Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 12.11.2003

RAUCH-KALLAT KÜNDIGT GROSSE GESUNDHEITSREFORM FÜR SOMMER 2004 AN

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Wien (PK) - Drei Vorlagen aus dem Gesundheitsbereich wurden im Anschluss an die Debatte zu den Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers unter einem debattiert. Es waren dies eine Novelle zum Medizinproduktegesetz, mit der vorwiegend EU-Richtlinien umgesetzt werden, der Abschluss einer Patientencharta mit Vorarlberg und ein Abkommen mit der WHO zur Regelung des Rechtsstatus für die Dauer der Tagung des europäischen Regionalkomitees in Wien. Gesundheitsministerin Maria Rauch Kallat kündigte in der Debatte für den Sommer 2004 eine große Gesundheitsreform an.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) zeigte sich erfreut darüber, dass mit Vorarlberg bereits das siebente Bundesland der Patientencharta beigetreten ist. Zwei fehlten allerdings noch, bedauerte er, eines davon sei Wien.

Für entscheidend hält Rasinger insbesondere den Punkt 4 der Patientencharta, wonach jeder Anspruch auf eine zweckmäßige und angemessene Behandlung habe, unabhängig vom Alter und vom Einkommen und gemäß dem letzten Stand der Wissenschaft. Für ärmere Leute stehe damit die gleich gute Versorgung zur Verfügung wie für Prominente. Rasinger gab auch zu bedenken, dass noch zu Beginn seiner Studienzeit Kinder, die an Krebs erkrankten, keine Chance hatten, während heute 75 % der 180 bis 220 pro Jahr betroffenen Kindern gerettet werden könnten. Konkret angewandte Patientencharta heißt für ihn außerdem moderne Schmerztherapie und Forcierung der Hospiz-Bewegung, statt wie in den Niederlanden durch Sterbehilfe jährlich 3.200 Leben vorzeitig zu beenden.

Zum Medizinproduktegesetz brachte Rasinger einen Vier-Parteien-Abänderungsantrag ein, dem zufolge die Träger der Sozialversicherung bzw. der Kranken- und Unfallfürsorge auch dann zur Instandhaltung von Medizinprodukten verpflichtet sind, wenn die Kosten für das Produkt von ihnen nur teilweise erstattet werden.

Abgeordneter LACKNER (S) setzte sich in seiner Rede allgemein mit Gesundheitspolitik auseinander, signalisierte eingangs jedoch die Zustimmung der SPÖ zu allen drei zur Diskussion stehenden Vorlagen. Er hielt fest, es werde auch von der SPÖ anerkannt, dass es einen Reformbedarf im Gesundheitsbereich gebe; durch Reformen darf es seiner Ansicht nach aber nicht zu einer Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts kommen. Alle müssten den gleichen Zugang zur Spitzenmedizin haben. Lackner zufolge hat die SPÖ heute 28 Anträge zu Gesundheitsthemen im Nationalrat eingebracht.

Von Seiten der Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat vermisst Lackner, wie er sagte, Aussagen zum Thema Krankenanstaltenfinanzierung. Die Ministerin sollte ihm zufolge außerdem rasch eine Antwort auf die durch das VfGH-Urteil notwendig gewordene Neustrukturierung des Hauptverbandes finden und sich klar zur Selbstverwaltung bekennen. 

Abgeordnete ROSENKRANZ (F) sieht zwei Hauptziele in der Gesundheitspolitik: Sicherung der hohen Qualität und Zugang aller Menschen zu dieser qualitätvollen Medizin, unabhängig von ihren materiellen Möglichkeiten und ihrem sozialen Status. Um diese beiden Ziele zu erreichen, ist für sie eine Reform des Gesundheitswesens notwendig.

Ausdrücklich begrüßt wurde von Rosenkranz die Änderung des Medizinproduktegesetzes. Medizinprodukte könnten, wenn sie nicht fachgerecht instand gehalten und ordentlich benützt werden, großen Schaden anrichten, warnte sie. Eine genaue Kontrolle dieser hochwertigen Produkte sei daher erforderlich. Große Bedeutung misst Rosenkranz auch der Patientencharta bei, da diese den Menschen in den Mittelpunkt der Behandlungen stelle. Eingeschüchterte, uninformierte und demotivierte Patienten könnten nichts zu ihrer Heilung beitragen, skizzierte sie.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) konstatierte, das Medizinproduktegesetz sei ein Abbild des Fortschritts der Wissenschaft und dementsprechend kompliziert. Tausende Produkte fallen ihm zufolge unter dieses Gesetz.

Was die Behandlung und Pflege von Menschen und die Gesundheitsforschung betrifft, meinte Grünewald, dazu bedürfe es nicht nur Geld, sondern auch Personal. Seiner Auffassung nach wird in diesem Bereich zuviel gespart, angefangen von Geriatriezentren wie Lainz bis hin zum Wissenschaftsministerium. Er vermisst auch neue Ausbildungsinitiativen.

Kritisch setzte sich Grünewald mit der Patientencharta auseinander und unterstrich, hier gebe es noch einiges zu tun, der Dialog habe erst begonnen. Für ihn ist die Patientencharta nur eine Notlösung, da die einzelnen Punkte der Charta nicht einklagbar und die Patienten auf guten Willen angewiesen seien.

Gesundheitsministerin Maria RAUCH-KALLAT erläuterte, die Änderung des Medizinproduktegesetzes diene vorwiegend der Umsetzung zweier EU-Richtlinien und bringe einen verbesserten Schutz für Patienten. Gleichzeitig enthalte sie Rahmenbedingungen für das öffentliche Bereithalten von Defibrilatoren. Durch den Vier-Parteien-Abänderungsantrag ist laut Rauch-Kallat sichergestellt, dass Medizinprodukte wie elektronische Rollstühle auch dann von den Sozialversicherungsträgern bzw. den Trägern der Kranken- und Unfallfürsorge instand gehalten werden müssen, wenn diese nicht das gesamte Gerät finanziert haben.

In Bezug auf die Patientencharta hielt die Gesundheitsministerin fest, Salzburg sei auf gutem Weg, diese zu ratifizieren. "Leider keine Signale" höre sie aus Wien.

Zufrieden zeigte sich Rauch-Kallat mit dem kürzlich erfolgten Abschluss des Arzneimittelpakets. Durch dieses komme es nicht nur zu einer Kostendämpfung um rund 150 Mill. € im Jahr 2004 und noch etwas mehr in den Folgejahren, vielmehr würden auch Strukturen verändert, skizzierte sie. So sei es gelungen, ab dem zweiten Quartal 2004 die Chefarztpflicht abzuschaffen, auch werde der Einsatz von Generika attraktiver gestaltet.

Was die Krankenanstaltenfinanzierung anbelangt, will Rauch-Kallat, wie sie sagte, ebenfalls ein Gesamtpaket und keine punktuellen Maßnahmen vorlegen. Zur Selbstverwaltung des Hauptverbandes habe es bereits mehrfach ein klares Bekenntnis sowohl seitens des Bundeskanzlers als auch von ihrer Seite gegeben, betonte sie. Die angepeilte große Gesundheitsreform kündigte Rauch-Kallat für den nächsten Sommer an.

Abgeordnete STEIBL (V) bezeichnete es als großen Erfolg, dass die Regionaltagung der WHO erstmals seit 30 Jahren wieder in Wien stattgefunden habe. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass Gesundheitsministerin Rauch-Kallat einen Schwerpunkt auf die  Gesundheitsvorsorge lege. Steibl wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass etwa der Tod von 55.000 Jugendlichen in Europa mit dem Alkoholkonsum in Verbindung gebracht werde; 60 bis 70 % der 15-Jährigen hätten zumindest schon einmal geraucht. Die Gesundheitsvorsorge Neu bedeute, dass unter anderem die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen ausgeweitet werden, führte die Rednerin aus. 

Die Sozialdemokraten werden der Regierungsvorlage zustimmen, kündigte Abgeordnete SCHARER (S) an. Der Rednerin war es ein wichtiges Anliegen, dass es in Österreich eine Gesundheitsversorgung gibt, die für alle leistbar ist. Scharer befürchtete, dass zum Beispiel die Pensionsreform dazu führen werde, dass sich ältere Menschen eine gute medizinische Betreuung nicht mehr leisten können. Es müsse weiterhin gewährleistet werden, dass auch 80-jährige Menschen ein Recht auf ein neues Kniegelenk haben, forderte sie. Weiters müssten die Versorgungslücken im Bereich der Übergangspflege, der Palliativmedizin und des Hospizwesens geschlossen werden. Dringend notwendig ist ihrer Auffassung nach auch eine umfassende Reform der Gesundheitsberufe, was positive Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation haben würde.

Die Ansprüche an das Gesundheitswesen seien immer größer geworden, meinte Abgeordneter LICHTENEGGER (F), und jetzt gehe es darum, immer mehr Menschen eine große Palette an Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Ein Kernpunkt der zukünftigen Gesundheitsreform ist seiner Meinung nach die Qualitätssicherung, denn im Mittelpunkt aller Bestrebungen müsse immer der Patient stehen. Diesem Aspekt werde auch im vorliegenden Medizinproduktegesetz Rechnung getragen, betonte Lichtenegger. Positiv äußerte sich der F-Redner auch zum Abschluss der Patientencharta mit dem Land Vorarlberg. 

Auch Abgeordnete HAIDLMAYR (G) bezeichnete es als gut und sinnvoll, dass eine Patientencharta nun auch mit Vorarlberg abgeschlossen wurde. Allerdings vermisste sie Regelungen der Situation von blinden und gehörlosen Menschen sowie der Mitnahme von Assistenzleistungen in das Spital. Außerdem müsste die Patientencharta eine gewisse Rechtsverbindlichkeit haben, forderte Haidlmayr. Was das Medizinproduktegesetz angeht, so sei es erfreulich, dass nun die Kostenträger für die Qualität und die Instandhaltung der Produkte zuständig seien. Schließlich erneuerte Haidlmayr ihre Forderungen nach barrierefreien Arztpraxen und Spitalszimmern sowie nach einem Behindertengleichstellungsgesetz.

Abgeordnete RIENER (V) ging auf die besondere Situation psychisch erkrankter Personen ein. Weiters setzte sie sich mit Suchtverhalten, insbesondere mit Alkoholismus, sowie mit Depressionen und mit Suizidverhalten auseinander. Erfreut zeigte sich die Rednerin über die Tatsache, dass die zuständige Ministerin diesen Problemen entsprechende Priorität eingeräumt habe.

Abgeordneter KAIPEL (S) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zur Patientencharta an, bedauerte jedoch, dass eine bundeseinheitliche Lösung immer noch nicht gefunden werden konnte. Kritik übte der Redner an den Plänen der Regierung, das Gesundheitssystem durch Patientenbeiträge finanzieren zu wollen, was für seine Fraktion nicht akzeptabel sei.

Abgeordneter DI HÜTL (V) erläuterte die Zielsetzungen der vorliegenden Novelle und votierte für deren Annahme. Es gehe u.a. darum, ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für Medizinprodukte zu erreichen, was mit der gegenständlichen Vorlage bezweckt werde.

Abgeordnete SILHAVY (S) signalisierte ebenfalls die Zustimmung ihrer Fraktion zu den Vorlagen, regte aber an, die entsprechenden Beschlüsse in Hinkunft nicht ex post einzuholen. Eine adäquate Einbindung des Hohen Hauses sei wünschenswert, so die Rednerin.

Abgeordnete HÖLLERER (V) meinte, die Novelle zum Medizinproduktegesetz sei von ihren Vorrednern hinlänglich erläutert worden, sie schließe sich dieser Sichtweise an. Zur Patientencharta sagte Höllerer, es gehe darum, ein für alle leistbares Gesundheitssystem auch für die Zukunft sicherzustellen. Die Charta sollte für alle Bundesländer abgeschlossen werden.

Abgeordneter SPINDELBERGER (S) vertrat die Ansicht, die vorliegende Novelle enthalte wichtige Aspekte, die im Interesse der Betroffenen seien. Seine Fraktion werde daher der Vorlage auch zustimmen. Die gesundheitliche Versorgung sei jedoch ein öffentliches Anliegen, weshalb jeder ungeachtet des sozialen Status denselben Zugang haben sollte. Selbstbehalten sei somit eine Absage zu erteilen, so der Redner.

Abgeordneter WÖGINGER (V) erklärte ebenfalls die Inhalte der vorliegenden Novelle und wies auf die Wichtigkeit und die positiven Seiten dieser Gesetzesänderung hin, dies auch mit Beispielen aus der Praxis illustrierend.

Auch Abgeordnete CSÖRGITS (S) kündigte Zustimmung zu diesen Schritten in die richtige Richtung an, schränkte allerdings ein, dass die Regierung auch Schritte in die falsche Richtung, namentlich durch die Einführung von Selbstbehalten und durch Privatisierungen, gesetzt habe.

Abgeordneter WINKLER (V) erinnerte an die Geschichte der Patientencharta und ging dabei auf einzelne inhaltliche Punkte ein, wobei er meinte, es sei wichtig, dass der Geist dieser Charta auch gelebt werde.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) setzte sich aus Konsumentensicht mit der Gesetzesänderung zu den Medizinprodukten auseinander und dankte den engagierten Beamten, die mit dieser Angelegenheit befasst sind. Konkret ging der Redner auf Problemfälle in der Praxis ein.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) sagte, das Recht der Betroffenen auf eine bestmögliche medizinische Versorgung korrespondiere mit der staatlichen Verpflichtung, diese auch zur Verfügung zu stellen. Selbstbehalte stünden einer solchen Verpflichtung jedoch entgegen, die Regierung solle daher erkennen, dass ein adäquates Gesundheitssystem ein öffentliches Anliegen und keine Privatsache ist.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) erklärte, die Regierung belaste die sozial Schwachen im Sozial- und im Gesundheitsbereich, während andererseits ein Minister durch Maßnahmen der Bundesregierung verdiene. Dies sei nicht akzeptabel, so Kräuter, der entsprechende parlamentarische Anfragen ankündigte.

Die Vorlagen wurden einstimmig, teils in der Fassung eines Vierparteien-Abänderungsantrages, angenommen.

(Schluss Gesundheit/Forts NR)