Parlamentskorrespondenz Nr. 925 vom 23.11.2005

Sozialausschuss: Familienhospizkarenz wird auf neun Monate ausgedehnt

Neue Regelung für Konkurrenzklausel und Ausbildungskostenrückersatz

Wien (PK) - Eine umfangreiche Tagesordnung hatte der Ausschuss für Arbeit und Soziales zu bewältigen. Die Themen reichten vom Bundesbedienstetenschutz über das Arbeitslosenversicherungsgesetz und Landarbeitsgesetz bis hin zur Familienhospizkarenz und AK-Gesetz.

Der Bericht des Wirtschaftsministers über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2001 (III-100 d.B.) stand als erster Punkt auf der Tagesordnung. Ihm ist zu entnehmen, dass im Berichtsjahr 2001 von der Arbeitsinspektion insgesamt 728 Dienststellen des Bundes (u.a. 242 des Bundesministeriums für Inneres, 194 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und 100 des Landesverteidigungsministeriums) besucht wurden. Dabei führte die Arbeitsinspektion 423 Überprüfungen (umfassende Inspektionen der Dienststelle) und 535 Erhebungen (Kontrolle eines Teilbereiches des Dienstnehmerschutzes) durch, nahm an 128 behördlichen Verhandlungen (z.B. Bauverhandlungen) teil und führte 518 sonstige Tätigkeiten wie Behördenbesprechungen und Beratungen durch.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) merkte kritisch an, dass erst heute der Bericht über das Jahr 2001 debattiert werde, und vermisste die Aktualität des Berichtes, noch dazu, wo erst heute der Bericht über das Jahr 2002 den Abgeordneten zugegangen sei. Auch G-Abgeordneter Karl Öllinger zeigte sich unzufrieden mit den Bericht, zumal man im Jahr 2005 davon ausgehen könne, dass Mängel, die 2001 aufgetreten sind, bereits behoben sind. Auch vertrat er die Meinung, dass es Bereiche gebe, etwa das Labor der Zahnmedizin, in denen akute und gravierende Mängel aufgetreten sind, von denen man ausschließlich via Medien erfahren habe. Abgeordneter Walter Tancsits (V) räumte einen Nachholbedarf und die "Ballung von Mängeln" im universitären Bereich ein. Vom Minister wollte er wissen, ob es gravierende Unterschiede zwischen den Arbeitsinspektionsergebnissen in der Privatwirtschaft und bei den Bundesdienststellen gebe.

Bundesminister Martin Bartenstein meinte, die Normen seien für die Bundesdienststellen und die Privatwirtschaft die gleichen, nur die Sanktionen seien andere. Man könne nicht sagen, dass der Arbeitnehmerschutz im öffentlichen Dienst besser oder schlechter als in der Privatwirtschaft sei.

Der Bericht wurde mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien zur Kenntnis genommen und zugleich einer Enderledigung zugeführt.

Angesichts der Bedeutung der Seeschifffahrt, über die 90 % des Welthandels abgewickelt werden, besteht laut Bericht der Bundesregierung bei den Reedereien und den Seeleuten weltweit großes Interesse an der Einführung eines Ausweises für Seeleute, um ihnen einen raschen unbürokratischen Landgang zu ermöglichen. ­ Die Abgeordneten Dietmar Keck (S) und Karl Öllinger (G) wiesen darauf hin, dass es zwar Schifffahrtsgesellschaften gebe, die unter österreichischer Flagge auf den Weltmeeren fahren, aber dass kein einziger Österreicher darauf beschäftigt sei.

Der Bericht der Bundesregierung wurde einstimmig zur Kenntnis genommen und zugleich enderledigt.

Der Themenbereich Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, des Landarbeitsgesetzes und des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde an Hand einer Regierungsvorlage, zweier V-F-Anträge und eines S-Antrages diskutiert.

Die Bundesregierung schlägt in einer Regierungsvorlage vor, die Familienhospizkarenz bei der Begleitung schwersterkrankter Kinder auf neun Monate auszudehnen. Zudem soll auch Wahl- und Pflegeeltern das Recht auf Familienhospizkarenz eingeräumt werden.

Mit einer Änderung des BG betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechts in der Land- und Forstwirtschaft (LAG) wollen die Koalitionsparteien u.a. klarstellen, dass Dienstnehmer, die im wesentlichen die gleichen Tätigkeiten ausüben, im gleichen Arbeitsrecht zusammengefasst werden. Die derzeitige Gesetzeslage führe z.B. dazu, dass bestimmte Arbeitnehmer schwer zugeordnet werden können und dass dadurch die Gefahr bestehe, dass sie überhaupt keinem Kollektivvertrag angehören, heißt es im Antrag 330/A.

Die Ausklammerung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen aus dem Konkurrenzklauselrecht schlagen die Abgeordneten Walter Tancsits (V) und Max Walch (F) in ihrem Antrag (605/A) vor. Die Vereinbarung von Konkurrenzklauseln würde nämlich bei dieser Dienstnehmergruppe zu einer (auch finanziell) spürbaren unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der beruflichen Mobilität führen, argumentieren die Antragsteller. Im Sinne einer besseren Rechtssicherheit soll auch eine gesetzliche Grundlage für den Rückersatz von Ausbildungskosten geschaffen werden.

Die SPÖ begründet ihre Forderung nach einem generellen Verbot von Konkurrenzklauseln (72/A) damit, dass so der Grundsatz der freien Arbeitsplatzwahl unterlaufen wird und Arbeitnehmer gehindert werden, einen besseren Arbeitsplatz zu finden. Auch Saisonbetriebe im Tourismus- und Gastgewerbe benützen der SPÖ zufolge bereits diese Form der "Knebelung", um Arbeitskräfte trotz mäßiger oder schlechter Entgelt- und Arbeitsbedingungen nicht an besser zahlende Betriebe der Region zu verlieren.

Die beiden Regierungsparteien brachten einen Abänderungsantrag ein, der bei SPÖ und Grünen auf Ablehnung stieß. In diesem Antrag geht es um die Konkurrenzklausel, den Ausbildungskostenrückersatz und um die Begleitung von schwersterkrankten Kindern (Wahl- oder Pflegekindern). Demnach ist eine Konkurrenzklausel nur dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht minderjährig ist, sich die Beschränkung auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Geschäftszweig des Arbeitgebers bezieht und den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt und die die Beschränkung keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmern ist. Eine solche Vereinbarung ist unwirksam, wenn sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses getroffen wird, bei dem das monatliche Entgelt das 17-fache der Höchstbeitragsgrundlage gemäß ASVG nicht übersteigt. Hat der Arbeitgeber Anlass zum vorzeitigen Austritt oder zur Kündigung gegeben, dann kann er die durch die Konkurrenzklausel begründeten Rechte gegen den Arbeitnehmer nicht geltend machen.

Im Zusammenhang mit dem Ausbildungskostenrückersatz wird darauf hingewiesen, dass Einschulungskosten keine Ausbildungskosten sind; Ausbildungskosten sind vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendete Kosten für eine Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei einem anderen Arbeitgeber verwerten kann. Eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten besteht dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung minderjährig ist, das Arbeitsverhältnis nach mehr als 5 Jahren – in besonderen Fällen nach mehr als 8 Jahren – nach dem Ende der Ausbildung geendet hat und die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung nicht aliquot, berechnet vom Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung bis zum Ende der zulässigen Bindungsdauer, vereinbart wird.

Die Begleitung von schwersterkrankten Kindern umfasst auch schwersterkrankte Wahl- oder Pflegekinder des Arbeitnehmers. Diese Begleitung kann zunächst für einen 5 Monate nicht übersteigenden Zeitraum verlangt werden; bei einer Verlängerung darf die Gesamtdauer 9 Monate nicht überschreiten.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) wies darauf hin, dass die Familienhospizkarenz gut angenommen werde. Waren es im Zeitpunkt der Einführung 222 Personen, stieg die Zahl 2003 auf 506. Im Schnitt werden 4 Monate in Anspruch genommen, auf Wunsch der Eltern, die ihr schwersterkranktes Kind begleiten wollen, werde der Zeitraum auf 9 Monate ausgedehnt. Es ist auch notwendig, die Unterstützungszahlungen aus dem Härteausgleichsfonds anzuheben.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) sprach von einem gewaltigen Rückschritt und von einer zusätzlichen Knebelung der Arbeitnehmer durch die neuen Vorgaben im Hinblick auf die Konkurrenzklausel. Er erinnerte an die Aussage des Ministers, man wolle auf Sozialpartnerebene darüber diskutieren, wie in Hinkunft eine solche Maßnahme ausschauen soll. Auch führt der Ausbildungskostenrückersatz seiner Meinung nach zu Verschlechterungen, da der Zeitraum auf 5 bis 8 Jahre erstreckt werde. Eine Härte für den Arbeitnehmer entstehe auch durch das Abstellen auf den Begriff "Entgelt", da auch die Entgeltfortzahlung angerechnet wird und Sozialversicherungsbeiträge und anteilige Sonderzahlungen zurückzuzahlen sind.

Dass zwar schwersterkrankte Wahl- und Pflegekinder, aber nicht Stiefkinder im Rahmen der Familienhospizkarenz begleitet werden können, verstand Abgeordneter Dietmar Keck (S) nicht.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) konnte sich der negativen Beurteilung seiner Vorredner nicht anschließen und verwies darauf, dass man Rahmenbedingungen geschaffen habe, damit Einkommen bis 2.000 € nicht unter die Klausel fallen. Der Abänderungsantrag ist für ihn "eine gute Sache".

Abgeordneter Karl Öllinger (G) räumte ein, dass man im Zusammenhang mit der Konkurrenzklausel zwar die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigt habe, aber einen Fortschritt stellten diese Maßnahmen nicht dar. Rechnet man nämlich den 13. und 14. Gehalt dazu, habe man bald die Grenze von 2.000 € erreicht. Außerdem behindere die Konkurrenzklausel die Mobilität. Seiner Ansicht nach sollte ganz generell die Konkurrenzklausel ausgeschlossen werden.

Für Abgeordneten Richard Leutner (S) gibt es keinen sachlichen Grund, die Stiefkinder von der Erweiterung des Personenkreises auszunehmen. Auch sollte man Überlegungen anstellen, ob man nicht für außergewöhnliche Fälle eine Sonderregelung schaffen sollte.

Im Zusammenhang mit dem Landarbeitsgesetz machte Leutner darauf aufmerksam, dass die Sozialpartner jahrelang darüber diskutiert hätten, man sich aber nicht einigen konnte. Probleme ortete er hinsichtlich der Kompetenzverteilung in der Verfassung, vor allem im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Art. 10 und Art. 12. Ein Schnellschuss, der aber wenig in der Praxis bringen werde, lautete die Beurteilung Leutners.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) meinte, man habe vergebens auf Sozialpartnervorschläge gewartet. Da die Sozialpartner nicht imstande waren, Missstände abzustellen, müsse der Gesetzgeber handeln. Im Zusammenhang mit dem Ausbildungskostenrückersatz betonte Tancsits, dass manche versucht hätten, die Einschulungskosten über die Rückerstattung zurückzuerhalten. Aus diesem Grund wurde festgeschrieben, dass Einschulungskosten keine Ausbildungskosten sind und daher auch nicht rückerstattet werden. Um Ausbildungskosten handelt es sich dann, wenn dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse vermittelt werden, die er auch bei einem anderen Arbeitgeber verwerten kann. Bezüglich des Landarbeitsgesetzes sah der Redner keinen Verstoß gegen die Kompetenzverteilung, da auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers abgestellt wird.

Bundesminister Martin Bartenstein führte aus, dass sich im Zusammenhang mit der Familienhospizkarenz nach einer gewissen Erprobungsphase ein Optimierungsbedarf ergibt. Die Ausdehnung von 6 auf 9 Monate sei ein Wunsch von Eltern von schwersterkrankten Kindern. In den allermeisten Fällen werde mit diesen 9 Monaten Begleitung das Auslangen gefunden. Dass die Wahl- und Pflegekinder in die Familienhospizkarenz miteinbezogen werden, stellt aus Sicht des Ressortchefs eine Verbesserung dar. Bartenstein begrüßte auch die Regelungen hinsichtlich der Konkurrenzklausel und des Ausbildungskostenrückersatzes.

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek verwies darauf, dass der Satz für die Zeit der Familienhospizkarenz von derzeit 500 € auf 700 € ab 1.1. nächsten Jahres erhöht wird. Vor allem sei dies für alleinstehende Mütter wichtig, damit sie finanziell besser zurecht kommen.

Ein von S-Abgeordnetem Franz Riepl gebrachtes Beispiel nahm Abgeordneter Karl Öllinger (G) zum Anlass, den Minister zu fragen, wie die Rückerstattung der Ausbildungskosten an ein Unternehmen, das im Wege der allgemeinen Wirtschaftsförderung, von Steuerfreibeträgen oder der betrieblichen AMS-Förderung Geld erhalten habe, berechnet werde. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein betonte, dass die Ausbildungskosten "seriös und glaubhaft" nachgewiesen werden müssen.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung des Abänderungsantrages mit V-F-Mehrheit verabschiedet. Der V-F-Antrag 330/A gilt als miterledigt. Angenommen wurde auch der V-F-Antrag 605/A hinsichtlich Änderung des Angestelltengesetzes und des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes. Keine Mehrheit gab es für den S-Antrag 72/A. (Fortsetzung)

sue