Parlamentskorrespondenz Nr. 112 vom 15.02.2006

Sozialausschuss: Novelle zum B-SVG mehrheitlich verabschiedet

Liste der Berufskrankheiten kommt mit nächster ASVG-Novelle

Wien (PK) – Die Mitglieder des Ausschuss es für Arbeit und Soziales hatten eine breite Themenpalette abzuarbeiten. Zuerst behandelten die Abgeordneten eine Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz, die mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien beschlossen wurde, dann standen Fragen der Arbeitsinspektion zur Diskussion. Die Sozialdemokraten nahmen die zwei vorliegenden Berichte der Arbeitsinspektion nicht zur Kenntnis und begründeten diesen Schritt u.a. damit, dass man nicht bereit sei, die Berichte im Plenum des Nationalrates zu debattieren.

VfGH-Erkenntnis macht Änderung des B-SVG erforderlich

Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes macht eine Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes erforderlich. Der VfGH hält es für sachlich nicht gerechtfertigt, dass ein BSVG-Versicherter nach einem Arbeitsunfall oder aufgrund einer Berufskrankheit keinen Anspruch auf eine Betriebsrente hat, wenn er bereits eine Pension nach dem ASVG bezieht. Die entsprechende Bestimmung wird nun korrigiert, wobei das Gesetz künftig für ASVG- und GSVG-PensionsbezieherInnen sowie in bestimmten anderen Fällen eine geringere Bemessungsgrundlage für die Betriebsrente vorsieht. (1280 d.B.)

Abgeordneter Richard Leutner (S) wies auf den "begründeten" Verdacht hin, dass die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht halten werde. Daher sah er es als unmöglich an, einen solchen Beschluss mitzutragen. Außerdem vermisste er die Neuordnung der Berufskrankheiten.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) hielt gleichfalls die vorgeschlagene Regelung für "extrem problematisch" und für verfassungsrechtlich bedenklich. Auch er bemängelte, dass in der Novelle die Liste der Berufskrankheiten, die im Ministerialentwurf noch enthalten war, fehle.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) meinte, die Begründung, dass möglicherweise der Verfassungsgerichtshof eine Vorlage wieder anders bewerten könnte, würde dazu führen, dass man gar kein Gesetz mehr beschließen könnte. Ein von ihm eingebrachter Abänderungsantrag befasste sich mit dem Inkrafttretenstermin (rückwirkend mit 1.1.2006).

Abgeordnete Anna Höllerer (V) erläuterte die verminderte Bemessungsgrundlage und unterstrich, dass die Gesetzesänderung im Interesse der Versicherten läge.

Von einer Reparatur sprach auch F-Abgeordneter Maximilian Walch.

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat machte im Zusammenhang mit der Berufskrankheitenliste darauf aufmerksam, dass diese Liste noch nicht ganz fertig sei, sie werde mit der nächsten ASVG-Novelle noch vor dem Sommer kommen. Nun werde sie in Begutachtung gehen.

Der Verfassungsgerichtshof habe eine Frist bis 31.3.2006 gesetzt. Mit der Änderung wolle man Menschen kein Geld vorenthalten, sondern eine gerechte und finanzierbare Lösung schaffen. Der vorliegende Vorschlag stamme von der Bauernsozialversicherung. Die Kosten aus dieser Neuregelung werden nicht unerheblich sein, meinte die Ressortchefin  und gab bekannt, dass man bis zum Jahr 2010 mit einem Mehraufwand von 250.000 € und bis zum Jahr 2020 von 600.000 € rechne.

Die Novelle wurde unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages mit V-F-Mehrheit verabschiedet.

Debatte über Arbeitsunfälle, Prävention und unbezahlte Arbeitszeit

Unter einem wurden die beiden Berichte des Arbeitsministers über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion in den Jahren 2003 (III-120 d.B.) und 2004 (III-193 d.B.) verhandelt.

2003 haben die Arbeitsinspektorate bei 73.908 Betriebsstätten und auswärtigen Arbeits-(Bau-)stellen bzw. bei fast 26 % der EDV-mäßig vorgemerkten Betriebsstätten (229.230) Amtshandlungen durchgeführt haben. Dabei wurden 48.376 Betriebsstätten und 15.316 Arbeits-(Bau-)stellen überprüft. Von den insgesamt durchgeführten 178.497 Amtshandlungen waren etwas mehr als zwei Drittel (120.571) Überprüfungen. Im Rahmen von Inspektionen wurden 39.500 Betriebsstätten und auswärtigen Arbeits-(Bau-)stellen stichprobenartig überprüft und bei 77.882 Erhebungen gezielte Überprüfungen von Teilaspekten des Arbeitnehmerschutzes (z.B. Arbeitsunfälle, Kinder- und Jugendlichenschutz, Mutterschutz, Arbeitszeit) durchgeführt. Ferner nahmen die ArbeitsinspektorInnen an 18.952 behördlichen Verhandlungen (z.B. gewerberechtliche Genehmigungsverfahren, Bauverhandlungen) teil und führten abgesehen von schriftlichen Erledigungen, internen Besprechungen und Ähnlichem 38.974 sonstige Tätigkeiten durch.

Aus dem Bericht 2004 geht hervor, dass die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle um fast ein Drittel – von 103 im Jahr 2003 – auf 132 zugenommen hat. Entgegen diesem Trend bei den tödlichen Arbeitsunfällen hat, nach den Daten der AUVA, 2004 die Zahl der anerkannten Arbeitsunfälle unselbständig Erwerbstätiger (ohne Wegunfälle) geringfügig (2004: 115.216, 2003: 115.259) abgenommen.

Mehr als drei Fünftel aller Arbeitsunfälle und fast zwei Drittel aller tödlichen Unfälle ereigneten sich in folgenden sechs Wirtschaftszweigen: Bauwesen; Handel; Realitätenwesen; Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen; Metallerzeugung und –bearbeitung; Verkehr/Nachrichtenübermittlung.

Abgeordneter Richard Leutner (S) sprach davon, dass in einigen Bereichen die Zahlen "alarmierend" sind, etwa was die Zahlen zu den Arbeitsunfällen in Österreich betreffe. Studien haben ergeben, dass 50 % aller Krankheiten auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen sind. Daraus schloss der Redner, dass bei der Prävention, für die die gesamte Bundesregierung eine Verantwortung zu tragen habe, massiver Handlungsbedarf bestehe. Der Redner hielt eine neue Präventionsinitiative für notwendig und möchte gern ein nationales Präventionszentrum unter der Führung der AUVA einrichten. Die Sozialdemokraten werden diese beiden Berichte nicht zur Kenntnis nehmen, gab er weiters bekannt; nicht weil die Arbeitsinspektion keine hervorragende Arbeit leistet, sondern weil die Zahlen zeigen, dass viel zu wenige Initiativen im Präventionsbereich gegriffen haben.

Abgeordnete Christine Marek (V) sprach die tödlichen Arbeitsunfälle im Bereich des Handels an.

Abgeordnetem Karl Öllinger (G) ist aufgefallen, dass der Personalstand in der Arbeitsinspektion 2004 zurückgegangen ist. Im Zusammenhang mit den Arbeitsunfällen kam Öllinger darauf zu sprechen, dass man über einen längeren Zeitraum einen Rückgang bei den Arbeitsunfällen verzeichnen konnte, jetzt aber wieder die Tendenz steigend sei. Hinsichtlich der Berufskrankheiten merkte er an, dass es 2004 58 Asbest-Tote gegeben habe. Im Bereich der berufsbedingten Erkrankungen gehöre die Prävention seiner Ansicht nach ausgeweitet und die Lücke im Arbeitnehmerschutz bei der Prävention und bei der Nachsorge von Seiten der Unfallversicherung geschlossen. Weiters hob er die "teilweise gigantischen Überschreitungen" von Arbeitszeiten in Handelsbetrieben hervor und erkundigte sich danach, ob seitens des Ressorts eine statistische Erfassung von tatsächlich bzw. unbezahlt geleisteten Arbeitsstunden geplant sei.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) meinte, die Betriebsinhaber seien daran interessiert, dass keine (tödlichen) Unfälle passieren. Seine Frage an den Minister bezog sich auf Schwerpunktaktionen in den letzten beiden Jahren.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) bezog sich in ihrer Wortmeldung auch auf die massiven Überschreitungen bei den Arbeitszeiten, vor allem von jugendlichen Arbeitnehmern und von Frauen im Mutterschutz. Ein weiteres Anliegen von ihr betraf die Gebärdensprache für gehörlose Arbeitnehmer und eine Werbekampagne für Betriebe, damit diese wissen, mit welcher Unterstützung sie rechnen können.

Auf die Zusammenarbeit der Behörden kam S-Abgeordneter Franz Riepl zu sprechen, der darauf hinwies, dass es im Sommer massive Probleme mit einer Firma gegeben habe, die asiatische Arbeitskräfte nach Österreich gebracht und diese zu inakzeptablen Bedingungen beschäftigt habe. Konkret wollte Riepl wissen, welche Schwerpunktaktionen geplant seien, um "sklavenähnliche Zustände" in Österreich zu verhindern. Auch erkundigte er sich danach, ob so ein Fall gesamtösterreichisch durchleuchtet werde. Im Zusammenhang mit dem Outlet-Center Parndorf mit seinen 90 Betrieben und 174 Beschäftigten wies Riepl darauf hin, dass es dort keinen einzigen Jugendlichen und Lehrling gibt.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) unterstrich, dass die stagnierende Zahl der Mitarbeiter in der Arbeitsinspektion nicht zu Lasten der Tätigkeit der Arbeitsinspektion gegangen sei. Als notwendig erachtete er es, auch andere Schwerpunkte, vor allem im Hinblick auf neue Dienstleistungsbereiche zu setzen.

Die Situation von in Ausbildung befindlichen Altenhelferinnen und von ArbeitnehmerInnen in Alten- und Pflegeheimen sprach G-Abgeordnete Theresia Haidlmayr an.

Bundesminister Martin Bartenstein sah in der Nichtkenntnisnahme der Berichte durch die SPÖ einen ungerechtfertigten Misstrauensbeweis. Nicht nachvollziehen konnte der Ressortleiter die Aussage Leutners, dass es im Dienstleistungsbereich besonders viele Verstöße gegeben habe, auch hielt er es für bemerkenswert, dass laut Leutner 50 % der Erkrankungen auf Arbeit und Arbeitsbelastung zurückzuführen seien. Den Abgeordneten ersuchte der Minister, seine Zahlen – Leutner sprach von Zahlen der AK basierend auf internationalen Daten – vorzulegen. Hinsichtlich der Prävention denkt Bartenstein an keine zusätzlichen Strukturen. In Bezug auf die 58 Asbest-Toten meinte der Ressortleiter, dass seit 1984 der Einsatz von Asbest verboten sei und Risikoarbeitnehmer untersucht werden. Die Zahl der Asbest-Toten steige seiner Ansicht nach, da man etwa Karzinome nicht erkannt habe. Ab heuer stelle bei der AUVA die Entsorgung von Asbest-Platten im Baubereich einen Schwerpunkt dar; hierbei geht es vor allem um das Einatmen von Asbest-Partikeln.

Eine gigantische Überschreitung der Arbeitszeit im Handel sah Bartenstein nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Arbeitszeit seien nicht geplant. Als Aufgabe der Sozialpartner sah er es an, unbezahlte Mehrstunden aufzuzeigen und abzustellen. Zudem bekannte sich der Ressortchef dazu, dass "Arbeit, die geleistet wird, auch bezahlt wird".

Wenn ein Betrieb einen behinderten Arbeitnehmer aufnimmt, dann müsse es auch entsprechende Einrichtungen für diesen Arbeitnehmer geben, meinte Bartenstein in Richtung Abgeordneter Haidlmayr. Wenn keine behindertengerechte Toilette zur Verfügung gestellt wird, dann müsse das aufgezeigt werden.

Die beiden Berichte, die mit V-F-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurden, wurden im Ausschuss enderledigt. (Forts./Aktuelle Aussprache)

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