Parlamentskorrespondenz Nr. 433 vom 09.06.2004

DER ARBEITSINSPEKTOR - DEIN FREUND UND HELFER

Sozialausschuss debattiert über Bericht der Arbeitsinspektion 2002

Wien (PK) – Auch heute hielt der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Sitzung ab. 10 Tagesordnungspunkte galt es zu beraten. Darunter befanden sich der Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2002, das Arbeitsmarktreformgesetz sowie Anträge der SPÖ zu den Themen Mutterschutz, Nachtschwerarbeit und Arbeitslosenversicherung.

Vorerst befassten sich die Ausschussmitglieder mit dem auf einer Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2002 angenommenen Protokoll zum Übereinkommen über den Arbeitsschutz aus 1981 und mit zwei Empfehlungen betreffend die Liste der Berufskrankheiten sowie die Aufzeichnung und Meldung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten bzw. hinsichtlich der Förderung der Genossenschaften. Da Österreich das Übereinkommen über den Arbeitsschutz, 1981, nicht ratifiziert hat und somit eine Ratifikation des Protokolls 2002 nicht möglich ist, hat die Bundesregierung dem Nationalrat einen entsprechenden Bericht (III-81 d.B.), in dem auch die gegenwärtige Rechtslage dargestellt wird, zur Kenntnis zu bringen.

Ein Vergleich mit der aktuellen österreichischen Rechtslage ergibt, dass noch immer Ratifikationshindernisse hinsichtlich des Übereinkommens über den Arbeitsschutz bestehen. In zwei Bereichen werden Forderungen des Übereinkommens nicht ganz erfüllt: Die angemessenen Zwangsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzvorschriften fehlen im öffentlichen Bereich und es besteht auch kein Arbeitsschutzunterricht in den Bildungs- und Ausbildungsstufen. Außerdem stimmt die heimische Rechtslage mit dem Protokoll 2002 insbesondere im Hinblick auf die Berufskrankheiten nicht vollständig überein, da die österreichische Definition enger gefasst ist und es für den/die Arbeitgeber/in diesbezüglich weder eine Aufzeichnungs- noch eine Informationspflicht an den Betriebsrat gibt.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) wies in seiner Wortmeldung darauf hin, dass man nicht in der Lage sei, jene Maßnahmen, die das Internationale Übereinkommen für den Bereich des öffentlichen Dienstes vorsieht, zu setzen.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) wollte wissen, warum man nicht versucht habe, die Ratifizierungshemmnisse des Jahres 1981 zu beseitigen.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) bedauerte ihrerseits, dass das Übereinkommen von Österreich nicht ratifiziert werde, und hielt es für höchst an der Zeit, die Muskel- und Skeletterkrankungen, die man sich im Laufe eines Erwerbslebens erwirbt, in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen; dies wäre vor allem für Frauen, die im Handels- oder Pflegebereich tätig sind, wichtig.

Für die Aufnahme der Muskel- und Skeletterkrankungen in die Berufskrankheitenliste sprach sich auch S-Abgeordnete Christine Lapp aus.

Bundesminister Martin Bartenstein wies darauf hin, dass weder seine Amtsvorgänger noch er eine Ratifizierung des Übereinkommens vorschlagen, weil es bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzvorschriften keine Sanktionen im öffentlichen Dienst gibt. Eine Empfehlung sei unverbindlich und könne nicht ratifiziert werden. Eine Ratifizierung des Protokolls sei nur möglich, wenn das Übereinkommen ratifiziert würde; das Protokoll allein könne man nicht ratifizieren.

Zu der Aufnahme der Muskel- und Skeletterkrankungen in die Berufskrankheitenliste merkte der Ressortleiter an, dass selbst die AUVA gegen die Aufnahme berufsbedingter Muskel- und Skeletterkrankungen in diesen Katalog sei, da sich kaum feststellen lasse, ob es sich um anlagebedingte oder durch Freizeitaktivitäten verursachte Erkrankungen handle. Außerdem falle dieser Bereich nicht in seine Kompetenz, sondern in die Zuständigkeit der Gesundheitsministerin.

In weiteren Wortmeldungen meinte Abgeordnete Brigid Weinzinger (G), bestehende gesetzliche Verpflichtungen für die Privatwirtschaft sollten auch für den öffentlichen Dienst gelten, und Abgeordneter Sigisbert Dolinschek sprach den Arbeitsschutzunterricht an.

Hiezu teilte Bundesminister Martin Bartenstein mit, dass keine Verpflichtung bestehe, den Arbeitsschutzunterricht in die Lehrpläne aufzunehmen. Zu einem von Weinzinger zuvor gebrachten Vergleich meinte der Ressortleiter, die Chancen seien „intakt, intakter als vor einem Monat“, dass den Sozialpartnern das große Projekt Pensionsharmonisierung gelingt. Sollte dies wider Erwarten nicht möglich sein, werde die Regierung sicherlich keine 20 Jahre warten, sondern dieses Projekt konkret vorantreiben.

Die Kenntnisnahme des Berichtes erfolgte mehrheitlich.

Einer breiten Diskussion wurde der Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2002, der von allen Parteien als wertvolle Arbeitsunterlage gelobt wurde, unterzogen. Demgemäß führten im Berichtsjahr die Arbeitsinspektorate bei 72.791 Betriebsstätten und auswärtigen Arbeits-(Bau-)stellen bzw. bei 26 % der vorgemerkten Betriebsstätten (227.913) arbeitnehmerschutzbezogene Tätigkeiten durch. Dabei wurden insgesamt 46.086 Betriebsstätten und 13.327 Arbeits-(Bau-)stellen überprüft. Von den insgesamt durchgeführten 160.582 Amthandlungen waren fast zwei Drittel Überprüfungen. Im Rahmen dieser Überprüfungen wurden bei 40.471 Inspektionen 37.603 Betriebsstätten und auswärtige Arbeits-(Bau-)stellen umfassend stichprobenartig hinsichtlich der Arbeitnehmerschutzbelange überprüft und bei 61.484 Erhebungen gezielte Überprüfungen von Teilaspekten des Arbeitnehmerschutzes durchgeführt.

Ferner nahmen die ArbeitsinspektorInnen an 19.090 Verhandlungen (z.B. gewerberechtliche Genehmigungsverfahren, Bauverhandlungen) teil und führten abgesehen von schriftlichen Erledigungen und internen Besprechungen 39.537 sonstige Tätigkeiten durch.

Zusätzlich wurden im Berichtsjahr Schwerpunktaktionen betreffend Straßenbauarbeiten, die Nachrüstung von Zahnstangen-Bauaufzügen mit Rollenbruchsicherung und die Beschäftigung von LenkerInnen durchgeführt sowie die Kampagne „Sicherheit und Gesundheitsschutz in Bäckereien“ sowie das Kids-Projekt fortgeführt.

Bei fast 37 % aller überprüften und bei über 45 % der inspizierten Betriebsstätten und auswärtigen Arbeits-(Bau-)stellen wurden im Berichtsjahr Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften festgestellt. Gegenüber dem Jahr 2001 nahm der Anteil an Übertretungen etwas ab. Von den 73.209 Übertretungen (ohne Lenkkontrollen) betrafen 67.026 den technischen und arbeitshygienischen Arbeitnehmerschutz, 6.081 den Verwendungsschutz und 102 die Heimarbeit. Rund 41 % der im Bereich Verwendungsschutz festgestellten Mängel (ohne Lenkkontrollen) betrafen das Arbeitszeitgesetz. Bei Lenkkontrollen wurden 132.088 Arbeitstage von LenkerInnen überprüft und dabei 6.887 Mängel festgestellt.

Ausschussobfrau Heidrun Silhavy erklärte unter Bezugnahme auf die rückläufige Zahl der Berufserkrankungen durch Lärm, Prävention zahle sich aus und der Kostenfaktor sollte kein Argument für die Verweigerung der Aufnahme der Erkrankungen des Gelenk- und Stützapparates in die Berufskrankheitenliste sein.

V-Abgeordneter Walter Tancsits sprach die Konzentration von Arbeitsunfällen auf das Baugewerbe an. Außerdem interessierte er sich für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung durch die zivile Zollverwaltung und betonte, eine Erkrankung durch eine allgemeine Tätigkeit im Beruf könne nicht zu einer Aufnahme in die Berufskrankheitenliste führen, vielmehr müsse ein kausaler Zusammenhang gegeben sein.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) kam auf das Thema Mobbing vor allem gegenüber werdenden Mütter zu sprechen und vertrat die Ansicht, damit möchte so mancher Arbeitnehmer seinen eigenen Arbeitsplatz erhalten.

Abgeordneter Walter Schopf (S) verwies darauf, dass sich in vielen Bereichen die Situation der Arbeitnehmer verschlechtert habe, besonders im Handel sind Arbeitszeiten von 18 Stunden täglich oder 60 Stunden wöchentlich keine Seltenheit. Auch bei den Transportunternehmungen werde die Arbeitszeit nicht eingehalten.

Abgeordnete Christine Lapp (S) fragte nach Maßnahmen, um am Arbeitsplatz die Lärmbeeinträchtigungen zu mindern, und wollte wissen, warum bisher die EU-Richtlinie nicht umgesetzt wurde, wonach Menschen, die in Pflegeberufen oder in Berufen, die den Stützapparat stark belasten, Hilfe erhalten sollen, um den Beruf besser meistern zu können.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) unterstrich die Umstellung der Arbeitsinspektion von einer eher strafenden und kontrollorientierten zu einer beratenden und unterstützenden Vorgangsweise. Früher sei die Arbeitsinspektion eine „gefürchtete“ Einrichtung gewesen, heute sei sie der „Partner des Unternehmens“, weil man erkannt habe, dass der Mitarbeiter eine wichtige Ressource sei.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) strich heraus, die bestehenden Gesetze müssten eingehalten werden, was im Interesse aller liege. S-Abgeordneter Dietmar Keck meinte, es gebe viele schwarze Schafe, die das Arbeitszeitgesetz nicht einhalten. Seine Fraktionskollegin Ulrike Königsberger-Ludwig schnitt Probleme der HeimarbeiterInnen, die in zunehmendem Ausmaß freie DienstnehmerInnen sind, und deren fehlende Absicherung an. S-Abgeordneter Karl Dobnigg wünschte Auskunft über Möglichkeiten, damit bei Lenkern das Arbeitszeitgesetz beachtet wird. Der Staatspreis für Arbeitssicherheit bietet nach Meinung des F-Abgeordneten Sigisbert Dolinschek einen Anreiz, dass sich Betriebe um die Arbeitssicherheit und um eine bessere Qualität am Arbeitsplatz bemühen. Die Gender-Politik schnitt Abgeordneter Werner Fasslabend an, nehme doch die Gesellschaft bewusst in Kauf, dass 80 % der Arbeitsunfälle Männern passieren. Abgeordnete Erika Scharer (S) thematisierte die Kontrolle der illegalen Beschäftigung von Ausländern sowie die Schwarzarbeit und machte darauf aufmerksam, dass dadurch geschätzte 22 Mrd. € an Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern hinterzogen werden. S-Abgeordneter Manfred Lackner sprach sich für eine betriebliche Gesundheitsförderung zur Vermeidung arbeitsbedingter Erkrankungen aus. Ein besonderes Anliegen der S-Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek betraf Mutterschutzfragen, vor allem trat sie für besondere Beratungsangebote für werdende Mütter ein. Auf die Arbeitszeitübertretungen bei den ErntehelferInnen im Marchfeld kam Abgeordnete Bridig Weinzinger (G) zu sprechen. Stimmen die Vorwürfe, dass die HelferInnen nach ein paar Wochen von der Arbeit verbraucht sind und ausgewechselt werden sowie aus Erschöpfung auf den Feldern zusammenbrechen, dann müsse sie dies melden, damit solche Zustände unverzüglich abgestellt werden könnten, betonte V-Abgeordneter Karl Donabauer.

Bundesminister Martin Bartenstein bedankte sich zunächst für die Anerkennung der Arbeit der mehr als 300 Arbeitsinspektoren in ganz Österreich von Seiten der Abgeordneten. Sodann ging er auf die zahlreichen Fragen ein und wies im Zusammenhang mit der illegalen Ausländerbeschäftigung darauf hin, dass das Personal in diesem Bereich deutlich aufgestockt wurde; seit dem 1. Mai 2004 gibt es insgesamt 186 Planstellen.

Ein primäres Ziel seines Ressorts sei es auch, die Arbeitsunfälle und berufsbedingten Krankheiten zu reduzieren, wobei insgesamt die Tendenz stimme, erklärte der Minister. Eine positive Bilanz zog Bartenstein auch im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz, weil durch wichtige Neuregelungen in den letzten Jahren sehr "viel an Streitpotenzial aus diesem Thema herausgenommen" wurde. Außerdem sei es auch gelungen, dass die kontrollierten Betriebe diese Maßnahmen vermehrt als Beratung empfinden, und zwar nach dem Motto "der Arbeitsinspektor - dein Freund und Helfer". Neben einigen "schwarzen Schafen" gebe es andererseits auch viele bemerkenswerte Betriebe, wie Magna in Graz, wo z.B. auf schwangere Frauen besonders Rücksicht genommen werde, berichtete er. Er sei deshalb auch für die Anregung dankbar, dass die Mutterschutzmaßnahmen bei freien Dienstnehmerinnen ausgebaut werden sollten; dieses Problem sollten sich die Sozialpartner einmal anschauen, schlug er vor.

Zum Thema Berufskrankheiten merkte Bartenstein an, dass man auch den Kostenfaktor berücksichtigen müsse und zudem in vielen Fällen, wie z.B. bei Rückenschmerzen, eine medizinisch-diagnostische Kausalität oft nicht nachweisbar ist. Oberste Priorität habe daher seiner Meinung nach die Prävention, weshalb auch vermehrt Schwerpunktaktionen durchgeführt werden. Deutlich mehr gemacht werde auch im Bereich Lärmbeeinträchtigung, urteilte Bartenstein.

Was die generelle Arbeitsmarktsituation betrifft, so betrachte er diese zwar mit Sorge, katastrophal sei sie aber sicher nicht. Bemerkenswerte Rückgänge könne man z.B. bei der Jugendarbeitslosigkeit feststellen, wo die Maßnahmen gut greifen, aber auch bei den älteren Arbeitnehmern. Er bedauerte, dass die neuen Regelungen bezüglich der Ladenöffnungszeiten teilweise nicht genützt werden, da es sich dabei um vergebene Jobchancen handle. Zu dieser Thematik werde er auch eine Studie in Auftrag geben, kündigte er an.

Der Bericht wurde sodann einstimmig zur Kenntnis genommen und zugleich einer Enderledigung zugeführt. (Fortsetzung)