweltminister, dass es für ihn auch in der Ostregion sensible Regionen gebe.

Miterledigt wurden zwei Entschließungsanträge der Grünen, die sich auf die mangelhafte Umsetzung der EU-Richtlinie zur Errichtung eines europäischen Schutzgebietsystems mit dem Titel "Natura 2000" in Österreich bezogen und darauf aufmerksam machten, dass die EU im Oktober 2001 einen Nachnominierungsbedarf Österreichs bei der Umsetzung von Natura 2000 in der alpinen Region festgestellt hat. Die Forderung der Abgeordneten Eva Glawischnig (G) lautete auf mehr Engagement von Bundesminister Molterer und eine rasche und fachlich fundierte Abstimmung der Bundesländer bei der Erarbeitung der nationalen Liste von Natura 2000-Gebieten (429/A[E] und 597/A[E]).

Bundesminister Molterer erinnerte an die Zuständigkeit der Bundesländer für Naturschutzgebiete und sprach die Hoffnung auf einen Konsens zwischen den Ländern und der EU aus, wobei er darauf aufmerksam machte, dass Nach-Nominierungen bei der Ausweisung von Schutzgebieten möglich seien. Seiner Meinung nach würde es die Konsensfindung wesentlich erleichtern, würde sich die EU auch an der Finanzierung der Schutzgebiete beteiligen.

ÜBEREINKOMMEN ÜBER GEFÄHRLICHE CHEMIKALIEN UND PESTIZIDE

Das Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide (1144 d.B.) dient dem besseren Schutz von Entwicklungs- und Schwellenländern vor dem Handel mit Chemikalien, die im Ausfuhrland verboten oder streng beschränkt sind, sowie vor besonders gefährlichen Pestizide, die im Einfuhrland zu schweren Unfällen geführt haben. Für Österreich hat das Übereinkommen nur geringe Bedeutung, weil in Österreich verbotene Chemikalien nicht ausgeführt werden dürfen.

Das Protokoll zum Übereinkommen über grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (1145 d.B.) verbietet den Vertragsstaaten die Produktion und Verwendung bestimmter Substanzen, u.a. von DDT und polychlorierten Biphenylen, enthält Vorschriften für deren umweltverträgliche Entsorgung und sieht darüber hinaus Verwendungsbeschränkungen, Emissionsreduktionen sowie verbindliche Grenzwerte für neue Müllverbrennungsanlagen vor.

Das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (1171 d.B.) dient dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor möglichen Schäden durch persistente und bioakkumulativ wirkende organische Chemikalien, die über weite Strecken verfrachtet werden. Das Übereinkommen umfasst alle gefährlichen Chemikalien, vor allem Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte, Industriechemikalien und Stoffe, die zur Abgabe an Private bestimmt sind, verbietet die Produktion und Verwendung und enthält Bestimmungen für die umweltgerechte Entsorgung von Alt- und Lagerbeständen. Die Polregionen sind von der Fernverfrachtung dieser Stoffe besonders betroffen, inwieweit auch die Alpen eine Senke für POPs (Persistent Organic Pollutants) darstellen, wird derzeit durch ein Forschungsprojekt des Umweltressorts geklärt.

Die Abgeordneten Maximilian Hofmann (F), Ulrike Sima (S) und Eva Glawischnig (G) begrüßten diese Übereinkommen und sprachen von "Meilensteinen der Umweltpolitik". Abgeordnete Sima klagte allerdings auch über die lange Übergangsfrist bei polychlorierten Biphenylen, während Abgeordnete Glawischnig das Null-Emissions-Ziel bei Dioxinen unterstrich. Dabei wandte sie sich kritisch gegen den Hauptverursacher, nämlich die Müllverbrennung und drängte auf die ausständigen Verordnungen zur Begrenzung der Dioxin-Emissionen.

Bundesminister Wilhelm Molterer gab den Abgeordneten Recht, die von umweltpolitischen Meilensteinen sprachen, da mit dem Rotterdamer Abkommen freiwillige Vereinbarungen in völkerrechtlich verbindliche Normen umgewandelt werden. Davon werden insbesondere die Entwicklungsländer profitieren, aber indirekt auch Österreich, den die Emissionsreduktion in anderen Ländern werde die Fernverfrachtung gefährlicher Chemikalien reduzieren. Für Österreich bestehe wegen des hohen Niveaus der heimischen Schutzbestimmungen kein direkter Handlungsbedarf. Die für die Rechtsverbindlichkeit erforderliche Zahl von 50 Ratifizierungen werde voraussichtlich im kommenden Jahr erreicht werden. Die lange Übergangsfrist für PCB sei einer der notwendigen Kompromisse, es werde aber technisch möglich sein, das Ziel des Abkommens früher zu erreichen, zeigte sich Minister Molterer überzeugt.

GENEHMIGUNGSPFLICHT BEI GENTECHNIK-IMPORTEN

Das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (1146 d.B.) schafft eine internationale Rechtsgrundlage zur Sicherstellung des Informationsaustausches bei der grenzüberschreitenden Verbringung genetisch veränderter Organismen. Vorgesehen ist eine Genehmigungspflicht für den Import von lebenden veränderten Organismen (LVO), wobei die Notifikationspflicht den Exportstaat oder den Exporteur trifft.

Nach zustimmenden Wortmeldungen der Abgeordneten Ulrike Sima (S) und Eva Glawischnig (G) ließ der Umweltminister in der Frage gentechnikfreier Zonen einmal mehr eine differenzierte Haltung erkennen und erinnerte an seine Zusage, dem Parlament Grundlagen zur Entscheidung dieser Frage zu übermitteln. Für wichtig hielt es Minister Moltrer, die Produktion von gentechnikfreien Saatgut abzusichern.

VERTAGUNG VON ANTRÄGEN DER GRÜNEN

Schließlich vertagte der Umweltausschuss jeweils auf Antrag und mit der Mehrheit der Regierungsparteien folgende Entschließungsanträge der Grünen:

Die von Österreich im Jahr 1998 unterzeichnete Aarhus-Konvention, ein Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, bezeichnete Abgeordnete bei der Erläuterung ihres diesbezüglichen Entschließungsantrages (363/A[E]) als "bahnbrechend" und verlangte daher die Ratifikation und die rasche Umsetzung in Österreich. - Der Umweltminister hielt es jedoch für zweckmäßig, eine ausständige Richtlinie der EU zum Thema Umweltinformation sowie eine geplante Änderung der IPPC-Richtlinie abzuwarten, um Klarheit darüber zu erhalten, wie sich die EU die Umsetzung der Aarhus-Konvention vorstelle.

Gleichzeitig vertagte der Ausschuss den G-Entschließungsantrag 475/A[E], in dem die Grünen darauf aufmerksam machten, dass Rechtsträger, die von der öffentlichen Hand ausgegliederte Aufgaben übernommen haben, zu keinerlei Informationspflichten gegenüber den BürgerInnen angehalten seien. Die Grünen verlangten daher eine Ausweitung der diesbezüglichen Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes.

DIE GRÜNEN WOLLEN EIN ÖSTERREICHISCHES WASSERSCHUTZPAKET SCHNÜREN 

Aufgrund einer Entschließung des Europäischen Parlaments zum Thema transeuropäische Wassernetze aus dem Jahr 1998 unterbreiteten die G-Abgeordneten Evelin Lichtenberger und Eva Glawischnig folgende Vorschläge: Priorität für Trinkwasserversorgung und Umweltschutz, Wassersparen vor weiterer Wassererschließung, nachhaltige Wassergewinnung durch Verbot der Wasserentnahme über der mittleren Neubildungsrate, Transparenz des wasserrechtlichen Verfahrens, Parteistellung für Bürgerinitiativen und NGO, Genehmigungspflicht für Eingriffe in den quantitativen und qualitativen Wasserhaushalt, verstärkte Prüfung der Auswirkungen bestimmter Tiefbauten auf den Gesamtwasserhaushalt, verstärkte Sozialbindung des Eigentums am Wasser, bundesgesetzliche Vorgaben für die Wasserentgelte, um Sparanreize zu geben, Einrichtung eines wasserwirtschaftlichen Planungsorgans des Bundes, Einhaltung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und Erstellung eines ökologischen Quellschutzkatalogs sowie von ökologischen Leitbildern für relevante Fließgewässer (516/A(E)).

Auch Abgeordneter Erwin Hornek (V) betonte, wie wichtig das "Überlebensmittel" Wasser sei, und trat dafür ein, die durch die EU-Wasser-Richtlinie notwendige Änderung des Wasserrechtsgesetzes umfassend zu diskutieren.

Bundesminister Molterer sagte den Fraktionen zu, sie in die Umsetzung der EU-Wasser-Richtlinie einzubinden und nannte als seine Zielsetzungen: Qualitativer und quantitativer Gewässerschutz sowie Grundwasser mit Trinkwasserqualität. In diesem Zusammenhang wies Molterer auf "enorme Erfolge" der österreichischen Wasserschutzpolitik hin. Habe man früher verlangt, die Qualität der Gewässer von Stufe IV auf III anzuheben, gehe es mittlerweile darum, von Stufe II auf Trinkwasserqualität zu kommen. Österreich will über die Nutzung seiner Wasserressourcen selbst entscheiden und seine Wasserrressourcen auch für die kommenden Generationen erhalten, sagte Molterer. Dabei ließ der Minister durchblicken, dass er "im Rahmen einer verantwortungsvollen Nutzung des österreichischen Wassers" auch den Export von Wasser für möglich halte und darin Chancen für den Standort Österreich sehe, die man nutzen sollte.(Schluss)