Parlamentskorrespondenz Nr. 162 vom 10.03.2004

DISKUSSION ÜBER UMSETZUNG DER EU-AGRARREFORM IM AUSSCHUSS

Pröll: Reform soll keine Umverteilungswirkung in Österreich haben

Wien (PK) -  Bei der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses behandelten die Abgeordneten zunächst den Bericht des Unterausschusses des Landwirtschaftsausschusses, der - auf Basis eines Vierparteienantrages - eingesetzt wurde, um über die Reform der "Gemeinsamen Agrarpolitik" (GAP) sowie über die WTO-Verhandlungen beraten zu können.

Ausschussvorsitzender Fritz Grillitisch (V) wies darauf hin, dass bisher drei Sitzungen unter Einbeziehung von Experten stattgefunden haben und resümierte aus seiner Sicht den Ablauf der Gespräche. Abgeordneter Heinz Gradwohl (S) kritisierte einerseits, dass kein schriftlicher Bericht vorgelegt wurde und andererseits, dass die Ausführungen von Grillitsch die Position des Bauerbundes widerspiegeln. Er kündigte an, dass eine Fraktion einen eigenen Bericht in schriftlicher Form präsentieren wird. Grillitsch verteidigte die Vorgangsweise und unterstrich, dass die Diskussion keineswegs beendet sei.

Der Bericht des Unterausschusses wurde schließlich mit V-F-G-Mehrheit angenommen. Als miterledigt gelten damit auch die auf der Tagesordnung stehenden Anträge der Grünen, in denen sowohl ihre Vorstellungen zur Reform der Agrarpolitik als auch Forderungen hinsichtlich der WTO-Verhandlungen enthalten sind.

DEBATTE ÜBER NATIONALE UMSETZUNG DER EU-AGRARREFORM - UMVERTEILUNG JA ODER NEIN?

Zwei weitere Entschließungsanträge der Grünen bildeten die Diskussionsgrundlage darüber, in welcher Form Österreich die EU-Agrarreform umsetzen wird. Bundesminister Josef Pröll wies zunächst darauf hin, dass im Unterausschuss ausführlich über dieses Thema diskutiert wurde und Österreich im August seine Position an Brüssel übermitteln müsse. Es gebe daher noch keine endgültige Entscheidung, erklärte er, außerdem liegen noch keine Durchführungsbestimmungen der EU (für Ende März, Anfang April avisiert) vor. Er habe sich immer klar dahin gehend positioniert, dass die Reform zu keiner Umverteilung führen soll. Es gibt in Österreich ein seit Jahrzehnten entwickeltes, ausgewogenes und diffiziles System, wodurch ein Ausgleich erreicht werden konnte. Was die ländliche Entwicklung angeht, so sollen die Ausgleichszulagen für die Bergbauern und das ÖPUL weiter bestehen sowie die Investitionsförderung gestärkt werden.

Eine deutsche Studie aus dem Jahre 2003 habe klar gezeigt, dass auch das Betriebsmodell eine Umverteilungswirkung habe, hielt Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) dem Minister entgegen. Wenn man eine Umverteilung ablehne, dann verstehe er nicht, warum die Milchquoten aus der Reserve nicht an alle Bauern verteilt wurden.

Auch Abgeordneter Heinz Gradwohl (S) war - ebenso wie seine Fraktionskollegin Heidrun Walther - der Auffassung, dass es ohne eine gewisse regionale Umverteilung nicht gehe. Der nationale Spielraum müsse genützt werden, damit die kleinen Familienbetriebe auch in Zukunft gesichert und eine weitere Abwanderung aus dem ländlichen Raum verhindert wird, forderte er. Übrigens werde auch in Deutschland über ein regionales Verteilungskonzept diskutiert, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) kam auf die Probleme von Bauern in schwierigen Lagen zu sprechen. Er war der Meinung, dass man bei den Förderungen nicht nach der Gießkanne vorgehen solle, sondern dass man sich sehr genau die betriebliche Entwicklung der einzelnen Höfe anschauen müsse.

Abgeordneter Klaus Wittauer (F) bekräftigte, dass es seiner Fraktion immer um die Absicherung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum gegangen ist. Es sei klar, dass die hohen Standards gewährleistet werden müssen, aber man solle darüber nachdenken, wie die Bauern von unnötigen Belastungen befreit werden können, damit die Landwirtschaft nicht unter die Räder komme.

Auch Abgeordneter Jakob Auer (V) gab zu bedenken, dass die Landwirte die zunehmende Bürokratie, die zahlreichen Auflagen sowie die relativ häufigen Kontrollen bemängeln.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) war der Auffassung, dass die grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik der Europäischen Union den EU-Mitgliedstaaten neue Möglichkeiten in der Agrarförderung biete, wobei er vor allem bei der Entkoppelung von Direktzahlungen und Produktion hohe Flexibilität orte. Insgesamt sollten die Ungleichgewichte bei den bisherigen Förderungen verringert und die Förderung von Grünlandstandorten sowie von extensiv bewirtschafteten Standorten verbessert werden.

DIE ECKPUNKTE DER NATIONALEN UMSETZUNG DER EU-AGRARREFORM

Die Regierungsfraktionen brachten im Laufe der Sitzung einen Entschließungsantrag ein, in der die Eckpunkte der nationalen Umsetzung der europäischen Agrarreform skizziert werden. Kennzeichen der Ausgestaltung des nationalen Spielraums sei der Grundsatz der inneragrarischen Ausgewogenheit. Diesem Prinzip entsprechend sollen die Zahlungen bei den Kulturpflanzen vollständig entkoppelt werden. Im Bereich der Rinderprämien ist die Beibehaltung einer gekoppelten Mutterkuhprämie zu 100 % sowie einer gekoppelten Schlachtprämie von 40 % der bisherigen Zahlungen vorgesehen.

Die Umsetzung soll mit 1.1.2005 erfolgen, wobei auf technischer Ebene Übergangsregelungen und Härtefallbestimmungen - etwa für Betriebsübernehmer und Neueinsteiger - erarbeitet werden sollen. Schließlich sollen die aus der Modulation resultierenden zusätzlichen Mittel der ländlichen Entwicklung zu einer Investitionsoffensive im Rahmen des Österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums eingesetzt werden. Die technische Ausarbeitung dieser Eckpunkte ist nun auf Expertenebene in Angriff genommen worden. Außerdem werden die in der Entschließung des Nationalrates vom 8. Juli 2003 enthaltenen Punkte bekräftigt. Der Bundesminister wird in dem Antrag auch ersucht, sicherzustellen, dass es zu keinen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Regionen oder Sektoren komme. Weiters wird u.a. die Bundesregierung aufgefordert, das "3-Milliarden-Euro-Paket" zur Verfügung zu stellen, um Planungssicherheit für die landwirtschaftlichen Betriebe zu gewährleisten.

DIE VORSCHLÄGE DER GRÜNEN ZUR UMSETZUNG DER EU-AGRARREFORM

Konkret schlagen die Grünen in ihren Anträgen vor, schrittweise regional einheitliche Flächenprämien einzuführen, da damit ihrer Auffassung nach die Leistungen der BäuerInnen zur Erhaltung der Kulturlandschaft am besten honoriert werden könnte, unabhängig vom Anbau bestimmter Früchte bzw. der Haltung bestimmter Tiere. Außerdem wünschen sie sich eine Berücksichtigung des Faktors Arbeit bei den entkoppelten Prämien und eine Bindung der Prämien an KonsumentInnen-, Umwelt- und Tierschutzkriterien. Die durch die "Modulation" frei werdenden Gelder sollen den Grünen zufolge explizit für biologischen Landbau und für besonders tierfreundliche Stall-Haltungssysteme zur Verfügung gestellt werden. (348/A[E])

Ein weiterer G-Entschließungsantrag betreffend nationale Umsetzung der EU-Agrarreform zielte darauf ab, die EU-Agrarförderungsmittel für Verbesserungen der Umwelt, der Produktqualität und für die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse einzusetzen. Bergbauern sollen 100 % ihrer Mutterkuhprämien und 40 % der Schlachtprämien erhalten, das Grünland soll in das Prämiensystem einbezogen und der Umstieg auf artgerechte Tierhaltungsmethoden rasch vollzogen werden. Im Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) soll ein Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut implementiert werden. Schließlich verlangen die Grünen einen wirksamen Außenschutz der europäischen Bäuerinnen und Bauern vor sozialem und ökologischem Dumping (190/A[E]).

Bei der Abstimmung wurde der V-F-Entschließungsantrag mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen; die G-Anträge blieben in der Minderheit.

SPÖ-ANTRAG AUF KOMPETENZÄNDERUNG IM AGRARISCHEN BETRIEBSMITTELRECHT VERTAGT

Gegen die Stimmen der Oppositionsparteien vertagt wurde schließlich ein SP-Antrag, in dem Abgeordneter Heinz Gradwohl die Übertragung der Kompetenzen für das agrarische Betriebsmittelrecht - insbesondere das Futtermittelwesen - an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen forderte.

Im einzelnen begründete Gradwohl seine Initiative, die auch die Unterstützung des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G) fand, mit der Notwendigkeit, den Grundsatz der "Lebensmittel-Basis-Verordnung" der EU, "vom Stall bis zum Teller", auf nationaler Ebene umzusetzen. Derzeit würden aber das Lebensmittelrecht und das agrarische Betriebsmittelrecht in entscheidenden Punkten voneinander abweichen, was die Rechtssicherheit beeinträchtige. Darüber hinaus liege im Hinblick auf die behördliche Kontrolle ein Vollzugsproblem vor, meinte er. Bloß im Gesetz angedrohte, aber nicht verhängte Strafen würden auch in Zukunft keine Lebensmittel- oder Futtermittelskandale verhindern.

Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) bezeichnete den SP-Antrag als in weiten Teilen überholt und sprach sich für eine Vertagung aus.

Landwirtschaftsminister Josef Pröll meinte ebenfalls, dem Antrag habe man in vielen Punkten bereits entsprochen. Im übrigen sei zur Durchsetzung des Prinzips "vom Stall bis zum Konsumenten", das in der Initiative zum Ausdruck kommt, die Agentur für Ernährungssicherheit die entscheidende Antwort. (Schluss)