Parlamentskorrespondenz Nr. 898 vom 21.11.2005

Vorlagen: Wirtschaft, Verfassung

Bundesvergabegesetz wird neu erlassen

Das Bundesvergabegesetz soll neu erlassen werden. Die Regierung hat dem Nationalrat einen Gesetzentwurf (1171 d.B.) vorgelegt, in dem die aktuellen EU-Vorgaben und die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des österreichischen Verfassungsgerichtshofs Berücksichtigung finden. Gleichzeitig habe eine Evaluierung der geltenden vergaberechtlichen Bestimmungen die Notwendigkeit diverser Anpassungen gezeigt, heißt es in den Erläuterungen.

Neu ist unter anderem, dass Vergabeverfahren, die bisher nur im so genannten Unterschwellenbereich zulässig waren, auf den Oberschwellenbereich ausgedehnt werden. Das betrifft etwa Rahmenvereinbarungen, die sich, so die Erläuterungen, besonders für ressortübergreifende Aufträge der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) eignen. Gleichzeitig werden neue Verfahrenstypen wie das dynamische Beschaffungssystem und der wettbewerbliche Dialog eingeführt.

Durch die Nutzung dieser neuen Verfahrensmöglichkeiten erwartet sich die Regierung positive Impulse für Klein- und Mittelbetriebe sowie eine Senkung der Transaktionskosten sowohl bei Auftraggebern als auch bei Unternehmern. Zudem wird ihr zufolge dem Wunsch nach einer besseren Lesbarkeit und einer besseren Strukturierung des Gesetzes Rechnung getragen.

Wie schon das bisherige Bundesvergabegesetz gilt das neue Gesetz für alle Auftragsvergaben der öffentlichen Hand, also für Bund, Länder und Gemeinden. Ebenso sind staatsnahe Einrichtungen umfasst. Für Aufträge unter einem gewissen Schwellenwert (Unterschwellenbereich) werden allerdings vereinfachte Regelungen verankert, etwa was die Wahl des Vergabeverfahrens, die Bekanntmachungsvorschriften und die Fristen betrifft. Darüber hinaus gibt es für bestimmte Sektoren - etwa den Energiesektor, die Wasserversorgung, den öffentlichen Verkehr und die Postdienste - Sonderbestimmungen.

Zum Unterschwellenbereich gehören grundsätzlich alle Auftragsvergaben, deren geschätzter Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) unter 236.000 €, bei öffentlichen Bauaufträgen und Baukonzessionsverträgen unter 5,923 Mill. € liegt. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge zentraler öffentlicher Auftraggeber - dazu gehören insbesondere die Ministerien und die BBG - liegt der entsprechende Schwellenwert allerdings bereits bei 154.000 €.

Nicht offene Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, geladene Wettbewerbe und Direktvergaben sind z.B. ausschließlich im Unterschwellenbereich möglich, und auch das nur unter ganz engen Voraussetzungen.

Der neue Vergabetyp "wettbewerblicher Dialog" ist hingegen auch im Oberschwellenbereich zulässig. Er kann etwa dann angewendet werden, wenn der Auftraggeber zu Beginn des Verfahrens nur Vorstellungen über seine Bedürfnisse hat, nicht aber konkrete Vorstellungen über die zur Erfüllung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel. Auch auf das Instrument der elektronischen Auktion kann künftig im Oberschwellenbereich zurückgegriffen werden, diese ist jedoch kein eigener Verfahrenstyp, sondern wird als Teil eines Vergabeverfahrens zur Ermittlung des besten Angebots gewertet.

Verpflichtender Bestandteil jeder Ausschreibung ist eine umfassende Leistungsbeschreibung, wobei der Auftraggeber laut Regierungsvorlage bei der Erstellung eines detaillierten Leistungsverzeichnisses in einzelnen Punkten auch von entsprechenden ÖNORMen oder standardisierten Leistungsbeschreibungen abweichen kann. Bei technischen Spezifikationen ist jede geforderte Norm, seien es nationale oder internationale Normen, ausnahmslos mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.

Was den Zuschlag betrifft, geht das Gesetz im Oberschwellenbereich nach wie vor von einer Präferenz zugunsten des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebots aus (Bestbieterprinzip). Nur unter der Voraussetzung, dass der Qualitätsstandard einer Leistung klar und eindeutig beschreibbar ist, hat der Auftraggeber die Möglichkeit, zwischen Bestbieter und Billigstbieter zu wählen. Generell muss bereits bei der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen angegeben werden, ob der Zuschlag nach dem Bestbieterprinzip oder dem Billigstbieterprinzip erfolgt - wird keine Festlegung getroffen, ist der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen.

Im Unterschwellenbereich hat der Auftraggeber eine freie Wahl des Zuschlagsprinzips.

Die Zuständigkeiten des Bundesvergabeamtes, das als verfassungsrechtlich abgesicherte Sonderkontrollbehörde Vergabeverfahren im Bundesbereich prüft, werden der Regierungsvorlage zufolge im Wesentlichen beibehalten. Zum Teil erfolgen aber Erweiterungen und Konkretisierungen. Dem Bundesvergabeamt obliegt wie bisher das Nachprüfungsverfahren (vor Zuschlagsentscheidung) und das Feststellungsverfahren (nach Beendigung des Vergabeverfahrens), darüber hinaus kann es einstweilige Verfügungen erlassen.

Die als Mediationsstelle eingerichtete Bundes-Vergabekontrollkommission wird aufgelöst.

Die Bescheide des Bundesvergabeamtes unterliegen sowohl der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) als auch durch den Verfassungsgerichtshof, wobei die Zuständigkeit des VwGH nicht zuletzt deswegen von Bedeutung ist, weil der dezentrale Rechtsschutz beibehalten wird und die Länder damit auch weiterhin eigene Kontrollinstanzen haben. Der VwGH soll die Einheitlichkeit der Rechtssprechung wahren, hat allerdings auch die Möglichkeit, Beschwerden gegen Bescheide des Bundesvergabeamtes abzulehnen.

Den Erläuterungen zum neuen Bundesvergabegesetz zufolge wurden 1999 öffentliche Aufträge im Wert von 35,23 Mrd. € vergeben, dies entspricht 17,9 % des BIP. 2002 betrug der Anteil des öffentlichen Auftragswesens am BIP 16,46 %. Durch eine konsequente Liberalisierung des Beschaffungswesen könnten sich kurzfristig jährliche Einsparungen in der Höhe von 1 % des Gesamtauftragswertes ergeben, meint die Regierung, das langfristige Sparpotenzial wird sogar auf 2 % geschätzt. Jeweils etwa 80 % der Preissenkungen würden dem Bundesbereich zugute kommen.

Für eine Beschlussfassung des neuen Bundes-Vergabegesetzes ist sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Zudem bedarf die Kundmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt der Zustimmung der Länder.

(Schluss)