Parlamentskorrespondenz Nr. 751 vom 21.09.2006

Nationalrat: Schutzfunktion für Südtirol kaum umstritten

Schutzfunktion soll in der Verfassung verankert werden

Wien (PK) – Als Nächstes wurde im Nationalrat die Petition betreffend "Beratungen über eine neue Bundesverfassung" verhandelt.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) sprach sich dagegen aus, die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol und die Schutzfunktionen anderer Staaten für die in Österreich lebenden Minderheiten in der österreichischen Verfassung zu verankern. Nach Ansicht der Grünen brauche es eine solche verfassungsrechtliche Verankerung in einem vereinten Europa nicht, argumentierte sie. Die Grünen seien für einen Schutz und eine Förderung der Volksgruppen, anstelle einer "Bekenntnispolitik" wäre es, so Lunacek, aber besser, Taten zu setzen. Sie kann sich überdies nicht vorstellen, dass etwa die kroatische Minderheit in Österreich an einer Schutzfunktion Kroatiens interessiert ist, vielmehr würden die österreichischen Minderheiten ihr zufolge ihre Rechte vom österreichischen Staat einfordern.

Das Verhältnis zwischen Österreich und Italien wertete Lunacek als zuletzt hervorragend. Die Südtiroler Autonomie sei ein internationales Vorbild, skizzierte sie, finanziell stehe Südtirol besser da als alle österreichischen Bundesländer. Dass gerade jetzt eine Entschließung betreffend die Verankerung der österreichischen Schutzfunktion in der Verfassung verabschiedet werden solle, wertete sie als "durchsichtiges Wahlkampfmanöver".

Nationalratspräsident Dr. KHOL (V) wies darauf hin, dass die vorliegende Entschließung auf eine Petition der Tiroler Schützen zurückgehe, die auch von 113 der 116 Tiroler Bürgermeister unterstützt worden sei. Er sei froh, dass der Außenpolitische Ausschuss die Aufnahme der Schutzfunktion in die österreichische Verfassung empfehle, bekräftigte er. Für ihn wäre es eine "Verhöhnung" von Hunderttausenden Unterschriften gewesen, hätte man die Petition "in den Papierkorb geworfen".

Für die Argumentation von Abgeordneter Lunacek zeigte Khol kein Verständnis. Für ihn ist die Argumentation, eine Schutzfunktion für Minderheiten sei innerhalb der EU nicht notwendig, "eine gefährliche Position", schließlich habe es immer wieder Anschläge auf die Autonomie Südtirols gegeben. Völkerrechtlich ändere sich ohnehin nichts, sagte Khol. Allerdings werde es künftig nicht mehr im Ermessen der österreichischen Regierung liegen, ob sie die Schutzfunktion für Südtirol ausübe, vielmehr werde die Regierung durch die verfassungsrechtliche Verankerung dazu verpflichtet. Generell bekräftigte der Nationalratspräsident, Österreich und Italien seien befreundete Länder.

Abgeordneter Dr. NIEDERWIESER (S) schloss sich inhaltlich den Ausführungen Khols an, hielt jedoch gleichzeitig fest, er habe eine etwas andere Herangehensweise an das Thema. Österreich habe auch in den letzten Jahren immer wieder seine Schutzfunktion gegenüber Südtirol ausgeübt, unterstrich er, auch wenn es keine riesigen Probleme gegeben habe. Durch die Entschließung ändere sich daran nichts.

Niederwieser machte darüber hinaus geltend, dass es in der Entschließung auch um eine Schutzfunktion anderer Staaten gegenüber den Minderheiten in Österreich gehe. Er habe etwa nichts dagegen, wenn sich Slowenien regelmäßig zum Ortstafelkonflikt äußere, bekräftigte er.

F-Klubobmann SCHEIBNER hielt fest, er freue sich, dass der Nationalrat die vorliegende Entschließung mit großer Mehrheit verabschieden werde. Er wertete es für wichtig, dass Österreich durch einen symbolischen Akt zum Ausdruck bringe, dass die Südtirol-Autonomie dem Land ein Anliegen sei, auch wenn es keine aktuellen Probleme gebe. Es sei aber, so Scheibner, nicht auszuschließen, dass in Italien wieder einmal eine Regierung an die Macht komme, die die Rechte der Südtiroler einschränken wolle.

Noch lieber wäre es ihm gewesen, würde heute nicht eine Entschließung beschlossen, sondern gleich eine Verfassungsänderung im Rahmen einer großen Verfassungsreform, sagte Scheibner. Ihm zufolge geht es in der Entschließung darüber hinaus nicht nur um Südtirol, sondern auch um die Rechte der kleinen altösterreichischen Minderheit in Staaten wie Kroatien, Slowenien oder Ungarn.

Landwirtschaftsminister DI PRÖLL führte in Vertretung von Außenministerin Plassnik aus, Österreich nehme seine Schutzfunktion gegenüber Südtirol seit Jahrzehnten in verantwortungsvoller Weise wahr. Die Verankerung der Schutzfunktion in der österreichischen Verfassung sei ein wichtiges Ziel und falle in die Entscheidungsautonomie des Gesetzgebers, betonte er. Pröll zufolge funktioniert die Südtirol-Autonomie ausgezeichnet.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) sagte, auf dem ersten Blick könnte man meinen, man habe es hier mit einem Dokument zu tun, das für die betroffenen Minderheiten von eminenter Wichtigkeit sei. Doch dieser Eindruck täusche leider. Vielmehr nämlich gehe es darum, den Minderheitenrechten zum Durchbruch zu verhelfen. Hier in Österreich nämlich. Die Rednerin wies beispielsweise darauf hin, dass die im Staatsvertrag verankerten Rechte der steirischen Slowenen in diesem Haus niemals auch nur thematisiert worden seien. Und die Ortstafeldiskussion in Kärnten sei überhaupt "zum Heulen", unterstrich die Abgeordnete, um in diesem Zusammenhang heftige Kritik am Agieren des dortigen Landeshauptmanns zu üben. Bei der Debatte um die Zukunft der Südtiroler Volksgruppe dürfe man auf die Rechte der österreichischen Minderheiten nicht vergessen, sondern müsse diese vielmehr endlich durchsetzen, was vor allem für die zweisprachigen Ortstafeln gelte, schloss die Rednerin.

Präsident Dr. KHOL begrüßte die Südtiroler Landesrätin Sabine Kaslatter-Mur und eine Delegation Südtiroler Journalisten mit dem Chefredakteur der "Dolomiten" Anton Ebner an der Spitze.

Abgeordneter KEUSCHNIGG (V) verwies auf die gemeinsame Vergangenheit und die auch heute noch engen Beziehungen zwischen Nord- und Südtirol und leitete daraus die Verpflichtung ab, sich der Anliegen Südtirols anzunehmen, zumal sich Südtirol genau jene Schutzfunktion wünsche. Die Vorlage möge daher entsprechende Zustimmung erfahren, so der Mandatar, der seine Rede mit Betrachtungen über Entwicklung und Zustand der Autonomie in Südtirol schloss und festhielt, dass Südtirol heute eine Vorzeigeregion in Europa sei. Die Schutzfunktion schade niemanden, sei aber ein sehr wertvolles Signal an die Vertragspartner und die Staatengemeinschaft, damit die positive Entwicklung in Südtirol fortgeschrieben werden könne.

Abgeordneter REHEIS (S) sagte, dies sei ein Thema, das für die Südtiroler und die Tiroler insgesamt von eminenter Wichtigkeit sei, weshalb er, Reheis, auch vollinhaltlich hinter dieser Petition stehen könne. Diese Initiative richte sich gegen Bestrebungen, die Südtiroler Autonomie aufzuweichen, und Derartiges dürfe auch in Zukunft nicht möglich sein, unterstrich der Redner, weshalb er der Schutzfunktion für Südtirol gerne zustimme.

Abgeordnete STADLER (V) verwies auf den geschichtlichen Hintergrund der Südtiroler Autonomie und trat dafür ein, die "Erfolgsgeschichte Südtiroler Autonomie" entsprechend fortschreiben zu können, wozu die Schutzfunktion Österreich, die nicht die Rechte Italiens beschneide, einen wichtigen Beitrag leisten könne, weshalb diese Vorlage von großer Wichtigkeit sei und eine breite Mehrheit verdiene, zumal dies auch dem Wunsch der Südtiroler Freundinnen und Freunde entspreche.

Abgeordneter KRIST (S) erklärte, mit dem vorliegenden Entschließungsantrag sei man fraglos auf dem richtigen Weg, man möge diesen daher auch konsequent weiterverfolgen.

Auch die Abgeordneten GAHR und MACHNE (beide V) sprachen sich für die Annahme der Vorlage aus, wobei letztere die Gelegenheit nutzte, sich vom Hohen Haus zu verabschieden und für vier Jahre guter Zusammenarbeit zu danken.

Die dem Ausschussbericht beigedruckte Entschließung wurde mehrheitlich verabschiedet. (Forts.)