Parlamentskorrespondenz Nr. 128 vom 18.03.2003

SCHÜSSEL BETONT PRIMAT DES SICHERHEITSRATS

Hauptausschuss diskutiert Irak-Krise

Wien (PK) - Im Mittelpunkt des heutigen Hauptausschusses des Nationalrates im Vorfeld des Europäischen Rates am 21. März standen die aktuelle Irak-Krise sowie die Fortschritte bezüglich der Lissabon-Strategie, welche Europa ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung sichern soll. Die Gefahr des herannahenden Krieges im Irak überschattete jedoch die Diskussion über wirtschafts- und beschäftigungspolitische Strategien.

Sowohl Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als auch die Abgeordneten verliehen ihrer großen Sorge über den drohenden Krieg und dessen Folgen Ausdruck. Der Bundeskanzler hielt dazu fest, dass man sich derzeit in einem kritischen Moment befinde, wo die Handlungsfähigkeit der UNO und der EU auf dem Spiel stehe. Eine gemeinsame Anstrengung der Europäer, rechtzeitig eine einheitliche Position zu entwickeln, hätte auch auf die USA gewirkt, zeigte sich Schüssel überzeugt. Österreich müsse daher darauf drängen, zu einer einheitlichen europäischen Linie zu kommen, weshalb die griechische Präsidentschaft in dieser Frage nachhaltig unterstützt werde. Er teile auch die Meinung des UNO-Generalsekretärs, dass die UNO-Charta genau festlege, unter welchen Bedingungen Aktionen gesetzt werden können und dass die Autorität der Vereinten Nationen durch Alleingänge nicht gestärkt würde.

Auch Abgeordneter Josef Cap (S) hielt fest, dass die derzeitige Situation eine neue Qualität habe. Die Resolution 1441 bietet seiner Meinung nach keine rechtliche Grundlage für einen Angriff auf den Irak. Der Bundesregierung warf er vor, keine klare Position zu vertreten, obwohl sich ganz konkrete Fragen stellten. Es würde nicht nur die Bedeutung der UNO relativiert, sondern auch die Weiterentwicklung der Europäischen Union beeinträchtigt. Der Krieg habe auch wirtschaftliche Konsequenzen, sagte Cap, was eine Antwort erfordere. Es stelle sich darüber hinaus die Frage, was die derzeitige Lage für die Beziehungen Österreichs zu den USA sowie zu Frankreich und Deutschland bedeute. Österreich müsse auch Position zur geplanten Umgestaltung des Nahen Ostens beziehen, sagte Cap.

In die gleiche Kerbe schlug Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), die sich vom Bundeskanzler eine klare Aussage darüber erwartet hätte, ob das Vorgehen von USA, Großbritannien und Spanien völkerrechtswidrig ist oder nicht, und auf welcher Seite in der EU Österreich stehe. Es gebe auch keine entsprechenden Pläne hinsichtlich einer Demokratisierung des Irak, kritisierte die grüne Abgeordnete. Lunacek thematisierte auch die Überflüge über Österreich und urgierte genaue Nachfragen, zu welchem Zweck derartige Überflüge beantragt werden. Zudem befürchtet sie, dass die Vorbereitungen für die Flüchtlinge nicht ausreichend sind.

Dieser Kritik der Opposition widersprach Klubobmann Wilhelm Molterer (V). Für ihn ist es wichtig, alles zu tun, dass Europa wieder zu einer einheitlichen Stimme zurückfindet. Österreich müsse klarstellen, dass eine gemeinsame Haltung auf der Basis der Beschlussfassung des Sicherheitsrates beruhe und dass die UNO Basis für alle Aktionen sein müsse. Er bedauerte es sehr, dass der konsensuale europäische Standpunkt nicht aufrecht erhalten werden konnte und unterstrich, dass Österreich selbst mit einer Stimme in dieser Frage sprechen müsse.

Dem schloss sich sein Fraktionskollege Werner Fasslabend an. Der österreichische Standpunkt könne kein Entweder-oder sein, denn derartige Positionierungen würden zu keiner Problemlösung führen. Unser Ziel könne es in der derzeitigen Situation nur sein, einen Minimalkonsens herbeizuführen. Keinesfalls dürfe man die globale Ordnung weiter aufs Spiel setzen, wie es derzeit geschehe, weshalb alles unternommen werden müsse, Chancen für die Handlungsfähigkeit des UNO-Sicherheitsrates in der Zukunft zu sichern. Die Notwendigkeit einer einheitlichen europäischen Vorgangsweise wurde auch von Abgeordnetem Michael Spindelegger (V) unterstrichen. Österreich sei in der Gruppe jener Länder, die mit der griechischen Präsidentschaft um einen Konsens bemüht waren, meinte er.

Fasslabend und Spindelegger verhehlten dabei nicht, dass der UNO-Sicherheitsrat der Politik Saddam Husseins zu lange zugeschaut und damit seine Handlungsfähigkeit keinesfalls unter Beweis gestellt habe. Man dürfe die Gefahr der Waffensysteme und biologischen Waffen nicht unterschätzen, weshalb die Abrüstung des Irak längst überfällig sei, stellte Spindelegger fest. Als brennende Fragen nannte Spindelegger die Vorsorge für mögliche Flüchtlingsströme und ausreichende Maßnahmen, um Terroranschläge außerhalb der Krisenregion zu vermeiden.

Auch Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) sprach sich dafür aus, die Linie des Nationalen Sicherheitsrates weiterzuverfolgen. Österreich müsse deutlich machen, dass Aktionen gegen einen Staat der ausdrücklichen Ermächtigung des Weltsicherheitsrates bedürfen. Ein Krieg ohne UNO-Genehmigung hätte enorme negative Beispielfolgen, warnte Partik-Pable.

Der Kritik der Opposition begegnete Schüssel mit der Feststellung, dass Österreich immer eine klare Linie vertreten habe. So sei die Erklärung vom 17. Jänner unter wesentlicher Beteiligung Österreichs formuliert worden. Unsere Linie bleibe es, den Primat des Sicherheitsrates zu betonen und auf eine einheitliche Positionierung der Europäer hinzuwirken. Eine spätere Betreuung des Irak werde auch ohne die Mitgestaltung der Vereinten Nationen nicht möglich sein, ergänzte der Regierungschef. Jedenfalls sei ein Regimewechsel nie die Position der UNO und auch nicht die der Europäer insgesamt gewesen. Dennoch führe an der Entwaffnung des Irak kein Weg vorbei, bekräftigte der Bundeskanzler und wies auf den jüngsten Bericht der UNO-Inspektoren hin, in dem die Liste der offenen Fragen 72 Seiten einnehme. Wenn man Saddam Hussein jetzt nachgebe, würde dies dramatische Folgen in anderen Staaten haben. Zu den Überflügen stellte der Bundskanzler eindeutig fest, dass alles, was nicht von einem UNO-Mandat legitimiert und auch nicht glaubwürdig sei, nicht genehmigt werde.

Weder Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) noch Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) gaben sich mit dieser Antwort zufrieden und vermissten eine klare Antwort darauf, ob der geplante Angriff der USA auf den Irak von der österreichischen Bundesregierung als völkerrechtswidrig angesehen wird oder nicht. (Fortsetzung)