Parlamentskorrespondenz Nr. 887 vom 01.12.2004

FINANZAUSGLEICH PASSIERT AUSSCHUSS - ZÄHNEKNIRSCHEN WAR HÖRBAR

Grasser: guter Kompromiss - S/G stimmen teilweise zu

Wien (PK) - Der Finanzausschuss hat heute unter der Vorsitzführung seines Obmannes Günter Stummvoll den zwischen Bund, Ländern und Gemeinden paktierten "Österreichischen Stabilitätspakt 2005" (701 d.B.) und den neuen Finanzausgleich (FAG 2005, 702 d.B.) für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31.12.2008 beschlossen. - In getrennter Abstimmung wurden die einzelnen Kapitel des Finanzausgleichsgesetzes 2005 unter Berücksichtigung eines umfangreichen V-F-Abänderungsantrages mit wechselnden Mehrheiten verabschiedet. Die SPÖ war gegen die Erhöhung von Selbstbehalten und Beiträgen im Gesundheitswesen sowie gegen Leistungseinschränkung bei Sehbehelfen. Die Grünen stimmten nur der Erhöhung der Tabaksteuer zu. - Der Stabilitätspakt erreichte die Zustimmung der Mehrheit der Regierungsparteien.         

 

Wie Finanzminister Karlheinz Grasser erläuterte sei es das oberste Ziel von Bund, Ländern und Gemeinden, über den Konjunkturzyklus hin ausgeglichene öffentliche Finanzen zu erzielen und im Jahr 2008 gemeinsam wieder ein Nulldefizit zu erreichen. Dem entspreche auch das neue Finanzausgleichsgesetz 2005 und begleitende Änderungsvorschläge im Zweckzuschussgesetz, im ASVG und anderen Sozialversicherungsgesetzen sowie im Krankenanstaltengesetz und im Tabaksteuergesetz. Es sieht gegenüber dem bisherigen FAG 2001 höhere Ausgaben des Bundes um 212 Mill. € jährlich vor, während die Einnahmen der Länder um 112 Mill. € und jene der Gemeinden um 100 Mill. € steigen. Maßnahmen im Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung bringen ab Anfang 2005 300 Mill. € infolge zusätzlicher Einnahmen und geringerer Ausgaben. Die Hälfte dieses Betrages fließt zur Krankenanstaltenfinanzierung an die Landesgesundheitsfonds. Den einnahmenseitigen Maßnahmen steht ein gleichwertiges Paket an Ausgabenreduktionen gegenüber.

Beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel werden die Gemeinden bis 10.000 Einwohner durch die Erhöhung des untersten Vervielfachers aufgewertet; der Sockelbetrag entfällt. Mindereinnahmen der Städte werden durch eine Finanzzuweisung des Bundes ausgeglichen. Länder und Gemeinden erhalten jährlich jeweils 100 Mill. € als Finanzzuweisung des Bundes. Jene an die Gemeinden dient als Ausgleich für Mindereinnahmen aus der Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Die Gemeinden erhalten zusätzliche Finanzzuweisungen von 100 Mill. € jährlich, teilweise zum Ausgleich von Mindereinnahmen aus der Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels.

Im Bereich von Krankenanstalten und Sozialversicherung sind folgende Maßnahmen vorgesehen: Die Länder können den Spitalskostenbeitrag von 8 € auf 10 € erhöhen. Einnahmen aus dem Spitalskostenbeitrag fließen an die Länder. Der Krankenversicherungsbeitrag wird auf Wunsch der Länder um 0,1 % für die Jahre 2005 bis 2008 erhöht, was Mehreinnahmen von 120 Mill. € erwarten läßt. Die Einschränkung von Leistungen der Krankenversicherungsträger bei der Finanzierung von Brillen wird eine Verringerung des Ausgabenvolumens von rund 35 Mio. € zur Folge haben. Von einer Erhöhung der Tabaksteuer um 18 Cent pro Packung erwartet der Finanzminister Mehreinnahmen von 90 Mill. €, die zu einem Drittel der Krankenversicherung und zu zwei Drittel den Landesgesundheitsfonds zugute kommen sollen.

EINE LEBHAFTE DEBATTE

In der Debatte kritisierte Abgeordneter Christoph Matznetter (S) die kurzfristige Vorlage eines umfangreichen Abänderungsantrages von Seiten der Regierungsparteien und zeigte sich auch angesichts der Vielzahl der heutigen Ausschüsse besorgt um eine sorgfältige Gesetzgebung, von der das Ansehen der Politik insgesamt abhänge. Ausschussobmann Günter Stummvoll schloss sich Matznetters Kritik insoferne an, als er sagte, eine seriöse Arbeit in den Ausschüssen sei sehr erschwert, wenn der einzelne Abgeordnete nicht mehr wisse, in welchen Ausschuss er gehen solle.

Inhaltlich eröffnete Abgeordneter Matznetter die Debatte über den neuen Finanzausgleich und den Stabilitätspakt mit der Ankündigung, dass die Sozialdemokraten "zähneknirschend" zustimmen werden. Er anerkenne die Anstrengungen der Länder und verstehe den Abschluss dieses Paktes, sagte Matznetter, gab aber zu bedenken, dass die Auswirkungen der Steuerreform die Gemeindefinanzen belasten. Das Ziel des Stabilitätspaktes, bis 2008 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, werde mit normalen Haushalten und ohne weitere Maßnahmen, also Selbstbehalte, nicht möglich sein. In diesem Zusammenhang erinnerte Matznetter an die Kritik seiner Fraktion an der Steuerreform, die Regierung habe aber darauf verzichtet, das Verhältnis zwischen nominaler und effektiver Besteuerung zu verbessern. Statt dessen habe man ein Riesenloch bei der Körperschaftssteuer aufgerissen. Dieses Loch müsse durch Sparpakete geschlossen werden, der neue Finanzausgleich sei kein Beitrag zur Verbesserung der Gemeindefinanzen.

Abgeordneter Werner Fasslabend (V) erinnerte an die schwierige Ausgangslage bei Beginn der Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich sowie an die ehrgeizigen Ziele, die die Verhandlungspartner verfolgten. Er lobte den Finanzminister, der diese schwierigen Verhandlungen zu einem guten Ergebnis geführt habe. Es handle sich um einen Kompromiss im besten österreichischen Sinne, um einen Akt der Solidarität, der es zugleich erlaube, die Abgabenquote zu senken. Besondere Freude zeigte Fasslabend über die Zustimmung der SPÖ.

Abgeordneter Werner Kogler (G) betrachtete den neuen Finanzausgleich aus der Sicht eines Bundesvertreters und stellte fest, das vielzitierte Reformtempo seimäßig. Beim Gesundheitspaket anerkannte er die Vereinbarung wechselseitiger Verpflichtungen, stellte aber die Frage, wo die künftigen Effizienzpotenziale lägen. Bei den kleinen Gemeinden werde man keine Milliardenbeträge heben können, sagte Kogler, meinte aber, dass es möglich sei, bei den Ländern per Verwaltungsreform etwas zu erreichen.

Grundsätzlich sagte Kogler, der Finanzausgleich müsse aufgabenorientierter werden, wobei er die besonderen Funktionen der Ballungs- und Zentralräume in Erinnerung rief und generell feststellte, dass die Gemeinden im Vergleich zu den Aufgaben, die sie übertragen bekommen haben, unterdotiert seien.

Konkret wandte sich Kogler dann der Wohnbauförderung zu und kritisierte, dass den Ländern erlaubt wurde, mit diesen insgesamt 1,8 Mrd. € auch Straßen- und Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Er lehne das im Sinne der Transparenz ab.

Abgeordneter Jakob Auer (V) stellte fest, dieser Finanzausgleich sei nicht das, was für die schwachen Gemeinden notwendig wäre. Auer anerkannte aber, dass der Finanzminister Verbesserungen für finanzschwache Gemeinden erreicht habe. Seine Detailfragen galten der Prognose für die Ertragsanteilsentwicklung, außerdem wies er darauf hin, dass die kleinen Gemeinden pro Kopf wesentlich günstigere Verwaltungskosten ausweisen als große Gemeinden. Auers Bitte war, künftig bei der Beratung des Finanzausgleichs dem Parlament mehr Mitsprache zu geben. Er werde wahrscheinlich zustimmen, "es werden aber nicht nur die Zähne knirschen, sondern auch die Knochen".

Abgeordneter Hannes Bauer (S) sprach sich dafür aus, den Finanzausgleich nicht mechanistisch, sondern aufgaben- und regionalorientiert zu diskutieren. Bauer wollte die Funktionen der Gemeinden im Auge behalten, statt nur auf Kostenminimierung zu schielen. Denn es gebe Möglichkeiten, die Effizienz zu erhöhen.

Abgeordneter Josef Bucher (F) bezeichnete den ausgehandelten Finanzausgleich als vernünftig und intelligent, da er Vorteile für kleine Gemeinden bringe. Buchers Frage an den Finanzminister lautete, wann die Werbeausgabe abgeschafft werde.

Abgeordneter Reinhold Mitterlehner (V) kritisierte die "Überförderung" der Bundesländer bei der Wohnbauförderung und brach eine Lanze für eine subjektive Wohnbauförderung. Mitterlehner brachte einen Antrag zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes ein, die technisch notwendige Ergänzungen im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich enthält.

Abgeordneter Dietmar Hoscher (S) wies den Vorschlag einer Subjektförderung im Wohnbau zurück, weil dies ineffizient wäre. Hoscher kündigte an, dass die SPÖ das Gesundheitspaket mit Ausnahme der Erhöhung der Tabaksteuer ablehnen werde. Hinsichtlich der thermischen Sanierung von Gebäuden, von der eine große inländische Wertschöpfung zu erwarten sei, sprach sich Hoscher für Sanktionen gegen jene Bundesländer aus, die ihre diesbezüglichen Aufgaben nicht erfüllten.

Abgeordnete Michaela Sburny (G) drängte darauf, bis zum nächsten Finanzausgleich zu klären, welche Aufgaben die Gemeinden zu erfüllen haben. Es sei nicht konsequent, über die Ausdünnung des ländlichen Raumes zu jammern und gleichzeitig Strukturen bei der Post und im Nahverkehr zu zerstören. Sburny verlangte eine parlamentarische Enquete über optimale Verwaltungsräume. Während Österreich 2500 Gemeinden habe, seien es in Schweden nur 400.

Abgeordneter Kurt Gassner (S) wollte von "Aufgabenorientierung" nichts mehr hören und schlug stattdessen vor, sich an den Menschen zu orientieren, die ein Recht darauf haben, dass in ihrer Gemeinde eine gewisse Lebensqualität gesichert wird. Die 100 Mill. €, die die Gemeinden im Zuge des Finanzausgleichs erhalten, seien "ein Klacks" gegenüber dem, was ihnen der Finanzminister unter dem Titel Steuerreform bis 2007 wegnehme, nämlich insgesamt eine Milliarde €. Die Gemeinden würden "entleert", müssten Investitionen zurückstellen und daraus folgen auch Nachteile für die Wirtschaft.

Abgeordneter Georg Keuschnigg (V) meinte, "bei aller Liebe zu den Postämtern" könne man nicht alle halten, weil das Internet zu einer Verringerung des Postverkehrs geführt habe.

Abgeordneter Hans Langreiter (V) begrüßte den Einstieg in den Ausstieg aus dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Das bringe den kleinen Gemeinden etwas. Das Ergebnis der Finanzausgleichsverhandlungen sei gut.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) zeigte sich mit der Wohnbauförderung und dem Gesundheitspaket nicht hundertprozentig zufrieden. Er sah die freie Verwendung der Wohnbaumittel durch die Länder kritisch, zeigte sich aber angetan vom vorgesehenen Kyoto-Kontrollmechanismus.

Die Wohnbauförderung sei gemeinsam mit dem FLAF ein Instrument zur Förderung der jungen Generation und zur Mittelstandsbildung. Keine Freude zeigte Tancsits mit den Beitragserhöhungen im Gesundheitspaket, die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage gehe in Richtung Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems.

Finanzminister Karlheinz Grasser stellte den neuen Finanzausgleich als einen guten Kompromiss vor, auch wenn er einräumte, dass der eine oder andere Kritikpunkt, der in der Debatte aufgezeigt wurde, berechtigt sei. Beim Finanzausgleich sei aber der gesamtpolitische Kompromiss wichtig, betonte der Ressortleiter. Grasser hob hervor, dass alle Finanzausgleichspartner sich zum Grundsatz einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik und zum Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2008 bekennen. Wichtig sei, dass den zusätzlichen Einnahmen im Rahmen des Gesundheitspakets mindestens ebenso große Ausgabenreduktionen gegenüber stehen.

Zur Diskussion um den aufgabenorientierten Finanzausgleich erinnerte der Minister daran, dass der Städte- und Gemeindebund keine Vorschläge unterbreitet habe. Die Aufgabe sei schwierig, auch deshalb, weil Eingriffe in die Gemeindeautonomie vermieden werden müssen. Daher habe man beim vorliegenden Finanzausgleich darauf verzichtet, neuerlich einen aufgabenorientierten Finanzausgleich in Auftrag zu geben.

Die Verwaltungsreform werde ebenso fortgesetzt, wie die stabilitätsorientierte Budgetpolitik, sagte der Finanzminister, der sich bei der SPÖ für ihre Zustimmung bedankte, zugleich aber den Vorwurf zurückwies, es drohten weitere Sparpakete.

Bei der Wohnbauförderung habe man eine weiter gefasste Definition ("Investitionsbeitrag für Wohnbau, Umwelt und Infrastruktur") für den Verwendungszweck im Finanzausgleichsgesetz verankert. Dies bedeute keine inhaltliche Änderung gegenüber der bisher geübten Praxis. (Fortsetzung)