Parlamentskorrespondenz Nr. 520 vom 02.07.2003

KINDERBETREUUNGSGELD FÜR ELTERN VON ZWILLINGEN WIRD AB 2004 ERHÖHT

Einstimmiger Beschluss im Familienausschuss des Nationalrats

Wien (PK) - Eltern von Mehrlingen werden künftig erhöhtes Kinderbetreuungsgeld erhalten. Einen entsprechenden Beschluss fasste heute der Familienausschuss des Nationalrats. Demnach erhalten Bezieher von Kinderbetreuungsgeld ab dem Jänner 2004 für das zweite und jedes weitere Kind einen 50 %-igen Zuschlag zum Grundbetrag. Die Regelung gilt auch für frühere Geburten, sofern ab dem 1.1.2004 noch Kinderbetreuungsgeld bezogen wird. Nach Berechnungen der Regierung kostet die Maßnahme im Vollausbau 8,5 Mill. € jährlich.

Weiters bringt die Änderung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes Verbesserungen für AlleinerzieherInnen bzw. für Mütter und Väter, deren Partner kein oder nur ein geringes Einkommen haben und die daher einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld beziehen. Die jährliche Zuverdienstgrenze für BezieherInnen von Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld wird von 3.997 € auf 5.200 € jährlich erhöht.

SPÖ-Abgeordnete Andrea Kuntzl hielt fest, die SPÖ stimme dem Gesetzesantrag zu, weil sie es für richtig halte, Eltern von Mehrlingen unter die Arme zu greifen. Der Antrag greift ihrer Meinung nach aber zu kurz. Die SPÖ sieht ihr zufolge einen umfassenderen Reparaturbedarf beim Kinderbetreuungsgeld.

Es sei beispielsweise nicht wirklich einzusehen, meinte Kuntzl, warum es zwar für Mehrlingsgeburten einen Zuschlag zum Kinderbetreuungsgeld gebe, nicht aber wenn die Kinder im Jahresabstand zur Welt kommen. Auch müsste ihrer Ansicht nach die Zuverdienstgrenze gänzlich fallen und der Kündigungsschutz ausgeweitet werden, damit es für die betroffenen Frauen "kein böses Erwachen gibt". Schließlich forderte Kuntzl mehr Flexibilität bei der Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes und ein Recht auf Teilzeitarbeit mit Rückkehrmöglichkeit auf einen Vollzeitarbeitsplatz für Eltern von Kleinkindern ein.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) schloss sich den Ausführungen Kuntzls an. Durch die Regierungsvorlage werde zwar Eltern von Mehrlingen geholfen, konstatierte sie, gleichzeitig entstehe aber eine neue Ungerechtigkeit, weil Eltern, deren Kinder im Jahresabstand zur Welt kommen, anders behandelt würden. Auch für sie sei der Betreuungsaufwand aber höher.

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) hielt dem entgegen, dass der finanzielle Aufwand für Kinder, die zur gleichen Zeit auf die Welt kommen, erheblich höher sei als für Geburten im Jahresabstand. Da Eltern stets für das jüngere Kind Kinderbetreuungsgeld beziehen, verlängere sich der Anspruch außerdem durch jede neue Geburt. Dieser Darstellung schloss sich auch ÖVP-Abgeordnete Barbara Riener an.

FPÖ-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek hielt fest, eine weitere Ausweitung des Kinderbetreuungsgeldes sei auch der FPÖ ein Anliegen, man müsse aber die finanziellen Möglichkeiten im Auge behalten. Ausschussvorsitzende Ridi Steibl (V) stellte eine Anhebung der Zuverdienstgrenze in Aussicht.

Auch Staatssekretärin Ursula Haubner räumte ein, dass Verbesserungen beim Kinderbetreuungsgeld immer möglich seien, sie machte aber geltend, dass das Kinderbetreuungsgeld nicht die einzige Leistung für Familien sei. Insbesondere verwies sie auf die für jedes Kind ausbezahlte Familienbeihilfe und den Mehrkinderzuschlag.

Über die Erhöhung der Zuverdienstgrenze "werden wir sicher reden müssen", versicherte Haubner. Zwar habe der größte Teil der Arbeitnehmerinnen kein Problem, skizzierte sie, es gebe aber auch Mütter in höheren Gehaltsstufen, für die Änderungen notwendig wären. Über die Entwicklung der Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung nach Einführung des Kinderbetreuungsgeldes kann der Staatssekretärin zufolge noch keine klare Aussage getroffen werden, weil die Zeitspanne seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu kurz sei.

SPÖ-ANTRÄGE FÜR MEHR KINDERRECHTE UND JUGEND-MITBESTIMMUNG VERTAGT

Zu einer breiten Diskussion über Jugend- und Kinderrechte führten zwei Entschließungsanträge der SPÖ betreffend ein Jugend-Demokratiepaket bzw. betreffend Kinderrechte. Beide Anträge wurden schließlich vertagt.

Der SPÖ-Entschließungsantrag zum Jugend-Demokratiepaket zielt unter anderem auf eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, die Einführung eines Pflichtfaches "Politische Bildung" ab der 5. Schulstufe, verstärkte Mitsprache- und Mitwirkungsrechte für Jugendliche, etwa in Form von verpflichtenden Kinder- und Jugendgemeinderäten in jeder Gemeinde, eine verstärkte SchülerInnenmitbestimmung und die Einrichtung einer SchülerInnenanwaltschaft in jedem Bundesland ab. Ferner sollen alle Gesetzesvorhaben nach Meinung der SPÖ auf Kinder- und Jugendverträglichkeit geprüft werden.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) erinnerte daran, dass die SPÖ den vorliegenden Antrag bereits in der letzten Legislaturperiode eingebracht hat. Österreich hat ihrer Meinung nach außerdem nicht zuletzt aufgrund des EU-Weißbuches über die Jugend den Auftrag, über mehr Mitbestimmung für Kinder und Jugendliche zu diskutieren. Kinder- und Jugendpolitik habe in Österreich noch nicht den Stellenwert, den sie haben sollte, meinte sie. Als besonderes Anliegen nannte Heinisch-Hosek die Senkung des Wahlalters auf 16, wobei dieser Schritt davon begleitet sein müsste, das Interesse von Jugendlichen an der Politik rechtzeitig zu wecken.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) sprach sich ebenfalls für eine Senkung des Wahlalters auf 16 aus und gab zu bedenken, dass dieser Schritt nichts kosten würde. Sie glaubt, dass sich die Politik wesentlich ändern würde, müssten die Politiker bei ihren Entscheidungen auch die Interessen von 16-jährigen berücksichtigen.

Die Position der ÖVP zur Senkung des Wahlalters skizzierte Abgeordnete Silvia Fuhrmann. Zunächst sollte es ihrer Ansicht nach zu einer flächendeckenden Senkung des Wahlalters auf Gemeinde- und Landesebene kommen und die in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen evaluiert werden. Auf dieser Basis könne man dann diskutieren, ob man diesen Schritt auch auf Bundesebene setze. Allgemein hielt Fuhrmann fest, es werde sicher in Zukunft notwendig sein, Jugendliche verstärkt in politische Entscheidungen einzubinden, weil durch die demografische Entwicklung die Senioren bald die stärkste Wählergruppe sein würden. Als wichtiges Anliegen der ÖVP nannte sie weiters die Einführung einer Kinder- und Jugendverträglichkeitsprüfung von Gesetzen und verwies auf einen entsprechenden Passus im Regierungsprogramm.

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) betonte, die Partizipation von Jugendlichen zu stärken, sei auch ein Anliegen der FPÖ. Ihrer Meinung nach sollte man darauf drängen, dass auch die anderen Bundesländer den Beispielen einiger Länder folgten, das Wahlalter für Gemeinderatswahlen zu senken. Auch ihr Fraktionskollege Sigisbert Dolinschek vertrat die Auffassung, dass sich die Senkung des Wahlalters auf Gemeindeebene bewährt hat.

Mehrere ÖVP-Abgeordnete wandten sich gegen die Forderung des SPÖ-Entschließungsantrags, die Gemeinden gesetzlich zu verpflichten, einen Gemeinderat mit Kinder- und Jungendahngelegenheiten zu betrauen. Das sei Ländersache, argumentierte etwa Abgeordneter Jochen Pack. Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler betonte, man könne Jugendvertretung nicht verordnen. Ihr zufolge darf man Jugendpolitik außerdem nicht auf eine Senkung des Wahlalters beschränken, vielmehr müsse man die Jugend verstärkt zur Beteiligung an politischer Arbeit motivieren.

Abgeordneter Hans Langreiter (V) zitierte aus einer Studie, wonach nur 60 % der Jugendlichen Demokratie für eine gute Staatsform halten. Er schließt daraus, dass das Bewusstsein der Jugendlichen für Demokratie und Politik zu schwach ausgebildet ist. Diesem Problem kann man ihm zufolge nicht mit der Senkung des Wahlalters begegnen.

Abgeordnete Gabriele Binder (S) äußerte Bedauern darüber, dass keine Vertreter von Jugendorganisationen im Österreich-Konvent vertreten sind, obwohl es um die zukünftige Gestaltung des Landes gehe. Ihre Fraktionskollegin Melitta Trunk unterstrich, die Jugend habe das Recht und die Pflicht, ihre Zukunft mitzugestalten.

Abgeordneter Nikolaus Prinz (V) ortet noch weiteren Diskussionsbedarf über den SPÖ-Antrag und brachte deshalb einen Antrag auf Vertagung ein. Wenn man jungen Leuten Rechte gebe, müsse man auch über Pflichten nachdenken, betonte er.

Staatsekretärin Ursula Haubner führte aus, die Senkung des Wahlalters könne nur das Ende eines Prozesses sein, der damit beginnen müsse, die Jugendlichen verstärkt für Demokratie und Politik zu interessieren. Sie sehe es als Aufgabe ihres Ressorts, im außerschulischen Bereich verstärkt Initiativen in diese Richtung zu setzen. Zum EU-Weißbuch für die Jugend wird das Familienministerium ihrer Aussage nach im Herbst eine Enquete abhalten.

Haubner machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass sich die Koalitionsparteien im Regierungsprogramm ganz klar dazu bekannt haben, die Kinderrechte zu stärken und in die Verfassung aufzunehmen. Ebenfalls im Regierungsprogramm verankert sei die Überprüfung der Kinder- und Jugendverträglichkeit von Gesetzen. Ihr Ressort sei, so Haubner, gerade dabei Bewertungskriterien dafür zu entwickeln. Wie SPÖ-Abgeordnete Binder bedauerte auch Haubner, dass in den Österreich-Konvent "zu wenig junge Menschen eingebunden sind".

Der Beschluss, die Beratungen über den SPÖ-Antrag zu vertagen, fiel einstimmig.

Uneinigkeit bestand im Ausschuss hingegen über die weitere Vorgangsweise des Ausschusses in Bezug auf einen Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Stärkung der Rechte des Kindes.

Im Entschließungsantrag beklagen die SPÖ-Abgeordneten, dass hinsichtlich der UN-Konvention über die Rechte des Kindes in Österreich noch ein Erfüllungsvorbehalt bestehe und die Konvention nicht im Verfassungsrang stehe. Sie wollen die Bundesregierung daher ersuchen, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, durch die die Kinderrechte in den Verfassungsrang erhoben werden und die unter anderem das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung, das Recht auf vollständige Integration behinderter Kinder (speziell im Schulwesen), das Recht auf umfassende Betreuung geflüchteter Kinder und die Abschaffung der Schubhaft für Minderjährige zum Inhalt hat. Die AntragstellerInnen befürworten auch besondere Verfahrensbestimmungen für Kinder und Jugendliche vor Gerichten und Verwaltungsbehörden sowie eine verstärkte Rücksichtnahme auf die Interessen der Kinder bei Familienkonflikten, etwa im Fall von Scheidungen.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (S) äußerte sich in der Diskussion darüber erfreut, dass es einer der vier Schwerpunkte zur Kinder- und Jugendpolitik im Regierungsprogramm sei, die Kinderechte in den Verfassungsrang zu heben. Umso weniger Verständnis zeigte sie für die Vertagung des SPÖ-Antrages. Ihrer Ansicht nach ist der Schutz von Kindern in Österreich immer noch keine Selbstverständlichkeit.

Sowohl Ausschussvorsitzende Ridi Steibl (V) als auch Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) sprachen sich dafür aus, der Regierung eine gewisse Zeit einzuräumen, die im Regierungsprogramm verankerte Vereinbarung umzusetzen. Dolinschek betonte, dass das Familienressort sehr stark Lobbyismus in diese Richtung betreibe. Ähnlich äußerte sich auch Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V).

Seitens der Grünen unterstützte Abgeordnete Sabine Mandak (G) den Antrag der SPÖ. Die Zeit des Abwartens sollte an und für sich vorbei sein, unterstrich sie. Durch die Beschlussfassung des Antrags könnte ihr zufolge auch dem Österreich-Konvent ein klarer Arbeitsauftrag mitgegeben werden.

Staatssekretärin Ursula Haubner betonte, sie verstehe den Passus im Regierungsprogramm, die Kinderechte in den Verfassungsrang zu heben, nicht als allgemeine Absichtserklärung, sondern als konkreten Auftrag zur Umsetzung. Zudem kündigte sie für den Herbst Kinderkonferenzen an.

Der SPÖ-Antrag wurde gegen die Stimmen der SPÖ und der Grünen vertagt. Ausschussvorsitzende Ridi Steibl (V) versicherte jedoch, das Anliegen der SPÖ "nicht auf die lange Bank zu schieben" und das Thema noch heuer wieder auf die Tagesordnung eines Familienausschusses zu setzen. (Schluss)