Parlamentskorrespondenz Nr. 25 vom 16.01.2008

Rechnungshof ortet Mängel bei der Vollziehung des Pflegegelds

Weiters im Ausschuss: Fusion der Pensionsversicherungsanstalten

Wien (PK) – Bei der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses

stand zunächst der Vollzug des Bundespflegegeldgesetzes durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sowie die Fusion der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten auf dem Prüfstand. Der Ausschuss wurde um 14 Uhr unterbrochen und wird nach Schluss der Sondersitzung des Nationalrats fortgesetzt. Dann wird es um die Zulagen und Nebengebühren der Bundesbediensteten sowie um die Reform der Beamtenpensionssysteme des Bundes sowie der Länder Burgenland, Niederösterreich und Salzburg gehen.

Der Vollzug des Bundespflegegeldgesetzes im Bereich der SVA

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis Juni 2006 den Vollzug des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Schwerpunkte der Gebarungsüberprüfung waren die Besonderheiten des Pflegestufensystems sowie Verbesserungen und Einsparungsmöglichkeiten in der Administration sowie im medizinischen Bereich der SVA. Darüber hinaus wurde der dem Bund verrechnete Aufwand für den Vollzug des BPGG näher betrachtet.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) ging auf die Kritikpunkte des Rechnungshofs genauer ein und erkundigte sich bei Bundesminister Erwin Buchinger, ob in den einzelnen Bereichen (z.B. Verfahrungsbeschleunigung, einheitliche Qualitätsstandards, Erstellung einer einheitlichen Datenbank etc.) schon Verbesserungen erzielt wurden. Er wies zudem darauf hin, dass seit der Einführung des Pflegegelds im Jahr 1993 die Stufen 2 bis 7 um nur 7,5 % erhöht wurden, die Stufe 1 wurde sogar um 18,4 % gesenkt. Warum sei es so schwer, diese wichtige Sozialleistung an die Inflationsentwicklung anzupassen, fragte er.

Abgeordnete Christine Lapp (S) hielt es für wichtig, dass der Vollzug des Pflegegeldes ständig durchforstet und auf seine Effizienz überprüft werde. Was die Verfahrensdauer bei der SVA angeht, so gab sie zu bedenken, dass andere Sozialversicherungsträger hier bessere Ergebnisse aufweisen, weshalb ein Know-how-Transfer sinnvoll wäre. Abgeordneter Kurt Gaßner (S) gab zu bedenken, dass es zwischen optimaler Versorgung und Verwahrlosung noch eine ganze Palette von Abstufungen gebe, die man berücksichtigen müsse.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) sprach den teilweise geringen Deckungsgrad im Bereich der zukaufbaren Pflegeleistungen an. Er wünschte sich zudem einheitliche Standards im Rahmen der Begutachtungsverfahren.

Da die SVA in den letzten Jahren positiv bilanziert habe, sei es umso bedauerlicher, dass so viele Mängel vom Rechnungshof aufgezeigt wurden, meinte Abgeordneter Josef Bucher (B). Er forderte einen gleichen Zugang zum Bundespflegegeld für alle Menschen und eine Vereinheitlichung der Kriterien.

Minister Buchinger setzt sich für Anpassung des Pflegegeldes ein

Bundesminister Erwin Buchinger wies eingangs darauf hin, dass sein Ressort beim Bundespflegegeld als Aufsichtsbehörde fungiere und daher auch kein Weisungsrecht habe. Generell erachtete der Minister das im Jahr 1993 eingeführte Bundespflegegeld als ganz wichtigen sozialpolitischen Meilenstein, der insgesamt (Bundes- und Landespflegegeld) ein Budgetvolumen von 2 Mrd. € ausmache. Er werde sich dafür einsetzen, dass es im Rahmen der nächsten Budgetverhandlungen eine möglichst große Anpassung gebe. Eine im Herbst eingesetzte Arbeitsgruppe befasse sich bereits intensiv mit diesem Thema. Wollte man jedoch die bisher nicht durchgeführte gänzliche Inflationsanpassung nachholen, dann würde dies einem Betrag von etwa 350 bis 400 Mill. € entsprechen, gab er zu bedenken. Auch wenn er den Verhandlungen mit dem Finanzminister nicht vorgreifen wolle, so würde er sich mit einer Anpassung von 1 % bis 2 % nicht zufrieden geben.

Buchinger dankte dem Rechnungshof für seine wertvollen Anregungen und pflichtete Präsidenten Moser bei, dass es unerträglich sei, wenn 23 % der Verfahren länger als drei Monate dauern bzw. wenn 10,9 % der Antragsteller vor dem Abschluss des Pflegegeldverfahrens versterben. Er unterstütze daher die Intention des Generaldirektors der SVA, eine durchschnittliche Erledigungsdauer von 60 Tagen zu erreichen. Die SVA habe auch insofern auf Kritik reagiert, als sie zusätzliche Vertrauensärzte vor allem in den Regionen mit schlechterer Versorgung eingestellt hat. Fortschritte gebe es auch hinsichtlich der Vereinheitlichung der Qualitätskriterien, wobei insbesondere Schulungen für die Ärzte angeboten wurden, sowie hinsichtlich der zentralen Abwicklung von schwierigeren Fällen. Buchinger empfahl zudem, dass bei den Einstufungsverfahren Vertrauenspersonen dabei sein sollen. Der Minister informierte noch darüber, dass im letzten Jahr 15.000 Hausbesuche von diplomierten Fachkräften bei pflegebedürftigen Menschen gemacht wurden, die ein erfreuliches Ergebnis zeitigten; - Elemente der Verwahrlosung wurden in weniger als 1 % der Fällen festgestellt.

Moser fordert einheitliche Kriterien für Verwendung des Pflegegeldes

Das Pflegethema sei derzeit ein Kernbereich der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes, erklärte RH-Präsident Josef Moser, und werde seine Organisation auch 2008 und 2009 noch intensiv beschäftigen. Ziel sei es, einen umfassenden Überblick über alle Entscheidungsträger in diesem Bereich zu erhalten, um Vergleiche anstellen zu können. Was nun konkret den Vollzug des Bundespflegegeldgesetzes bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) angeht, so entsprachen die Entwicklungen nicht dem allgemeinen Trend, da sowohl der finanzielle Aufwand als auch die Anzahl der Bezieher rückläufig waren. Im besonderen bemängelte der Rechnungshofpräsident, dass klar definierte Kriterien für die Prüfung der zweckgemäßen Verwendung des Pflegegeldes fehlen und auch nicht genau festgelegt wurde, was man unter "Verwahrlosung" versteht.

Nicht förderlich sei auch, dass insgesamt 25 Entscheidungsträger zuständig sind, was zu einer Zersplitterung der Strukturen, uneinheitlichen Kriterien, Doppelbegutachtungen etc. führe. Moser wünschte sich daher mehr Einheitlichkeit in den Bereichen Aufsicht, Schulung und Datenerfassung (eine einheitliche aktuelle Datenbank). Auch die Gutachten der externen Vertrauensärzte wären zum Teil mangelhaft und unvollständig, die Qualitätssicherungsmaßnahmen verbesserungswürdig. Außerdem müsse für eine ausgewogenere Beauftragung der externen Vertrauensärzte gesorgt werden. Besonders schwierige und fehleranfällige Pflegegeldverfahren (z.B. zwischenstaatliche Fälle) sollten in der Hauptstelle bzw. im Rahmen eines Kompetenzzentrums bearbeitet und die Oberbegutachtung durch den chefärztlichen Dienst vorgenommen werden. Einheitliche Kriterien forderte Moser vor allem hinsichtlich der Einstufung von Kindern, Jugendlichen und Demenzkranken. Schließlich sollte die Dauer aller nicht strittigen Verfahren auf unter drei Monate verkürzt werden, unterstrich Moser.

Der Bericht wurde – ebenso wie Tagesordnungspunkt 1 (Bericht des Rechnunghofs III-100.d.B.), zu dem es keine Wortmeldungen gab - einstimmig vertagt.

Fusion der PVA: Einsparungspotenzial nicht genutzt

Die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten war ein weiteres Thema der Sitzung des Rechungshofausschusses. Der Rechnungshof hatte in seinem Bericht vor allem den kurzen Übergangszeitraum und den daraus resultierenden Zeitdruck kritisiert, der seiner Ansicht nach zu einer Reihe von Planungs- und Durchführungsmängeln geführt hatte. So belaufe sich die Summe aus dem nicht genutzten Einsparungspotenzial und den vermeidbaren Mehraufwendungen auf rund 23 Mill. €, überhaupt sei das angeführte Einsparungsziel in der Höhe von 10 % des Verwaltungs- und Verrechnungsaufwandes betragsmäßig und auch hinsichtlich des Zeitrahmens ungenau definiert gewesen. Mängel ortete der Rechungshof auch bei der Konsolidierung der IT-Strukturen und bei der Zusammenführung der Rechenzentren.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) meinte, der Bericht lasse an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Er warf der PVA insbesondere vor, Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand als Fusionsaufwand bezeichnet zu haben, um über die erheblichen Steigerungen hinwegzutäuschen. Fragwürdig war für Ollinger zudem auch die Vorgangsweise der PVA bei der Anmietung von Objekten, wobei der Grün-Sprecher vor allem auf den Umstand verwies, dass teilweise überhöhte Mieten bezahlt wurden. Wenig Verständnis zeigte er auch für die Behandlung von generösen Pensionszahlungen als Abzugsposten.

Abgeordnete Ruth Becher (S) kritisierte ebenfalls die Anmietung von Immobilien durch die PVA und betonte, der Erwerb wäre oft günstiger gewesen.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) sah zwar noch weitere Einsparungspotenziale, bemerkte aber, die Fusion habe trotz aller Mängel viele positive Mitnahmeeffekte gebracht.

Für den Abgeordneten Erwin Kaipel (S) hingegen zeigten die vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel, dass das Motto der Vorgängerregierung "Speed kills" auch bei dieser Fusion ein schlechter Ratgeber gewesen sei.

Sozialminister Erwin Buchinger teilte im Wesentlichen die Kritik des Rechnungshofes und unterstützte dessen Vorschlag, die Gesamtaufwendungen der Fusion zu evaluieren.

Der Tagesordnungspunkt wurde schließlich einstimmig vertagt. (Forts.)