Parlamentskorrespondenz Nr. 510 vom 29.06.2004

VERFASSUNGSAUSSCHUSS: MEDIENGESETZE MÜSSEN WARTEN

SPÖ und Grüne für Beschlussfassung im September

Wien (PK) - Die von ÖVP und FPÖ geplanten Gesetzesänderungen im Medienbereich müssen warten. SPÖ und Grüne lehnten es heute ab, die Tagesordnung des Verfassungsausschusses um einen erst gestern von den beiden Koalitionsparteien eingebrachten Antrag zu ergänzen. Für eine Ergänzung der Tagesordnung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Ausschussvorsitzender Peter Wittmann (S) und Abgeordnete Terezija Stoisits (G) machten geltend, dass der entsprechende VP-FP-Antrag erst heute Vormittag an die Abgeordneten verteilt worden sei und diese daher keine Gelegenheit hatten, die umfangreichen Gesetzesänderungen zu prüfen. Überdies erinnerte Wittmann an eine Vereinbarung, der zufolge der Gesetzentwurf dem Nationalrat bis spätestens 8. Juni vorgelegt werden hätte sollen.

Sowohl SPÖ als auch Grüne boten an, die Gesetzesänderungen gleich zu Beginn der nächsten Tagungsperiode im September zu beraten und zu beschließen, wobei Abgeordneter Josef Cap namens der SPÖ Bereitschaft signalisierte, inhaltlich zu einem Konsens zu kommen.

Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) und Abgeordnete Magda Bleckmann (F) drängten dem gegenüber auf eine rasche Beschlussfassung der Gesetzesänderungen im Nationalrat. Ein Aufschub auf September würde für manche Privatrundfunk-Betreiber Probleme verursachen, wies Baumgartner-Gabitzer auf die Dringlichkeit der Materie hin und gab zu bedenken, dass einige Lizenzen im nächsten Jahr auslaufen und die Betroffenen aufgrund entsprechender Vorlauffristen Planungssicherheit bräuchten. Der vorgesehene Termin für das Inkrafttreten der Gesetzesänderungen wäre der 1. August 2004, skizzierte die Abgeordnete, selbst dieser Termin sei schon "sehr knapp". Sie regte an, die Beratungen heute im Verfassungsausschuss zumindest zu beginnen und vor den kommenden Nationalratssitzungen noch einen zusätzlichen Ausschusstermin einzuschieben.

Abgeordneter Josef Cap meinte hingegen, eine Beschlussfassung in der ersten September-Sitzung des Nationalrats wäre nicht zu spät. Es wäre besser, wenn die Gesetze auf einem breiten Konsens beruhten, unterstrich er, dann wären sie nicht nur "haltbarer", sondern auch besser kommunizierbar.

Abgeordnete Bleckmann hielt im Hinblick auf eine kritische Anmerkung Wittmanns fest, die Koalition habe sich lediglich in einem Punkt noch nicht einigen können und diesen daher vorerst im Gesetzentwurf durch die Einfügung von "xxx" offen gelassen.

Laut Antrag der Koalitionsparteien sollen das Privatradiogesetz, das Privatfernsehgesetz, das KommAustria-Gesetz und das ORF-Gesetz geändert sowie das Fernsehsignalgesetz aufgehoben werden. Unter anderem ist vorgesehen, ein bundesweites privates Radioprogramm zuzulassen, bestehenden Privatradiosendern grundlegende Änderungen des Programmcharakters zu ermöglichen und der Medienbehörde KommAustria das Recht einzuräumen, den ORF bei Verstößen gegen geltende Werbebeschränkungen beim Bundeskommunikationssenat anzuzeigen. Weiters will man bei der Zuteilung von Radiofrequenzen neue Wege beschreiten und durch eine Präzisierung der Gesetzesbestimmungen Vorsorge für einen möglichst raschen und reibungslosen Start von terrestrischem Digitalfernsehen in Österreich treffen. Verbreitungsverpflichtungen für Kabelnetzbetreiber sollen dafür sorgen, dass die Präsenz österreichbezogener Fernsehprogramme in den Kabelnetzen erhöht wird.

Konkret wird im Gesetzentwurf vorgeschlagen, die Bestimmungen über die Zuordnung von Hörfunkfrequenzen im Privatradiogesetz zu adaptieren. Statt, wie es in den Erläuterungen heißt, kleinste neue Versorgungsgebiete zu schaffen und damit die Hörfunklandschaft zu zersplittern, soll der Verbesserung der Frequenzausstattung bestehender Radiobetreiber Vorrang eingeräumt werden. Gleichzeitig ist geplant, den Verfahrensablauf zur Zuteilung freier Frequenzen zu straffen. Für Anträge auf Schaffung eines neuen Versorgungsgebiets wird als Mindestgröße grundsätzlich ein Richtwert von 50.000 Personen technischer Reichweite festgelegt.

Erstmals könnte in Hinkunft ein bundesweites privates Radioprogramm zugelassen werden. Zu diesem Zweck würde gemäß VP-FP-Antrag bestehenden Sendern erlaubt, ihre Zulassung inklusive der technischen Anlagen an eine Kapitalgesellschaft zu übertragen. Voraussetzung für die Erteilung der entsprechenden Zulassung ist, dass mit den zur Verfügung stehenden Frequenzen mindestens 60 % der österreichischen Bevölkerung erreicht werden. Das bundesweite Programm muss, so der Vorschlag, mindestens 14 Stunden täglich ein "Vollprogramm" senden, regionale Informationssendungen und Werbefenster sollen nur bis zu einer Dauer von maximal 10 % der täglichen Sendezeit erlaubt und müssten je Bundesland einheitlich sein. Derselbe Medienverbund soll im Übrigen denselben Ort des Bundesgebietes im Wege einer bundesweiten Zulassung nur einmal versorgen dürfen.

Sowohl Privatradio- als auch Privatfernseh-Betreibern wird darüber hinaus, geht es nach ÖVP und FPÖ, künftig die Möglichkeit eingeräumt, den Programmcharakter ihres Senders grundlegend zu ändern. Damit sollen sie besser auf veränderte Marktgegebenheiten reagieren und ihre Programmgestaltung neu ausrichten können, sollte sich das ursprünglich gewählte Format als nicht Erfolg versprechend erweisen. Voraussetzung für eine solche Programmänderung ist allerdings ein mindestens zweijähriger Sendebetrieb sowie eine ausdrückliche Genehmigung der Regulierungsbehörde KommAustria, welche bei ihrer Entscheidung auch die Interessen der Mitbewerber, die Angebotsvielfalt und die Wettbewerbssituation generell zu berücksichtigen hat. Zur Verbesserung der Rechts- und Planungssicherheit der Hörfunkveranstalter erfolgt im Gesetz eine demonstrative Aufzählung, wann eine grundlegende Änderung des Programmcharakters vorliegt.

Darüber hinaus soll durch eine Änderung des Privatfernsehgesetzes der Betreiber eines privaten TV-Senders künftig auch mehr als 50 % seiner Anteile verkaufen können, ohne dass dadurch die Zulassung des Programms automatisch erlischt. Anteilsverkäufe unter 50 % müssen gegenüber der KommAustria nicht mehr im Vorhinein angezeigt werden.

Neu ist laut VP-FP-Antrag weiters, dass die KommAustria künftig bei einer vermuteten Verletzung der Werbe-, Sponsoring- und Product-Placement-Bestimmungen durch den ORF ein Verfahren beim Bundeskommunikationssenat einleiten kann. Mit diesem Schritt will man, so die Erläuterungen, die Rechtsaufsicht gegenüber dem ORF effizienter gestalten. Gleichzeitig ist die KommAustria in Hinkunft angehalten, sowohl den ORF als auch private Radio- und Fernsehprogramme im Hinblick auf die Einhaltung der Werbebeschränkungen genau zu beobachten und die Ergebnisse der Auswertungen zu veröffentlichen.

Noch unklar ist, ob die Zahl jener Unterschriften gesenkt wird, die für eine Beschwerde von Hörern und Sehern beim Bundeskommunikationssenat wegen Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen durch den ORF notwendig sind. Derzeit muss der Beschwerdeführer 300 weitere Unterschriften vorlegen, diese Zahl wurde im vorliegenden Gesetzentwurf vorläufig durch "xxx" ersetzt.

Umfassende Bestimmungen enthält der Gesetzentwurf in Bezug auf die Zulassung so genannter terrestrischer Multiplex-Plattformen, das sind Kommunikationsnetze zur Übertragung digitaler Programme und Zusatzdienste. Unter anderem werden die Auflagen für terrestrische Multiplex-Betreiber ergänzt; diese können etwa dazu verpflichtet werden, ein ausgewogenes Programmangebot bzw. vorrangig Programme mit österreichbezogenen Beiträgen zu verbreiten. Außerdem wird im Gesetz Vorsorge für einen "inselweisen" Umstieg auf digitale Verbreitung von Fernsehprogrammen getroffen.

Weitere Punkte des Gesetzentwurfs betreffen weitere Bestimmungen im Privatfernsehgesetz im Hinblick auf die digitale Übertragung von Fernsehsignalen - hier gilt es ein Richtlinienpaket der EU umzusetzen -, die Erteilung von Bewilligungen für Pilotversuche im Zusammenhang mit digitalem Hörfunk, die Vereinheitlichung und Präzisierung der Bestimmungen über die Mitbenutzung von Sendeanlagen des ORF durch Privatsender und Multiplex-Betreiber, die Interoperabilität von Digitalfernsehgeräten sowie die Möglichkeit der Regulierungsbehörde, bestimmte Übertragungskapazitäten für Hörfunkprogramme zur Planung neuer Versorgungsgebiete zu reservieren. Private Radiosender dürfen in Hinkunft außerdem bis zu 80 % ihres Programms von anderen Anbietern übernehmen (bisher 60 %), eine zeitgleiche Übernahme von Sendungen bundesweit zugelassener Sender ist allerdings untersagt. (Fortsetzung)