Parlamentskorrespondenz Nr. 17 vom 18.01.2005

EXPERTENHEARING IM FINANZAUSSCHUSS: PRO UND CONTRA BASEL II

Neue Eigenkapitalvorschriften - KMU und Kleinbanken in Bedrängnis

Wien (PK) - Der Finanzausschuss hielt zu Beginn seiner heutigen Sitzung eine Anhörung prominenter Experten mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl an der Spitze zum Thema "Basel II" ab. Benannt nach dem Sitz der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), tituliert "Basel II" die neuen Vorschläge internationaler Bankenaufseher zur Sicherung des Finanzsystems, die von der EU in Form einer Richtlinie implementiert werden sollen. Das Risiko, das Banken mit der Vergabe von Krediten übernehmen, soll stärker durch Eigenmittel besichert werden, was Bonitätsmessungen durch Ratingverfahren voraussetzt. "Basel II" soll auf drei Säulen ruhen: 1) Absicherung des operationellen und des Kreditrisikos; 2) Neues Aufsichtsrecht und Verbesserung des Risikomanagements in den Banken sowie 3) Mehr Transparenz auf dem Finanzmarkt. Die diesbezügliche EU-Richtlinie, deren Entwurf vor der Behandlung im EU-Parlament steht, soll 2007 in Kraft treten.

Finanzstaatssekretär Alfred Finz befürwortete eine stärkere Bindung des Eigenkapitals an das Risiko sowie eine Stärkung des Risikomanagements in den Banken sowie der Instrumente der Finanzmarktaufsicht. "Das ist positiv für den Wirtschaftsstandort Österreich und für Europa". Finz befürchtet aber zugleich eine Verschlechterung der Kreditbedingungen für die in Österreich so wichtigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Daher habe die Bundesregierung auf EU-Ebene um Verbesserungen zugunsten der KMU gekämpft und ein geringeres Risikogewicht für Hypothekarkredite, die Behandlung von Krediten unter 1 Mill. € wie Privatkredite und günstigere Kreditbedingungen für Betriebe mit einem Umsatz von weniger als 50 Mill. € ausverhandelt. Nach wie vor besorgt zeigte sich der Staatssekretär wegen der  detaillierten Vorschriften für die Bonitätsfeststellungen und befürchtet Mehraufwand bei der Finanzmarktaufsicht, der auf die Bankkunden überwälzt würde.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl erinnerte daran, dass Basel II letztlich auf Vorschläge der USA zurückgehe, die aus Sorge über zunehmende Finanzspekulationen zusätzliche Sicherheitsmechanismen im Finanzsystem vorschlugen. Da "Basel II" in seiner ursprünglichen Form die österreichischen KMU in Bedrängnis gebracht hätte, habe Bundeskanzler Schüssel das Thema auf die EU-Agenda gesetzt. Um zu verhindern, dass Branchen mit geringerer Kapitalausstattung von der Kreditvergabe ausgeschlossen werden, werden Begünstigungen für Kredite unter 1 Mill. € sowie für Unternehmen unter 50 Mill. € Umsatz vorgesehen. Zudem gelte es, bei der Einführung des neuen Regulierungssystems überproportionale Kosten zu vermeiden, zumal der administrative Mehraufwand mit jährlich 350 Mill. € berechnet wird. "Wir dürfen aber nicht nur defensiv agieren", sondern müssen auch Maßnahmen setzen, um Defizite bei der Unternehmensfinanzierung in Österreich zu überwinden. Die Eigen- und Risikokapitalausstattung der Unternehmen werde auch angesichts des zunehmenden internationalen Wettbewerbs immer wichtiger. Leitl schlug unter anderem einen Beteiligungsfreibetrag, die Abschaffung der Gesellschaftssteuer und der Kreditvertragsgebühr vor.

Direktor Josef Christl (Oesterreichische Nationalbank) besprach Basel II aus der Sicht der Nationalbank, die auch für die Finanzmarktstabilität im Euro-Raum verantwortlich ist, positiv. Finanzkrisen verursachen aller Erfahrung nach großen volkswirtschaftlichen Schaden. Basel II reagiere auf den raschen Wandel im internationalen Finanzsystem, argumentierte Christl und plädierte für eine risikoorientierte Eigenkapitalanforderung, den Einsatz von Risikoabschätzungsinstrumenten sowie für mehr Kontrolle und mehr Transparenz auf dem Finanzmarkt.

Die "sehr komfortable" Eigenkapitalausstattung der österreichischen Banken liege über den Anforderungen, hielt Christl fest und verwies auf internationale Studien, aus denen hervorgeht, dass Basel II günstige Auswirkungen auf die Ertragslage von Banken und Unternehmen in Österreich haben werde. Der Nationalbankexperte klagte über mangelnde Information der Österreicher über Basel II und wies auf die Informationstätigkeit der Nationalbank in Form von Road-Shows, Briefings für die EU-Parlamentarier, den Einsatz von Experten bei Veranstaltungen und einen vierteljährlich aktualisierten Folder hin.

Vorstandsdirektor Kurt Pribil (Finanzmarktaufsicht) erinnerte daran, dass Basel I zu wenig risikosensitiv ausgestaltet war und durch "Basel II" die Belastung der Banken im Durchschnitt nicht erhöht werde. "Basel II" sei im wesentlichen "festgezurrt", aber doch flexibel genug, um auf unterschiedliche Gegebenheiten Rücksicht nehmen zu können. Dies sei der Grund, warum "Basel II" im Laufe der Zeit sehr komplex geworden sei. Auch handle es sich um mehr als eine bloße Eigenmittelvorschrift. Die Säule 2 (Risikomanagement) bringe einen Kulturwandel in der Bankenaufsicht und stärke die risikoorientierte Aufsicht. Kleine und große Banken könnten durchaus unterschiedlich behandelt werden, sagte Pribil und machte darauf aufmerksam, dass bestehende Ermessenspielräume im Interesse der österreichischen Banken und ihrer Kunden genutzt und der Kontakt mit den Aufsichtsbehörden anderer Länder intensiviert werden sollen.

Für Syndikus Herbert Pichler (Wirtschaftskammer Österreich) stellt "Basel II" ein Regulierungskonzept internationaler Bankenaufseher dar, das die EU übernehmen möchte und das man schwer ablehnen könne, weil es das Risikomanagement auf dem Finanzmarkt verbessere. Man dürfe aber nicht verkennen, dass mit "Basel II" ein kompliziertes und aufwendiges Aufsichtssystem eingeführt werde.

Aus seiner Betroffenheit heraus habe Österreich einen überproportionalen Beitrag zur Verbesserung des Systems geleistet. Bei den bevorstehenden Beratungen im EU-Parlament sollte es nun das Ziel sein, die Komplexität und die Kosten des Systems zu reduzieren. Verbesserungen von Basel II seien immer noch möglich, insbesondere brauche es ein neues risikoorientiertes Meldesystem auf europäischer Ebene, Regeln für das Rating-System und vor allem gelte es zu vermeiden, dass Österreich strengere Regeln einführe als notwendig. Eine übertriebene Bürokratie sei zu vermeiden. Nicht übersehen sollte man den inländischen Handlungsbedarf: Während von Deregulierung die Rede sei, sei der Bankensektor von einer Regulierungswelle betroffen, klagte Herbert Pichler.

Univ.-Prof. Walter Schwaiger (TU Wien) legte die Ergebnisse einer Studie vor, die die Auswirkungen von "Basel II" auf die KMU analysiert. Durch die "KMU-Formel" aus dem Jahr 2003, die einen Eigenkapitalanteil von 6,88 % vorsehe, sei das Ziel einer KMU-Neutralität zwischen "Basel I" und "Basel II" erreicht. Dies sei aber nur eine Durchschnittsbetrachtung, sagte Schwaiger. Analysiere man einzelne Branchen - etwa Tourismus, Transport und Bauwesen - sowie verschiedene Regionen werde laut Schwaiger deutlich, dass 40 % der KMU ernste Probleme zu erwarten haben, wenn sie bei Kreditaufnahmen risikokonform bewertet werden. Schwaiger schlägt vor, die Ermessensspielräume von "Basel II" zu nutzen und insbesondere die enge Verflechtung von KMU mit kleinen Banken zu beachten, ein österreichisches Spezifikum, dem bei den Auswirkungen von Basel II größeres Augenmerk geschenkt werden sollte.

Vizepräsident Rene Alfons Haiden (Wirtschaftskammer Österreich) stellte seinen Ausführungen die Feststellung voran, dass die KMU 64 % der Arbeitsplätze und 60 % der Wertschöpfung in Österreich sichern. 60 % der Unternehmensfinanzierung bestehe in Österreich aus Krediten - gegenüber 46 % in der EU und 20 % in den USA. Ursache dafür sei die geringe Risikobereitschaft der Anleger. Besondere Probleme haben daher KMU mit negativem Eigenkapital, warnte Vizepräsident Haiden und unterstrich die Forderung nach Begünstigung des Eigenkapitalzuwachses. Die größte Belastung infolge von "Basel II" erwartet Haiden von der ausgeweiteten Dokumentation, die die Entscheidungsdauer bei der Kreditvergabe verlängern werde. Große Bedeutung komme einer komfortablen Einschleifregelung bei KMU-Krediten über 1 Mill. € zu, außerdem seien das Förderprogramm anzupassen und alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie u.a Leasing zu forcieren. Haiden sprach sich auch für die Einführung KMU-orientierter Beteiligungsformen wie Mittelstandsfonds aus und plädierte in diesem Zusammenhang auch für steuerliche Förderungen. Schließlich trat Haiden für einfache Bonitätsmessungsverfahren für KMU ein und verlangte, auf Austriaca Bedacht zu nehmen.

Ausschussobmann Günter Stummvoll (V) definierte die Verantwortung der österreichischen Parlamentarier bei der Implementierung von "Basel II" aufgrund der Ausführungen der Experten wie folgt: Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für KMU und der Kosteneffizienz, Vermeidung von Bürokratie sowie flankierende Maßnahmen.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) kritisierte, dass ein Bankenaufsichtssystem, das seinen Ausgang von den USA genommen habe, nun zwar in Europa flächendeckend eingeführt werden soll, nicht aber in den USA selbst. Matznetter unterstrich die Qualität des europäischen Bankensystems gegenüber dem amerikanischen und wies auf die Vorteile hin, die die flächendeckende Versorgung der Wirtschaft und der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen habe. Kleine Institute könnten sich aber komplizierte interne Rating-Verfahren nicht leisten, Matznetter fürchtet daher einen verschärften Konzentrationsdruck. Seine Frage lautete daher, ob die Vernunft beim Thema Basel II in Europa noch eine Chance habe. "Kann man Basel II noch verhindern und wenn nicht, wie kann man bei der Umsetzung auf den größtmöglichen Vorteil Österreichs achten", lautete die Frage des SP-Finanzsprechers.

Abgeordneter Jakob Auer (V) schloss sich Matznetter an und meinte, zumindest einen Teil der "Basel II"-Bestimmungen sollte man auf europäischer Ebene noch zu Fall bringen können. Die Fähigkeit der österreichischen Banken, Risiko zu tragen, sei besser als im Durchschnitt der EU, betonte Abgeordneter Auer und erkundigte sich bei der Finanzmarktaufsicht, wie hoch sie ihren Mehraufwand infolge von "Basel II" einschätze.

Abgeordneter Josef Bucher (F) bezeichnete "Basel II" schlicht als ein "Unding". Die EU sei "den USA offenbar auf dem Leim gegangen". Bucher warnte vor den Gefahren, die den österreichischen KMU infolge der neuen Eigenkapitalbestimmungen drohten, forderte eine Abschwächung von "Basel II" und erkundigte sich nach den zu erwartenden Auswirkungen auf das Wachstum.

"Was tun?" fragte Abgeordneter Werner Kogler (G), "um zu verhindern, dass die besonderen österreichischen Strukturen nach der Einführung von 'Basel II' unter die Räder kommen". Und: "Wie hat das Finanzministerium die österreichische Position im ECOFIN vertreten?"

In einer zweiten Antwortrunde betonte Finanzstaatssekretär Alfred Finz die positiven Seiten von Basel II und machte darauf aufmerksam, dass der Entscheidungsprozess für die Einführung bereits sehr weit vorangeschritten sei, sodass man damit rechnen könne, dass "Basel II" am 1.1.2007 in Kraft treten wird. Man könne aber versuchen, gemeinsam mit Ländern, die eine ähnliche Wirtschaftsstruktur haben wie Österreich, das Beste herauszuholen.

Vizedirektor Kurt Pribil wies darauf hin, dass jene US-Regionalbanken, die von "Basel II" nicht betroffen seien, zum Teil strengere Eigenkapitalbestimmungen haben als die österreichischen Banken. Kleine Banken können bei der Implementierung von "Basel II" mit Ausnahmen rechnen, man dürfe auch nicht übersehen, dass die zunehmende Internationalisierung des Geschäfts das risikoorientierte Kreditmanagement auch ohne "Basel II" notwendig mache. Zusätzlichen Personalbedarf bei der Finanzmarktaufsicht sah Pribil nicht.

Direktor Josef Christl wiederholte seine Einschätzung, dass es sich bei Basel II um eine sinnvolle Regulierung handle, die es mit möglichst wenig Kosten umzusetzen gelte.

Syndikus Herbert Pichler hielt fest, dass "Basel II" nicht verhindert werden konnte und zahlreiche Verbesserungen ausverhandelt werden konnten. Das Problem der Unternehmensfinanzierung weise in Österreich weit über "Basel II" hinaus.

Vizepräsident Rene Alfons Haiden sah offene Probleme bei der Anpassung der Förderungsprogramme und bei der Vereinfachung der Bewertungsverfahren für KMU und plädierte dafür, auch die Auswirkungen der zweiten und der dritten Säule von Basel II zu beachten. Haidens Schlusssatz lautete: "Fördern wir die Eigenkapitalbildung in den KMU".

In einer weiteren Fragerunde meldeten sich noch die Abgeordneten Dietmar Hoscher, Hannes Bauer, Marianne Hagenhofer (alle S), Walter Tancsits, Peter Michael Ikrath, Franz Xaver Böhm (alle V), Josef Bucher (F) sowie Michaela Sburny (G) zu Wort.

Nach Auffassung von Univ. Doz. Josef Christl (Nationalbank) werde die Prozyklizität überstrapaziert; dabei handle es sich eher um ein akademisches Thema. Zudem sei die Eigenkapitalausstattung der österreichischen Banken im Schnitt sehr gut. Der Barcelona-Report gehe von einem Gewinnpotential in der Höhe von ca. 11 Mrd. € aus, das auf den gesamten Markt aufgeteilt werde. Dort, wo ein stärkerer Wettbewerb herrsche, könne dieses Potential auch besser an die Kunden weitergegeben werden. In Österreich - ebenso wie in Deutschland, Italien und Frankreich - rechne man damit, dass es zu Preissenkungen kommen werde, erklärte Christl.

Seine Institution begrüße grundsätzlich "Basel II", konstatierte Vizedirektor Kurt Pribil (Finanzmarktaufsicht), wenn es mit Außenmaß umgesetzt wird. Er habe den Eindruck, dass auf die positiven Aspekte noch zu wenig hingewiesen wurde. Schon jetzt sei es zu Verbesserungen im Risikomanagement der Banken gekommen.

Abgeordnete Hagenhofer teilte Pribil mit, dass sich in der Schweiz die meisten Banken für den Standardansatz entscheiden werden. Was die Mindeststandards für Kreditgeschäfte angeht, so soll das flexibelste Instrument, nämlich die Empfehlung, gewählt werden. Derzeit beschäftigten sich ca. 8 Mitarbeiter der FMA mit Basel II-Themen; es wird kein zusätzliches Personal für diesen Bereich aufgenommen werden.

Auch wenn die grundsätzlichen Ziele das Abkommens positiv sind, so sei es völlig klar, dass man sich bemühen müsse, noch Verbesserungen zu erreichen, räumte Herbert Pichler (Wirtschaftskammer) ein. Man dürfe auch nicht vergessen, dass das Preisniveau für Kreditvergaben in Österreich zu den niedrigsten in ganz Europa gehöre.

Vizepräsident Rene Alfons Haiden ging auf eine Wortmeldung des Abgeordneten Hoscher ein. Es sei richtig, dass gewisse Sektoren stärker betroffen sind als andere, und zwar die Tourismus- und Bauwirtschaft sowie der Einzelhandel. Es sei daher auch ein vorrangiges Ziel, vermehrt alternative Finanzierungsmodelle in Österreich anzubieten.

Präsident Christoph Leitl (WKÖ): "Basel II" gehe grundsätzlich in die richtige Richtung. Es sollte daher nicht um das "Ob" gehen, sondern um das "Wie". Um noch notwendige Verbesserungen, insbesondere für den Mittelstand, durchzusetzen, sollte jetzt noch bei den Europaparlamentariern angesetzt werden. Bei der Umsetzung stehe für ihn im Vordergrund, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachtet wird. Was den Bankensektor betrifft, so trat Leitl dafür ein, dass eine "kreditmäßige Nahversorgung" gegeben ist. Außerdem sollten neue Finanzierungsinstrumente stärker forciert werden. (Fortsetzung)