Parlamentskorrespondenz Nr. 597 vom 08.07.2005

KOALITION: BIS AUF EINIGE FÄCHER BLEIBT DER OFFENE HOCHSCHULZUGANG

Grüne sprechen von einem verdeckten Numerus clausus

Wien (PK) – Mit der Änderung des Universitätsgesetz es 2002 befasste sich der nächste Punkt der Tagesordnung.

Abgeordneter BROUKAL (S) würdigte eingangs die Qualität der Gespräche mit den Wissenschaftssprechern der Regierungsfraktionen, bedauerte aber, dass eine Übereinkunft doch nicht erzielt werden konnte. Der Redner ging auf das EuGH-Urteil über den Zugang zu Österreichs Universitäten ein und meinte, die österreichischen Vertreter hätten dort eine falsche Strategie verfolgt, was zu den negativen Folgen für die heimischen Studierenden geführt habe, über die man heute diskutieren müsse. Eine Zugangsbeschränkung zu den Universitäten sei unbedingt abzulehnen, unterstrich Broukal, der die Frage stellte, wie man nun vor diesem Hintergrund weiter vorgehen solle. Diesbezüglich habe seine Fraktion seit Jahren entsprechende Vorschläge unterbreitet, etwa mehr Geld für die Universitäten, mehr Studienplätze und weitere Unterstützung für den Lehrbetrieb an den Hochschulen.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) bedauerte gleichfalls das Ausbleiben einer Vierparteieneinigung, schränkte aber gleichzeitig ein, dass man schon lange gewusst habe, dass die alte Regelung auf Dauer nicht haltbar wäre. Man sei nun durch das EuGH-Urteil vor eine neue Situation gestellt, auf welche die Regierung adäquat reagiere. Die Regierung habe richtig gehandelt, der offene Hochschulzugang soll durch einen entsprechenden Abänderungsantrag erhalten bleiben, erklärte die Rednerin, die selbigen Antrag sodann auch einbrachte.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) meinte, es gehe um nicht weniger als den freien Hochschulzugang, der schon jetzt durch knappe Ressourcen an Budget, Raum und Personal vielfach unterlaufen werde. Das genannte Urteil habe diese Situation lediglich verschärft. Hätte man rechtzeitig reagiert, wäre die Lage vielleicht nicht so zugespitzt worden. Hier sei die Regierung zu lange säumig geblieben, beklagte der Redner.

Schließlich brachte Grünewald noch einen S-G-Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, dafür zu sorgen, dass kurzfristig für österreichische Studierende weiterhin mindestens so viele Studienplätze zur Verfügung stehen wie bisher. Dafür seien die erforderlichen finanziellen Mittel bereit zu stellen. Darüber hinaus müsse es das Ziel sein, die Zahl der Studienplätze weiter auszubauen. Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, mit Deutschland bilaterale Verhandlungen aufzunehmen, um eine Kostenbeteiligung für die Ausbildung deutscher Studierender in Österreich zu erreichen. Auch auf europäischer Ebene sollten Gespräche darüber geführt werden, wie langfristig eine gemeinsame Regelung zur Frage der grenzüberschreitenden Studierendenströme, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, erreicht werden kann.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) erinnerte an die Haltung der Studentenvertreter der Grünen, die alle ausländischen Studenten willkommen heißen. Dies würde dazu führen, dass man im Herbst drei bis vier neue Universitäten für Medizin bauen müsste. Wenn der freie Hochschulzugang weiterhin gewährleistet werden soll, dann müsse man auf die neuen Entwicklungen reagieren und "Zugangsbeschränkungen nach Qualität" einführen. Einen numerus clausus wie in Deutschland soll es in Österreich aber nicht geben, unterstrich Bleckmann. Die Regierungsfraktionen lassen die Unis nicht im Stich und daher habe man sich entschlossen, schnell und rasch zu reagieren. Bleckmann brachte noch einen V-F-Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, auf europäischer Ebene entsprechende Gespräche zu führen, um die besondere Situation Österreichs in der Frage des Hochschulzugangs deutlicher bewusst zu machen. Ziel sollte es sein, langfristig eine gemeinsame Regelung zur Frage der grenzüberschreitenden Studierendenströme zu erreichen.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter BROUKAL (S) gegenüber seiner Vorrednerin klar, dass es keine Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ gegeben hat.

Bundesministerin GEHRER verwehrte sich gegen den Vorwurf der Opposition, wonach nicht rechtzeitig gehandelt wurde. Die österreichischen Studierenden waren nun zehn Jahre geschützt und erst jetzt müssen Auswahlverfahren eingeführt werden. Die Ministerin gab weiters zu bedenken, dass es sehr schwierig sei, Lösungen bezüglich zwischenstaatlicher Zahlungen auf europäischer Ebene zu erreichen oder eine Vereinbarung mit Deutschland, wo in jedem Bundesland ein anderer Kultusminister zuständig ist, zu treffen. Was das EuGH-Urteil angeht, so dürfe man nicht vergessen, dass dort wirtschaftliche Argumentationen bei Fragen der Gleichheitswidrigkeit keine Rolle spielen. Da nun zu befürchten sei, dass viele so genannte Numerus-clausus-Flüchtlinge nach Österreich kommen, habe man nach intensiven Diskussionen einen Vorschlag erarbeitet, der auf zwei Jahre befristet ist und dann evaluiert werden soll. Die Universitäten erhalten die Möglichkeit in jenen Fächern, bei denen es in Deutschland einen numerus clausus gibt, entweder ein Aufnahmeverfahren oder ein Einstiegssemester zu machen. Festgelegt wurde auch, dass die Anzahl der Studierenden nicht sinken darf.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) war der Auffassung, dass das österreichische Modell des Hochschulzugangs nach Europa transferiert werden sollte und nicht umgekehrt. Dafür seien natürlich viele bilaterale Gespräche sowie Verhandlungen auf europäischer Ebene notwendig. Deshalb komme der heute eingebrachte Entschließungsantrag, in dem genau das gefordert wird, sehr spät, bemängelte Zinggl. Die Grünen können dem Entwurf, der einen verdeckten Numerus clausus bringt, nicht zustimmen, weil damit ein Abbau von Studienplätzen für die österreichischen Jugendlichen verbunden ist.

Das gestrige EuGH-Urteil kam nicht unerwartet und die Bundesregierung war auch gut darauf vorbereitet, hielt Abgeordnete Dr. WOLFMAYR (V) ihrem Vorredner entgegen. Nach Auffassung des EuGH ist die Finanzierung von Studienplätzen für Studierende aus anderen Mitgliedstaaten ein Teil der europäischen Solidarität. Es müssen daher Lösungen gefunden werden, da die anderen Länder wohl kaum das österreichische Modell übernehmen werden. In 24 von 25 Staaten gibt es, teilweise schon seit vielen Jahren, Zugangsbeschränkungen zu den Universitäten, erläuterte Wolfmayr. Sie glaube, dass die nun erarbeitete Lösung akzeptabel sei, bis auf einige Fächer werde der offene Hochschulzugang aufrecht bleiben und es werde kein Numerus clausus eingeführt.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) bezweifelte, dass der Abgeordnete Zinggl das Gesetz überhaupt gelesen hat. Denn es sei nicht richtig, dass es zu einem Abbau von Studienplätzen kommt, betonte die Rednerin. Als Reaktion auf das EuGH-Urteil habe man versucht, eine realistische Lösung zu finden, die sich positiv auf die Studienbedingungen auswirkt. Eine Prämisse war jedenfalls, dass kein Numerus clausus eingeführt werden soll. Positiv wertete Achleitner, dass die Auswirkungen der Regelung beobachtet werden sollen und dann eine Evaluation durchgeführt wird.

Deutsche Studentinnen und Studenten waren in Österreich immer willkommen und sie sind weiterhin willkommen, betonte Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G). Der von der Regierung ausgearbeitete Entwurf führe jedoch dazu, dass die österreichischen Studierenden die Auswirkungen des EuGH-Urteils zu tragen haben. Eine gute Lösung hätte natürlich Geld gekostet, aber es werde kein einziger zusätzlicher Cent den Unis zur Verfügung gestellt.

Der Gesetzentwurf (in der Fassung eines V-F-Zusatzantrages) wurde ebenso wie der V-F-Entschließungsantrag betreffend europäische Studierendenmobilität mehrheitlich angenommen; der S-G-Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung von Studienplätzen für österreichische Studierende fand keine Mehrheit.

Die Bürgerinitiative zur Sicherstellung der Schulqualität an Österreichs Pflichtschulen werde von den Grünen vollinhaltlich unterstützt, erklärte Abgeordneter BROSZ (G). Bedauern äußerte der Redner darüber, dass die Regierungsparteien den G-Entschließungsantrag betreffend Überprüfung der finanziellen Auswirkungen der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen auf 25 im Ausschuss abgelehnt haben. Deshalb bringe er nochmals diesen Antrag ein.

Abgeordneter AMON (V) sprach im Zusammenhang mit der Bürgerinitiative von einem sehr wertvollen Beitrag in der Diskussion um die Schulreformen, der auch sehr ernst genommen wird. Er habe den Eindruck, dass die Vertreter der Initiative eine viel realistischere Sicht der Dinge haben als etwa die Grünen. Es sei ihnen nämlich klar, dass man mit der Absenkung der Klassenschülerhöchstzahlen allein noch nicht alle Probleme lösen könne. Außerdem wurde den Eltern bewusst, dass viele ihrer Forderungen in den vorgelegten oder geplanten Schulpaketen bereits enthalten sind. So sei es zum Beispiel ein wichtiges Anliegen der Regierung, die Klein- und Kleinstschulen im ländlichen Raum zu erhalten.

Diese Bürgerinitiative wurde von 95.000 Menschen unterschrieben und von zwei Dritteln aller Elternvereine unterstützt, erklärte Abgeordnete MANDAK (G). Sie würde sich dafür interessieren, was die Ministerin zu dem Positionspapier sagt, das vom Dachverband der Pflichtschulen erstellt wurde. Dort wird vor allem auf die Kürzungen hingewiesen, die im Rahmen des Finanzausgleiches durchgeführt wurden. Eine Auswirkung davon ist zum Beispiel, dass die Klassenschülerhöchstzahlen wieder um bis zu 20 % gestiegen sind oder dass für die individuelle Zuwendung viel weniger Zeit zur Verfügung steht.

Diese Bürgerinitiative gibt dem Parlament einmal mehr die Möglichkeit, sich mit den Kernproblemen des österreichischen Schulwesens auseinanderzusetzen, meinte Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S). Von den Unterzeichnern wurde ganz deutlich aufgezeigt, dass viele Probleme vor allem auf die massiven Kürzungen im Bildungsbudget zurückzuführen sind. Es muss einfach eine andere Form von Schule geben, da viele Eltern nicht die Möglichkeit und die Zeit haben, ihren Kindern zu helfen. Eine qualitätsvolle Bildung müsse uns allen etwas wert sein und habe auch ihren Preis, betonte Königsberger-Ludwig.

Bundesministerin GEHRER stellte mit Nachdruck fest, dass die Anliegen der Bürgerinitiative sehr ernst genommen wurden. Der Vorsitzende des Unterrichtsauschusses Amon habe die Vertreter zu einer ausführlichen Aussprache eingeladen, erinnerte sie. Was die Kritik der Opposition angeht, so sei es einfach nicht richtig, dass alles so schlecht sei und dass die Mitteln ständig gekürzt werden. Gehrer wies darauf hin, dass es um 40.000 Schüler mehr an den weiterführenden Schulen gibt, dass zusätzlich 2.229 Bundeslehrer eingestellt wurden und dass das Budget drastisch erhöht wurde.

Keine Kürzungen gebe es auch bei den Förderstunden, führte die Ministerin weiter aus, insgesamt werden 1,5 Millionen Förderstunden angeboten. Dazu kommen zahlreiche Dienstposten für den Sonderschul- und Integrationsbereich, für Kinder, die in den Krankenhäusern sind, etc. Mit einem neuen Fördererlass soll das Ziel verfolgt werden, dass die Förderstunden richtig und zielorientiert eingesetzt werden. Hinsichtlich der Klassenschülerzahlen, die in Österreich relativ niedrig sind, räumte Gehrer ein, dass es da und dort Spitzen gebe, die man aber vermeiden wolle. In Niederösterreich wurden Pilotprojekte eingerichtet, wo es die Möglichkeit gibt, dass die Teilungsziffern, die Sprengeleinteilungen etc. praktisch frei gegeben werden. Diese Projekte sollen zunächst einmal beobachtet werden, informierte die Ministerin, man werde aber jedenfalls ganz intensiv an der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen arbeiten.

Abgeordnete Dr. BLECKMANN (F) war der Auffassung, dass die Bundesregierung im Bildungsbereich schon sehr viel getan hat. Als Beispiele nannte sie den Ausbau der Frühförderung und der individuellen Förderung, die Ausweitung der Deutschkurse. Es sei klar, dass sich alle mehr wünschen, aber "wir tun, was machbar ist", schloss Bleckmann.

Für die ÖVP sei die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung ein vorrangiges Ziel, betonte Abgeordnete FRANZ (V). Die Anliegen und Wünsche der Lehrer, der Elternschaft und der Schüler werden sehr ernst genommen und man versuche, gute Lösungen umzusetzen. Ebenso wie Bleckmann war sie der Meinung, dass in den letzten Jahren viel unternommen wurde, und zwar in den Bereichen Autonomie, Qualitätsoffensive, stabile Rahmenbedingungen, Lehreraus- und

 -weiterbildung -, um den Schulsektor den Anforderungen der Zeit anzupassen. Ihr Fraktionskollege Abgeordneter PRINZ (V) befasste sich vor allem mit den Themen Individualisierung und Qualitätsmanagement, die für die Eltern und Lehrerschaft von großer Bedeutung sind. Gerade in diesen Bereichen habe die Bundesregierung aber zahlreiche Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel die Initiative zur Erhaltung der Kleinschulen oder die Förderung der Integration.

Abgeordnete FLECKL (S) dankte den Einbringern der Bürgerinitiative, weil es dadurch die Möglichkeit gebe, heute im Plenum über wichtige Schulprobleme zu sprechen. Sie war überzeugt davon, dass die Umsetzung des gesamten Paketes zu einer Verbesserung des österreichischen Schulwesens führen würde. Es reiche einfach nicht, nur einige Punkte herauszugreifen.

Abgeordneter PRINZ (V) wies darauf hin, dass sich Eltern vor allem ein individualisiertes Angebot und Qualitätsmanagement an Schulen wünschten. Die Koalition habe schon viel zur Förderung besonderer Bedürfnisse und Begabungen und zur Verstärkung der Wahlfreiheit getan, betonte er. In Bezug auf das geforderte Qualitätsmanagement hob er die Initiative zur Erhaltung von Kleinschulen hervor.

Abgeordneter Dr. RADA (S) meinte, es müsse Bildungsministerin Gehrer zu bedenken geben, wenn so viel Eltern und Elternvereine zum Mittel einer Bürgerinitiative greifen, um Verbesserungen im Schulbereich zu erreichen. Offenbar sei im österreichischen Schulsystem nicht alles so positiv, wie die Koalition es immer wieder darstellen wolle. Rada zufolge werden an den Schulen immer mehr Zusatzangebote eingespart und immer weniger Förderunterricht angeboten.

Abgeordnete SCHIEFERMAIR (V) erachtet es, wie sie sagte, als beachtenswert, wie viele der in der Bürgerinitiative genannten Wünsche bereits umgesetzt worden seien beziehungsweise sich in Umsetzung befinden. Auch den Koalitionsparteien seien die individuelle Förderung von Begabungen und Interessen und Angebote zur Beseitigung von Schwächen ein wichtiges Anliegen. Zur Sicherung kleiner Schulstandorte habe man, so Schiefermair, 12 Mill. € zur Verfügung gestellt.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) erklärte dem gegenüber, es gebe noch sehr viel zu tun, um die in der Bürgerinitiative genannten Forderungen umzusetzen. Er hoffe, dass künftige Schulpakete "schwerere" Pakete werden, sagte er. Als besonders wichtig hält Niederwieser den Ausbau der Integration über die achte Schulstufe hinaus, wobei ihm zufolge Integrationsklassen nicht nur an Polytechnischen Schulen angeboten werden sollten.

Bei der Abstimmung wurde die dem Bericht des Unterrichtsausschusses angeschlossene Entschließung mit V-S-F-Mehrheit angenommen. In der Minderheit blieb ein Entschließungsantrag der Grünen betreffend Vorlage eines Berichts über die Kosten der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen. (Forts.)


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