Parlamentskorrespondenz Nr. 629 vom 06.09.2007

Neuer Anlauf für eine umfassende Reform des Haushaltsrechts

Verbindlicher vierjähriger Bundesfinanzrahmen ab 2009 geplant

Wien (PK) - Die Regierung startet einen neuen Anlauf für eine umfassende Reform des österreichischen Haushaltsrechts und hat dem Nationalrat dazu zwei Gesetzentwürfe vorgelegt (203 d.B., 204 d.B.). Unter anderem ist geplant, die Budgetpolitik verbindlich auf mehrere Jahre auszurichten sowie die Zielbestimmungen und die Grundsätze der Haushaltsführung des Bundes neu zu fassen.

Zentrales Instrument für die mittelfristige Budgetsteuerung soll in Hinkunft ein auf vier Jahre ausgerichteter, verbindlicher Finanzrahmen sein. Ein "Bundesfinanzrahmengesetz" soll in komprimierter Form die wesentlichsten Eckpunkte der Budgetpolitik wie Schwerpunktsetzungen und grundsätzliche Personalplanungen vorgeben und im Vorhinein Ausgabenobergrenzen für fünf Politikbereiche ("Rubriken") fixieren: Recht und Sicherheit; Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie; Bildung, Forschung, Kunst und Kultur; Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt; Kassa und Zinsen. Innerhalb der Rubriken ersetzen "Untergliederungen" die bisherigen "Kapitel". Die jeweiligen Budgets müssen sich dann innerhalb des Finanzrahmens bewegen und in den Stellenplänen müssen Obergrenzen für die Vollbeschäftigtenäquivalente eingehalten werden. Im Regelfall soll der Finanzrahmen jeweils im Frühjahr - auf der Grundlage eines alljährlich bis 30. April von der Regierung vorzulegenden Gesetzentwurfes - vom Nationalrat beschlossen oder geändert werden. Die Detailaufteilung der für jedes Ressort zur Verfügung stehenden Mittel erfolgt im darauffolgenden Herbst mit dem Bundesfinanzgesetz. Überschreitungen des Bundesfinanzrahmens sind nur im Verteidigungsfall oder bei "Gefahr im Verzug" - im Einvernehmen zwischen Regierung und Budgetausschuss - möglich.

Der Finanzrahmen tritt im Bundeshaushaltsgesetz an die Stelle des unverbindlichen "Budgetprogramms" und soll künftig durch einen "Strategiebericht" erläutert werden. Dieser Bericht soll die Voraussetzungen und Annahmen sowie Ziele, Prioritäten und Ausgabenschwerpunkte der Regierung darlegen.

Die konjunkturstabilisierende und antizyklische Wirkung des Bundeshaushalts soll durch variable Ausgabenobergrenzen in konjunktursensiblen Bereichen sichergestellt werden: In wirtschaftlich günstigen Jahren soll weniger Geld ausgegeben werden als in Zeiten eines Abschwunges.

Ein neues, effizienteres Rücklagensystem

Dazu kommt ein neues System der Rücklagenbewirtschaftung: Rücklagen sollen nicht bei ihrer Bildung, sondern erst dann finanziert werden, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Dadurch soll der Zinsenaufwand sinken. Einsparungen sollen künftig nicht mehr "verfallen", sondern - mit wenigen Ausnahmen - automatisch rücklagefähig sein und innerhalb der Untergliederung später ausgegeben werden können. Ein einheitlicher Rücklagentopf soll gebildet werden und die bisherigen Einschränkungen für die Verwendung der Rücklagen entfallen. So wird die Aufsplitterung auf eine Vielzahl von Rücklagen-Konten überwunden und die Administration vereinfacht.

Für die Haushaltsführung des Bundes, der Länder und der Gemeinden gilt in Hinkunft nicht mehr nur das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die Gebietskörperschaften werden auch dezidiert dazu angehalten, nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Weiters haben sie ihre Haushaltsführung im Hinblick auf diese Ziele zu koordinieren. Ausdrücklich wird die Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Haushaltsführung eingemahnt. Als neue Grundsätze der Haushaltsführung nennt der Gesetzentwurf: Wirkungsorientierung, Transparenz, Effizienz und möglichst getreue Darstellung der finanziellen Lage.

Anders als heute soll der Nationalrat nicht nur für das folgende, sondern auch für das nächstfolgende Jahr ein Budget beschließen können, jedoch, wie es wörtlich heißt, nur "ausnahmsweise". Außerdem muss ein Doppelbudget nach Jahren getrennt werden.

Haushaltsreform in zwei Etappen - 2009 und 2013

Für das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen sieht der Gesetzentwurf zwei Etappen vor. Während die neuen Bestimmungen über den Finanzrahmen bereits 2009 Geltung erlangen sollen und das erste Bundesfinanzrahmengesetz damit für die Finanzperiode 2009 bis 2012 in Aussicht gestellt ist, werden die Bestimmungen über die neu gefassten Haushaltsgrundsätze laut Gesetzentwurf erst bei der Erstellung des Budgets für 2013 zur Anwendung gelangen. Diese lange Umstellungsphase wird mit der Notwendigkeit begründet, das Bundeshaushaltsgesetz neu zu fassen und das Budget-, Rechnungs- und Berichtswesen auf eine neue Basis zu stellen.

Insgesamt erwartet sich die Regierung vom neuen Haushaltsrecht eine verbesserte Haushaltsplanung und –steuerung sowie eine Steigerung der Effektivität und der Effizienz der Mittelverwendung. Zudem erhöht der vierjährige Finanzrahmen ihrer Überzeugung nach die Planungssicherheit der haushaltsleitenden Organe und ermöglicht einen zielgerichteten Mitteleinsatz gemäß den politischen Prioritäten.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird außerdem auf positive Erfahrungen mit der Flexibilisierungsklausel verwiesen, die in den vergangenen sieben Jahren in ausgewählten Organisationseinheiten getestet wurde. Durch die Zusammenführung der Entscheidungs- und Ressourcenverantwortung und die Flexibilisierung des Budgetvollzugs hätten in den betroffenen Dienststellen eine deutlich höhere Motivation der MitarbeiterInnen sowie eine gesteigerte Leistungs- und Ergebnisorientierung festgestellt werden können, heißt es. Ergebnis seien Saldoverbesserungen in der Größenordnung von durchschnittlich 8 bis 16 % pro Jahr gewesen.

Einen ersten Anlauf zu einer umfassenden Reform des Haushaltsrechts hatte es bereits im Frühjahr 2006 gegeben, damals noch unter Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser. Die dem Nationalrat vorgelegten Gesetzentwürfe wurden von den zuständigen Ausschüssen vor dem Ende der Legislaturperiode jedoch nicht mehr behandelt. (Schluss)