Parlamentskorrespondenz Nr. 506 vom 23.05.2006

Nationalrat: Aktuelle Stunde zum Thema Familien- und Eherecht

Gastinger hofft auf breite Akzeptanz der neuen Bestimmungen

Wien (PK) -  Für die Aktuelle Stunde, mit der die Sitzung des Nationalrats eingeleitet wurde, stand der Fraktion der Freiheitlichen die Themenauswahl zu. Debattiert wurde über " Die Zukunft partnerschaftlich gestalten - ein modernes Familien- und Eherecht".

Abgeordneter SCHEIBNER (F) wies darauf hin, dass die Justizministerin nach langen Gesprächen einen Entwurf für die Besserstellung von so genannten Patchwork-Familien in die Begutachtung schicken konnte. Man hoffe, noch in dieser Legislaturperiode diese Verbesserungen für die neue Familienform beschließen zu können. Für das BZÖ, fuhr Scheibner fort, sei die Familienpolitik von besonderer Bedeutung, wurden doch seit dem Jahr 2000 gegen die Stimmen der SPÖ sehr viele positive Maßnahmen zur Besserstellung der Familien in Österreich geschaffen. In den neunziger Jahren musste man zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil der Familien mit mehreren Kindern hart an der Armutsgrenze beziehungsweise unter der Armutsgrenze gelebt hat. Mit der Anhebung der Familienbeihilfe, der Erhöhung der Familienabsetzbeträge und vor allem mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes wurde eine massive soziale Besserstellung der Familien in Österreich geschaffen, merkte er stolz an. Man sei sich bewusst, dass man weitere Familienbetreuungsmaßnahmen und Kinderbetreuungseinrichtungen brauche. Die Kinder sollen nicht, wie die SPÖ will, in staatlich kontrollierte Kindergärten abgeschoben werden, sondern es soll flexible Arten der Kinderbetreuung geben, um auch den Frauen in ländlichen Gebieten Betreuungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben. Außerdem sollen die Zuverdienstgrenzen weiter angehoben beziehungsweise für die Dauer des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes abgeschafft werden.

Sei es früher "fast eine Schande gewesen", Kinder zu haben, ohne verheiratet zu sein, gebe es heute in Österreich 700.000 Ehepaare mit Kindern, 110.000 Lebensgemeinschaften mit Kindern, 150.000 Alleinerziehende und – Stand 2001 – 75.000 Patchwork-Familien. Es gebe aber keine gleichen Rechte für diese Gemeinschaften, vor allem werden Kinder in ihren Rechten unterschiedlich behandelt. Wie erwachsene Menschen zusammenleben, das sei, konstatierte Scheibner, Privatsache, darin habe sich der Staat nicht einzumischen, da solle es keine Diskriminierung, aber auch keine Privilegierung geben.

Bundesministerin Mag. GASTINGER wies darauf hin, dass das Ehe- und Familienrecht ein besonders sensibler Rechtsbereich sei. Über das "kleine" Familienrechtspaket, das sich derzeit in Begutachtung befinde, müsse ausgiebig diskutiert werden. Zudem brauche man für die familienrechtlichen Änderungen eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Will man über Familien- und Eherecht und über Partnerschaften diskutieren, müsse auch klar sein, dass das Familienrecht generell Konfliktregelungscharakter habe und außerdem steuernd darauf einwirken kann, wie mit den Familien im Staat umgegangen werden soll. Außerdem müsse man auch darauf Bedacht nehmen, dass man mit dem Rechtssystem nicht hinter der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinke. Bedacht genommen werden muss auch auf die Tatsache, dass sich das Familienrecht vom patriarchalischen System in ein partnerschaftlichen Familienmodell gewandelt habe. Auch in der nächsten Gesetzgebungsperiode werde man sich mit der Fortentwicklung des Ehe- und Familienrechtes und vor allem des Scheidungsrechtes befassen müssen.

In der "kleinen Familienrechtsreform" werde die Lebensgemeinschaft neu definiert, die Stiefelternrechte für verheiratete Paare werden ausgeweitet, es gibt eine "erste Entrümpelung" des Eherechts und es gibt erstmals die Gestaltungsfreiheit der Ehepartner im Hinblick auf die in die Ehe eingebrachte Ehewohnung. Wichtig sei es auch, sich mit dem nachehelichen Unterhaltsrecht auseinanderzusetzen. In Zeiten wie diesen, in denen in sehr vielen Fällen beide Partner berufstätig sind, sollte man auch auf den Unterhalt erhaltenden oder geschiedenen Ehegatten Rücksicht nehmen und könnte nach Ansicht der Ministerin ein Modell andenken, das davon ausgeht, dass jeder Ehegatte selbst für seine Versorgung sowohl während der Ehe als auch nach der Ehe verantwortlich ist. Überdacht werden sollte auch der Ausstattungsanspruch der Kinder; es stelle sich die Frage, ob man sich nicht bei diesem Ausstattungsanspruch, so man ihn beibehält, an der Bedürftigkeit der Kinder orientieren sollte. Aus Sicht des Ministeriums wäre es auch wünschenswert, das Ehe- und Scheidungsrecht wieder in das ABGB zurückzuführen.

Auch Abgeordnete STEIBL (V) sprach von der Veränderung der Familie. Gab es früher fast ausschließlich Mehrkindfamilien, so gebe es heute zum großen Teil nur mehr Familien mit einem Kind, auch gehe die Entwicklung in Richtung AlleinerzieherIn und Patchwork-Familien. Dieser Entwicklung dürfe sich auch die Rechtspolitik nicht verschließen. Man müsse aber auch Mut zur Partnerschaft, Mut zur Ehe haben und Mut zur Familie machen, so Steibl. Mit dem Vorschlag eines Familienrechtsänderungsgesetzes wolle man auch die Situation der Patchwork-Familien verbessern. Bei den Reformen, meinte die Abgeordnete, müsse auch das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Gerade diese Bundesregierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an der Spitze habe gezeigt, welche offensive Familienpolitik gemacht werde, um zur Stärkung der Wahlfreiheit für verschiedene Lebensformen beizutragen.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) hielt es für gut, dass heute die Weiterentwicklung des Familien- und Partnerschaftsrechtes besprochen werde. In der vergangenen Woche habe im Justizressort eine Enquete stattgefunden, bei der die europäische Familien- und Partnerschaftspolitik auf dem Prüfstand gestanden sei und bei der die Ministerin gezeigt habe, wohin der Weg gehen könnte, gäbe es nicht die ÖVP. Von einem der familienfreundlichsten Familienrechte in den siebziger Jahren komme man nun zum rückständigsten Familienrecht in Europa, bedauerte Jarolim. Mit dem Khol-Fekter-Rechtskurs wolle man den Menschen im Land bestimmte Werte vorgeben. Es gebe aber Menschen, die aus bestimmten Gründen in einer partnerschaftlichen Beziehung leben; die wollten, dass diese Form des Zusammenlebens respektiert und akzeptiert werde und es dafür einen rechtlichen Rahmen gebe. Es sei nicht einzusehen, dass eine Person, die 15 Jahre in einer Lebensgemeinschaft verbracht hat, dann, wenn der Partner stirbt, nicht einmal ein gesetzliches Erbrecht hat, meinte Jarolim.

Abgeordnete DI ACHLEITNER (F) erklärte, die SPÖ habe sich von einer konstruktiven Familienpolitik verabschiedet und erkenne nicht die Realität. Durch Umfragen belegt sei, dass zwei Drittel der Bevölkerung in Österreich mit dem Kinderbetreuungsgeld zufrieden sind, aber Andrea Kuntzl habe gestern gemeint, dass Österreich dadurch "Lichtjahre" zurückgeworfen werde. Die Familie sei ein zentrales Anliegen der BZÖ-Politik, da die Familien einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft haben. Gemäß einer Studie des Instituts für Höhere Studien sei die Familienpolitik des BZÖ sehr gut. Dass Familienarbeit inzwischen als Leistung anerkannt werde, äußere sich dadurch, dass Kindererziehungszeiten für die Pensionen angerechnet werden und weniger Erwerbszeiten notwendig sind, um eine Pension zu erhalten. Besonders begrüßte die Abgeordnete die Initiative der Ministerin, die mit dem Familienrechtsänderungsgesetz die Benachteiligung von Kindern etwa in Patchwork-Familien aufhebt.

Abgeordnete MANDAK (G) meinte, ÖVP-Abgeordnete Fekter habe das Familienrechtsänderungsgesetz nicht mitgestaltet, sondern "mitgebremst", habe sie doch verhindert, dass ein Gesetz geschaffen wird, das der Realität entspricht und auf die Bedürfnisse der Familien eingeht. Die ÖVP könne noch immer nicht akzeptieren, dass Paare auch unverheiratet zusammenleben und dass auch diese Paare unterstützt gehören. Mandak bedankte sich bei der Justizministerin für die Vorlage und begrüßte es, dass Gastinger eine "Politik mit großer Offenheit" mache. Schade fand die Rednerin, dass in den Vorlagen festgeschrieben sei, dass die Ehe noch immer ein Kriterium sei, wie neue Familien gestaltet werden sollen. Immerhin gebe es 400.000 Menschen in Österreich, die in so genannten Patchwork-Familien leben, die neue gesetzliche Rahmenbedingungen brauchen. Dabei gehe es nicht nur um das Erbrecht, sondern auch um alltägliche Dinge.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) betonte, die traditionellen Werte seien nicht altmodisch, sondern von den meisten Menschen gewünscht. Sie geben Stabilität und Orientierung. Sie, Fekter, möchte keine Gesellschaft, in der sich niemand mehr verantwortlich fühlt, wo jeder neue Lebenspartner plötzlich Obsorgerechte und -pflichten an den mitgebrachten Kindern bekommt, sie wolle eine Orientierung, die Elternschaft definiert und wo Beliebigkeit und Verantwortungslosigkeit nicht die Werte darstellen, denen die Menschen ausgesetzt sind.

Die ÖVP stehe für Familien mit Verantwortung, für Eltern, die Verantwortung für ihre Kinder haben, und nicht bloß ein Abschieben in Institutionen befürworten, für Kinder, die Verantwortung auch für die ältere Generation übernehmen, und bei denen man nicht nur an ein Entsorgen in staatliche Einrichtungen denkt. Verantwortung, so Fekter, sei eine große Aufgabe, daher habe der Staat die Menschen bei dieser Verantwortung zu unterstützen. Elternschaft könne man nicht abschütteln, auch nicht durch Scheidung. Diese Verantwortung falle den leiblichen Eltern zu, und der Gesetzgeber schütze dabei die Kinder, er helfe aber auch mit Rahmenbedingungen, dass die Eltern diese Obsorge wahrnehmen können. Ob jemand für einen Partner Verantwortung übernimmt, sei ihm selber überlassen, sagte Fekter in Richtung G-Abgeordneter Mandak. Hier solle sich der Gesetzgeber nicht zwangsbeglückend einmengen. Durch Eheschließung gehen beide Rechte und Pflichten ein. Neu vereinbart wurde, dass sich die eheliche Beistandspflicht auch auf die mitgebrachten Kinder bezieht. Wer diese Rechte und Pflichten aber nicht will, der lebe in einer losen Lebensgemeinschaft.

Abgeordnete Mag. KUNTZL (S) strich heraus, die ÖVP wolle bestimmen, was Familie und was nicht Familie ist. Aus diesem Grund gibt es nur ein kleines "Reförmchen". Die ÖVP spreche im Zusammenhang mit der Lebensgemeinschaft noch immer von einer "Ehe 2. Klasse", für sie gelte nicht die Definition von Familie, wo es um ein Zusammenleben in Verantwortung und Geborgenheit geht, für die ÖVP sei die Familie über den Trauschein definiert. Dies sei eine enge Definition von familiärem Zusammenleben. Es sei bedauerlich, dass die ÖVP die Besserstellung dieser Lebensform blockiere. Es gehe nicht um ein Zwangskorsett, sondern darum, die Bedingungen für diese Form des Zusammenlebens zu verbessern und niemandem zu bevormunden. Im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld meinte die Rednerin, es wehre sich niemand dagegen, zusätzliches Geld zu bekommen, aber eine Studie beweise, dass in keinem Punkt die Ziele, die man sich selber gesetzt habe, erreicht wurden. Alles, was an Erfolgbilanzen präsentiert werde, sei tatsächlich ein "schwerer Fall von politischer Selbsthypnose".

Bundesministerin Mag. GASTINGER verwies auf die Studie zum Thema gemeinsame Obsorge, die auch dem Parlament zugemittelt wurde. Das Ergebnis war, dass es sich bei der gemeinsamen Obsorge um ein Erfolgsmodell handle, da das österreichische Modell auf Freiwilligkeit und Einvernehmen basiere. Die Studie habe auch gezeigt, dass 54 % der geschiedenen Familien dieses Modell in Anspruch nehmen; die Erfahrungen damit seien sehr gut gewesen.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) meinte, die Berücksichtigung der neuen Lebensformen sei ein gemeinsames Anliegen. Kein Mensch habe etwas gegen Lebensgemeinschaften, betonte sie in Richtung Opposition, kein Politiker sei so realitätsfremd, dass er die Augen vor den Lebensformen verschließe, mit denen man konfrontiert sei. Diese neuen Lebensformen seien Gegenstand der Familienrechtsreform, die sich derzeit in Begutachtung befinde. In dieser Reform wurde auch auf das Wohl der Kinder Rücksicht genommen. Auch werde u.a. erstmals definiert, was eine Lebensgemeinschaft sei.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) strich heraus, den Grünen seien alle Kinder gleich wichtig. Deshalb setzen sich die Grünen auch dafür ein, dass es von staatlicher Seite keine Diskriminierung von Kindern, die sich aufgrund der Lebensform der Eltern ergibt, geben darf. Wenn ich mir hier anhören muss, sagte Stoisits zu den Ausführungen der Abgeordneten Fekter, "ich entsorge mein Kind, meinen neunjährigen Philipp, weil er in eine Ganztagsschule geht", dann schlägt es "dem Fass den Boden" aus; "das beleidigt nicht nur mich, sondern auch zig tausende Eltern und  hunderttausende Kinder". (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)