Parlamentskorrespondenz Nr. 839 vom 08.11.2007

Bundesminister Pröll gegen das Schüren von Emotionen

Dringliche befasst sich mit türkisch-kurdischen Ausschreitungen

Wien (PK) - Abgeordneter WESTENTHALER (B) unterstrich in der Begründung der Dringlichen Anfrage die Brisanz des Themas. Die Situation spitze sich derzeit aufgrund der politischen Entwicklung in der Türkei zu und der Konflikt schwappe auf Europa und damit auch auf Österreich über. Das BZÖ wolle nicht, dass AusländerInnen Privatpersonen und Wirtschaftsbetriebe durch die Austragung eigener ethnischer und politischer Auseinandersetzung in Österreich gefährden. Durch die Ankündigung weiterer Massendemonstrationen drohe eine weitere Eskalation, warnte Westenthaler, was der Wirtschaft schaden und die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Die SPÖ jedoch leugne einmal mehr die Probleme, und leider spiele auch die Polizeiführung die Gefahren herunter. Im Gegensatz dazu habe das Amt für Terrorismusbekämpfung warnende Worte gefunden. Racheaufrufe gebe es auch im Internet, sagte Westenthaler und kritisierte die Jungsozialisten, die, wie er sagte, in verantwortungsloser Weise zu einer Demonstration in Innsbruck aufgerufen hätten.

Das BZÖ verlange daher von Innenminister Platter, von seinem Recht Gebrauch zu machen, die geplanten Demonstrationen zu untersagen, zumal man wisse, dass eine Eskalierung droht. Österreich sollte sich ein Beispiel an der linken italienischen Regierung nehmen, die präventiv jene Rumänen abschiebe, von denen ein Gewaltpotential ausgehe, so die Forderung Westenthalers. Er kritisierte abschließend die ÖVP wegen ihrer Zustimmung zum Haftentlassungspaket. Das komme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gleich, und damit sei die ÖVP als Sicherheitspartei abgetreten.

In Vertretung von Bundesminister Platter, der sich derzeit beim Rat der Innenminister in Brüssel befindet, beantwortete Bundesminister DI PRÖLL die Dringliche Anfrage. Wenn es Unruhe gibt, so Pröll, dann dürfe man nicht Emotionen schüren, sondern Ruhe bewahren und zielorientiert vorgehen. Strikt lehnte er die Forderung Westenthalers ab, die Demonstrationen zu verbieten. Die Versammlungsfreiheit stelle ein verbrieftes Grundrecht und einen wesentlichen Pfeiler der demokratischen Ordnung dar. Grundrechte könne man nicht nach Lust und Laune aussetzen. Eine willkürliche Untersagung von Demonstrationen habe in einem Rechtsstaat nichts zu suchen und gewährleiste in keiner Weise die Sicherheit. Der Bundesminister erläuterte die Untersagungsgründe und stellte gleichzeitig fest, dass die Bundespolizeidirektionen sehr genau prüfen, ob Untersagungsgründe vorliegen. Es werde sicherlich keine Toleranz für jene geben, die das Demonstrationsrecht für Gewalttaten missbrauchen, versicherte er. Gegebenenfalls würden auch fremdenpolizeiliche Maßnahmen gesetzt.

In Bezug auf die angekündigten Demonstrationen, bemerkte der Minister, gebe es keinerlei Untersagungsgründe. Es lägen keine Hinweise auf geplante Gewaltanwendungen vor und die Polizei sei gewappnet.

Abgeordnete HAUBNER (B) erwiderte, ihr gehe es nicht darum, Emotionen zu schüren, sondern die Fakten aufzuzeigen. Es handle sich längst nicht mehr um Einzelfälle, sagte sie. Niemand zweifle daran, dass die Polizei beste Arbeit leistet, aber das Parlament müsse präventiv handeln, wenn Gefahr in Verzug ist. Man müsse sich dagegen wehren, dass in Österreich Stellvertreterkriege geführt werden. Die angekündigte Demonstration in Linz mit wahrscheinlich 8.000 TeilnehmerInnen sei keine Kleinigkeit und werde zu großen Verkehrsbehinderungen führen. Es sei falsch zu meinen, die Demonstration sei nicht politisch motiviert. Auch Haubner sprach sich für ein Verbot der Demonstrationen aus. Selbstverständlich sei die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht, sagte sie, aber die Spielregeln müssten eingehalten werden und bei Missbrauch dürfe es keine Toleranz geben. Abschließend brachte sie einen Entschließungsantrag ein, in dem der Innenminister aufgefordert wird, bis zur Entspannung der Situation sämtliche türkische und kurdische Versammlungen zu untersagen und einen Runden Tisch mit kurdischen und türkischen VertreterInnen einzurichten.

Abgeordneter HURSKY (S) warf dem BZÖ vor, zu übertreiben. Der Vorfall in Favoriten sei kein ethnischer Konflikt gewesen, da auf beiden Seiten sowohl Kurden als auch Türken beteiligt gewesen seien. Kritisch merkte er jedoch an, dass es zu wenig PolizistInnen gebe, vor allem für präventive Einsätze, was auch das BZÖ mit zu verantworten hätte. Unverständlich war ihm, dass für die Favoritner Polizei 8.000 Überstunden gekürzt wurden. Er forderte daher Innenminister Platter auf, genügend Personal zur Verfügung zu stellen.

Auch Abgeordnete TAMANDL (V) bemängelte, Abgeordneter Westenthaler stelle nur Vorverurteilungen und Schlagworte in den Raum. Man könne keine Demonstrationen verbieten, wenn keine Anhaltspunkte für geplante Gewaltakte vorliegen. Die ÖVP werde sich dagegen wehren, das demokratische Recht der Versammlungsfreiheit aufzuweichen. Willkürliche Untersagungen seien außerordentlich gefährlich, warnte Tamandl. Die Veranstalter der Demonstrationen in Wien und Linz seien nicht ident, und die Initiatoren hätten sich für eine friedliche Demonstration ausgesprochen. Meistens fänden die Ausschreitungen nach der Auflösung einer Demonstration statt. Ihrem Vorredner hielt sie entgegen, dass es in Wien derzeit mehr Planstellen als unter sozialdemokratischen Innenministern gebe.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) warf dem BZÖ vor, eine einzelne Schlägerei aufzubauschen, und bekräftigte, die Grünen seien gegen eine generelle Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Eine Umsetzung der Forderungen des BZÖ wäre seiner Meinung nach ein glatter Bruch der Verfassung. Überdies erachtet es Pilz, wie er sagte, für sicherheitspolizeilich gefährlich, Türken und Kurden zu verbieten, friedliche Versammlungen abzuhalten.

Was den drohenden Einmarsch der Türkei in den Nordirak anbelangt, hat die EU Pilz zufolge eine große Verpflichtung. Man müsse der türkischen Regierung unmissverständlich klar machen, dass ein Angriff der Türken zu sofortigen politischen Konsequenzen führen würde. Pilz fürchtet eine nachhaltige Destabilisierung der Region.

FPÖ-Klubobmann STRACHE warnte dem gegenüber davor, die jüngsten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden herunterzuspielen. Österreich hat seiner Meinung nach durch die Zulassung von Massenzuwanderung ethnische Konflikte importiert. Der "multikulturelle Traum" und die Integrationspolitik seien gescheitert, sagte Strache.

In Bezug auf die Drohung der Türkei, in den Norden des Irak einzumarschieren, fragte Strache: "Wo ist die EU?" Bei einem solchen Schritt müssten die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei sofort eingestellt werden, mahnte er. In Richtung BZÖ merkte Strache an, generelle Versammlungsverbote brauche man in Österreich nicht, er forderte allerdings, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ernst zu nehmen und umzusetzen.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) stimmte Minister Pröll zu, wonach es notwendig sei, besonnen und zielgerichtet vorzugehen. Die Abgeordneten seien jedoch verpflichtet, auf bestehende Gefahren aufmerksam zu machen, unterstrich er. Darmann wies darauf hin, dass das Versammlungsrecht eingeschränkt werden könne, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Abgeordnetem Hursky warf Darmann vor, die jüngste Straßenschlacht in Wien verharmlost zu haben.

Abgeordneter Ing. KAPELLER (V) hielt fest, Angstmache sei ebenso wenig angebracht wie eine Unterschätzung des Gefährdungspotenzials. Die Entscheidung über konkrete Versammlungsverbote sollte man seiner Meinung nach aber den Sicherheitsbehörden überlassen. Nicht jede Demonstration sei gleich ein sicherheitspolizeiliches Problem, erklärte Kapeller, gerade angemeldete Demonstrationen seien besser kalkulierbar und von der österreichischen Demokratie auch "gut auszuhalten". Als problematischer wertete er spontane Gewalttätigkeiten.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) zeigte sich über die Ausführungen von Landwirtschaftsminister Pröll zum Grundrecht der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit erfreut, und äußerte die Hoffnung, dass Innenminister Platter und Pröll hier einer Meinung sind. In Richtung BZÖ stellte die Abgeordnete fest, es gebe immer wieder irgendwo Randale, man könne infolge eines Einzelfalls jedoch nicht mehr als 16 % der österreichischen Bevölkerung Gewalttätigkeit unterstellen und einen Generalverdacht gegen alle MigrantInnen äußern. Generell sprach sich Weinzinger dafür aus, gegen politische Brandstiftung vorzugehen.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) stellte in Richtung Abgeordnetem Hursky klar, bei der jüngsten Schlägerei zwischen Türken und Kurden in Wien sei es um kein Fußballspiel gegangen. Es müsse legitim sein, Überlegungen darüber anzustellen, wie solche Vorkommnisse in Zukunft verhindert werden könnten, verlangte er. Das Versammlungsrecht sei, so Fichtenbauer, zwar ein Grundrecht, unter bestimmten Voraussetzungen wie der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit könne es aber eingeschränkt werden. An den Minister richtete Fichtenbauer den Appell, "die Beamten nicht im Regen stehen zu lassen".

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) gab zu bedenken, dass sich die Behörden bei der Zulassung bzw. beim Verbot von Demonstrationen an Gesetze halten müssten. Der Verfassungsgerichtshof setze hier sehr strenge Maßstäbe, konstatierte er. Die Situation sei heikel, das allein erlaube es aber nicht, eine Demonstration zu untersagen. Behauptungen, wonach MigrantInnen in Österreich unter Generalverdacht stünden, wies Rasinger zurück.

Abgeordneter VILIMSKY (F) nannte es ein Faktum, dass die Integration in Österreich versagt habe. Es seien zu viele Zuwanderer ins Land gekommen, skizzierte er, dafür sei nicht zuletzt auch das BZÖ verantwortlich. Zum Thema Versammlungsfreiheit hielt Vilimsky fest, man müsse zwischen den Interessen von Demonstrationsteilnehmern und Anrainern abwägen. Es gehe nicht an, dass Geschäftsleute durch andauernde Demonstrationen hohe Einnahmeneinbußen hinnehmen müssten. Generell bekräftigte er, die FPÖ sei für einen rigorosen Vollzug des Versammlungsgesetzes.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) wies die Darstellung von Abgeordnetem Vilimsky zurück, wonach das BZÖ "300.000 Ausländer nach Österreich hereingebracht hat". Ein Großteil der Ausländer, die sich zuletzt in Österreich niedergelassen haben, seien Deutsche, betonte er. Die Ursache für die aktuellen Integrationsprobleme liegen ihm zufolge aber viel weiter zurück und seien etwa dadurch bedingt, dass sich Türken mit Integration schwerer tun würden als andere Nationalitäten. Allgemein bekräftigte Scheibner, niemand dürfe das Demonstrationsrecht missbrauchen, um Gesetze zu brechen. Man muss seiner Meinung nach alles tun, um Stellvertreterkriege in Österreich zu verhindern.   

Abgeordneter WEINZINGER (F) bekannte sich als Mitglied einer Burschenschaft mit Nachdruck zum Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit und kritisierte, dass der wöchentliche "Bummel" seiner Burschenschaft vor der Wiener Universität immer wieder von linken Aktivisten gestört werde, ohne dass, wie er sagte, die Polizei etwas dagegen unternimmt.

Bei der Abstimmung blieb der Antrag des BZÖ in der Minderheit. (Schluss)