Parlamentskorrespondenz Nr. 740 vom 21.10.2004

EUROFIGHTER: KEINE EINIGUNG IM RECHNUNGSHOFAUSSCHUSS

Beratungen nach fast 18 Stunden unterbrochen

Wien (PK) - Nach beinahe 18-stündiger Debatte unterbrach Ausschussvorsitzender Werner Kogler (G) heute knapp vor 9 Uhr die Beratungen des Rechnungshofausschusses des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofes zum Thema Eurofighter. Damit reagierte er einerseits darauf, dass Abgeordnete der ÖVP und FPÖ zwanzig Minuten vorher den Ausschuss ohne Kommentar verlassen hatten und der Ausschuss damit nicht mehr beschlussfähig war, andererseits wollte er den Abgeordneten die Gelegenheit geben, an der zur Vorstellung der neuen Außenministerin Ursula Plassnik einberufenen Nationalratssitzung teilzunehmen.

Ein Ende der Beratungen ist weiter nicht absehbar, es stehen nach wie vor eine Reihe von Abgeordneten auf der Rednerliste. Kogler will die Sitzung jedenfalls am Mittwoch, dem 27. Oktober, um 9 Uhr wieder aufnehmen, ein früherer Termin ist seiner Meinung nach in sinnvoller Weise nicht möglich.

SPÖ und Grünen wollen unbedingt zusätzliche Auskunftspersonen zur Typenentscheidung befragen, konnten die ÖVP- und FPÖ-Vertreter im Rechnungshofausschuss bisher aber nicht von ihren Argumenten überzeugen. Die Koalitionsparteien sehen die Beratungen als abgeschlossen und können keine Notwendigkeit erkennen, zusätzlich den ehemaligen Verteidigungsminister Herbert Scheibner, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider sowie weitere an der Beschaffungsentscheidung beteiligte Personen zu laden. Ihrer Ansicht nach will die Opposition die Beratungen absichtlich in die Länge ziehen und somit eine Abstimmung über den Bericht des Rechnungshofes verhindern, diese verweist im Gegenzug auf zahlreiche offene Fragen.

Abgeordneter Günther Kräuter (S) forderte gleich zu Beginn der Sitzung die Ladung Haiders, wobei er argumentierte, der Kärntner Landeshauptmann habe sich kritisch zur Typenentscheidung geäußert und davon gesprochen, dass es einen "absoluten Verdacht" auf das Vorliegen strafrechtlich verfolgbarer Tatbestände gebe. Darüber hinaus verlangte Kräuter auch die Ladung des damaligen Verteidigungsministers Scheibner und von Finanzminister Grasser.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) warf ein, eigentlich sollte der Bericht des Rechnungshofes und nicht das tagespolitische Geschehen im Vordergrund stehen. Es habe bereits mehrere Sitzungen des Rechnungshofausschusses sowie eine Sondersitzung zum Thema Eurofighter gegeben. Überdies hätten Verteidigungsminister Platter und Wirtschaftsminister Bartenstein vor dem Ausschuss ausgesagt. Von Dialogverweigerung durch die Regierungsparteien könne keine Rede sein. Der Opposition gehe es nur darum, die Debatte in die Länge zu ziehen. Unrichtige Vorwürfe würden dadurch aber auch nicht wahrer, meinte Gahr. Im Übrigen trat der VP-Fraktionsführer im Rechnungshofausschuss dafür ein, den Rechnungshofbericht einschließlich seiner Kritikpunkte zur Kenntnis zu nehmen.

Abgeordneter Detlef Neudeck (F) qualifizierte den Bericht als in weiten Bereichen positiv und sah keinerlei Grund für eine "ausufernde" Ladung weiterer Personen. Aus Profilierungssucht und für die mediale Öffentlichkeit werde seitens der Opposition versucht, einen korrekten Beschaffungsvorgang zu kriminalisieren. Neudeck gab zu bedenken, die von SPÖ und Grünen angesprochenen Gegengeschäfte seien derzeit vom Rechnungshof noch nicht einmal geprüft worden.

Abgeordneter Peter Pilz (G) warf hingegen den Regierungsparteien vor, keinerlei sachliche Begründung für die Ablehnung der Ladungsanträge zu liefern. Der Rechnungshofbericht sei noch nicht ausschöpfend behandelt worden. So konnte, wie Pilz betonte, noch nicht geklärt werden, was letztlich zum Wechsel von Gripen auf den Eurofighter innerhalb weniger Wochen geführt hatte. Faktum ist für Pilz auch, dass die Gegengeschäfte bei der Entscheidung keine Rolle gespielt haben. Im Übrigen sei nicht Scheibner, der ursprünglich dem schwedischen Modell den Zuschlag geben wollte, der Hauptverantwortliche, sondern Finanzminister Grasser. Dieser habe, so Pilz, die Garantie übernommen, dass sämtliche zusätzliche Betriebskosten des teureren Eurofighters aus dem Budget des Finanzministeriums bestritten würden.

Auch im Verlauf der weiteren Diskussion kam es zu keiner Annäherung der Standpunkte. Seitens der Koalitionsparteien bekräftigte Abgeordneter Detlef Neudeck (F), weder der Rechnungshofbericht noch die immer gleichen Argumente der Opposition böten seiner Meinung nach einen Anlass, weitere Auskunftspersonen zu laden, eine Meinung, der sich auch V-Abgeordneter Walter Murauer anschloss. "Wir sollten einen Schlusspunkt finden und den Rechnungshofbericht im Plenum des Nationalrats diskutieren", unterstrich er.

Dem gegenüber beharrte Abgeordneter Peter Pilz (G) auf seinem Standpunkt, dass seitens des Verteidigungsministeriums eine Reihe offener Fragen nicht beantwortet werden konnte, etwa in Bezug auf die Erfüllung mancher Muss-Kriterien durch die Anbieter. Auch der Rechnungshof habe auf mehrere Fragen keine Antwort erhalten, skizzierte er. Die Zahl der mit dem Finanzminister zu klärenden Fragen bezifferte er mit 30. Pilz zeigte sich verwundert, dass sich ÖVP- und FPÖ-Abgeordnete mit diesem Sachverhalt zufrieden geben würden und Arbeitsverweigerung betrieben. "Nichts hören und nichts sehen" sei, so der Abgeordnete, offenbar das Motto.

Konkret interessierte sich Pilz etwa für die Kosten eines Vertragsausstiegs. Seines Wissens nach müssten nur die bis zum Vertragsausstieg angelaufenen und dokumentierten Kosten abgegolten werden, meinte er, die Kosten wären für Österreich also tragbar, solange die Tranche 2 der Eurofighter noch nicht in Produktion gegangen sei.

Darüber hinaus wies Pilz darauf hin, dass die Flugzeuge der Tranche 2 echte "Kampfbomber" seien. Der Beitrag Österreichs für die Framework­-Brigarde bei internationalen Einsätzen liege aber nicht in der Zurverfügungstellung von derartigen Luftstreitkräften. Notwendig wäre daher die Erstellung eines neuen Pflichtenheftes gewesen, argumentierte Pilz. Er stellte die Vermutung in den Raum, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung sowie das Finanzministerium den Nationalrat sowie wahrscheinlich auch die Regierungsmitglieder über die wahren Kosten des Eurofighter getäuscht hat. Ausschussvorsitzender Werner Kogler (G) wies ebenfalls auf zahlreiche offene Fragen hin und verglich die Entscheidung der Regierung zugunsten des Eurofighters mit der Anschaffung eines Ferraris, obwohl ein Mittelklassewagen ausgeschrieben gewesen sei.

Auch Abgeordneter Gerhard Reheis (S) klagte, die Abgeordneten der Koalitionsparteien hätten kein Interesse daran, das "Milliardendesaster" der Regierung aufzuklären. Der Kauf ist seiner Meinung nach regelwidrig erfolgt, zudem vermisst er nach wie vor ein Finanzierungskonzept. Sein Fraktionskollege Christian Faul äußerte den Verdacht, dass so lange an der Kosten-Nutzwert-Analyse "geschraubt wurde", bis der Eurofighter den Zuschlag bekommen habe. Allein der große Unterschied zwischen Barzahlung und Ratenzahlung sei ein triftiger Grund für die Ladung des Finanzministers, meinte Abgeordneter Prähauser (S). Das Landesverteidigungsministerium werde in Zukunft kaum mehr einen budgetären Spielraum haben. Sogar 56% der ÖsterreicherInnen vertrete laut einer repräsentativen Umfrage die Meinung, dass beim Eurofighter-Kauf nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei, sagte Abgeordneter Kräuter (S). Schon deshalb müsse der Nationalrat aufklären.

SPÖ und Grüne wollen neben Grasser, Scheibner und Haider folgende weitere an der Beschaffungsentscheidung beteiligte Personen als Auskunftspersonen laden: den FPÖ-Experten Günter Barnet, General Peter Corrieri, General Horst Pleiner, den Ministerialrat im Finanzministerium Herbert Hillingrathner, den ehemaligen Leiter der Bewertungskommission Brigadier Wolfgang Katter, Brigadier Josef Bernecker, Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler, Generalmajor Othmar Commenda und Ministerialrat a.D. Heribert Wagner. (Schluss)