Parlamentskorrespondenz Nr. 279 vom 31.03.2008

Präsentation der Edition Mauthausen im Parlament

Prammer: Niemals vergessen, niemals verdrängen, niemals verleugnen

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer lud heute Nachmittag zur Präsentation der Schriftenreihe "Edition Mauthausen" ins Parlament, wobei aus vier exemplarischen Werken einzelne Passagen vorgelesen wurden.

Neben der Neuauflage der umfassenden Dokumentation von Hans Marsalek über "Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen" wurde das Buch "Zwischen Mutterkreuz und Gaskammer" präsentiert, in dem sowohl das Schicksal der weiblichen Häftlinge des KZ Mauthausen, der weibliche Widerstand gegen die Nationalsozialisten als auch die Frauen in den Reihen der TäterInnen näher beleuchtet wurden. In dem Buch "Der Geist ist frei" sind Biografien von 32 Menschen versammelt, die entweder als KünstlerInnen oder WissenschafterInnen nach Mauthausen deportiert wurden oder nach ihrer Befreiung eine Laufbahn in diese Richtungen einschlugen und die beispielhaft für die Vernichtung des enormen kreativen und geistigen Potenzials durch das NS-Regime stehen. Außerdem wurden den zahlreichen Besuchern Hörbeispiele aus der CD des Oratoriums "...und alle Toten starben friedlich..." (Musik von Wolfgang R. Kubizek, Text von Vladimir Vertlib) vorgespielt.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer betonte die große Bedeutung der Aktivitäten von Organisation wie dem Mauthausen Komitee, die alle dem zentralen Leitgedanken verpflichtet sind, "niemals zu vergessen, niemals zu verdrängen und niemals zu verleugnen". In ihrer Studienzeit habe sie eine Arbeit über die Kinder in den Konzentrationslagern geschrieben, was für sie damals – selbst eine junge Mutter – ein Schlüsselerlebnis war. Wenn man sich aktuelle Umfrageergebnisse bezüglich des Vertrauens in die Demokratie anschaue, dann antworten 63 % der Menschen mit Ja. Sie halte es jedoch für bedenklich, dass immerhin 37 % kein Vertrauen haben, meinte Prammer. Es sei daher die Aufgabe der Politik, den Menschen die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie, die ihrer Meinung nach die einzige Form sei, um gesellschaftliche Konflikte in beständiger Form friedlich auszutragen, ins Bewusstsein zu rufen. Eine wichtige Aufgabe sei es auch, sich darauf vorzubereiten, eine neue Form der Geschichtsbewältigung zu finden, da es immer weniger Zeitzeugen gibt.

Der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, Willi Mernyi, dankte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer für die Einladung und dafür, dass sie nicht nur immer eine Unterstützerin der Aktivitäten des Komitees war, sondern vor allem eine Mitstreiterin und Mitkämpferin. Angesichts der in den Büchern behandelten Themen könnten manche sich wohl fragen, ob man darüber heute noch immer reden müsse oder ob man solche Veranstaltungen wirklich noch brauche. Aktuelle Vorkommnisse, wie etwa jene beschämende Diskussion in St. Pantaleon, die anlässlich des Vorschlags ausbrach, im Gedenken an die Opfer des während des Nationalsozialismus im Ortsteil Weyer existierenden "Arbeitserziehungs- und Zigeuneranhaltelagers" eine Straße nach dem im Lager geborenen und gestorbenen Säugling Rudolf Haas zu benennen, seien eine Bestätigung für ihn, dass es wichtig sei, immer wieder an diese Zeit zu erinnern.

Der Sozialwissenschafter und verantwortliche Herausgeber der Schriftenreihe "Edition Mauthausen", Andreas Baumgartner, betonte vor allem die europäische und internationale Dimension des KZ Mauthausen, wo zehntausende Widerstandskämpfer aus ganz Europa, rassisch Verfolgte und Menschen, die aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden, eingesperrt, misshandelt und meist getötet wurden. Die "Edition Mauthausen", die seit dem Jahr 2006 erscheint, ist darauf angelegt, einen breiteren Leserkreis anzusprechen und die Bücher werden auch in der Jugendarbeit eingesetzt, da es ganz wichtig sei, den Bezug zur Gegenwart herzustellen.

Die vorgestellten Werke:

Die Schauspielerin Mercedes Echerer las zunächst Passagen aus der im Jahr 1974 erstmals publizierten umfassenden Dokumentation "Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen" von Hans Marsalek. Heute, über 30 Jahre später ist dieses Werk, das von Bundespräsident Heinz Fischer in seinem Vorwort als "Pflichtlektüre, nicht nur für historisch interessierte Zeitzeugen" bezeichnet wird und nun in vierter Auflage vorliegt, zum unbestrittenen Standardwerk der Mauthausenforschung geworden. Das KZ Mauthausen war eines der gefürchtesten Konzentrationslager im Dritten Reich. Ungefähr 200.000 Menschen aus allen Staaten Europas wurden nach Mauthausen oder in eines seiner 49 Nebenlager deportiert – rund 100.000 erlebten die Befreiung am 5. Mai 1945 nicht. Sie wurden im Steinbruch ermordet, in der Gaskammer vergiftet oder fielen den katastrophalen Bedingungen des Lagers zum Opfer.

Der 188 Seiten starke Band mit dem Titel "Zwischen Mutterkreuz und Gaskammer", enthält eine Zusammenfassung von Beiträgen eines internationalen Symposiums, das sich dem Thema "Frauen im KZ-Mauthausen" widmete. Lange Zeit waren die weiblichen Häftlinge des KZ-Mauthausen, war der weibliche Widerstand gegen die Nationalsozialisten aber auch die Frauen in den Reihen der TäterInnen ein (vermeintliches) Rand- oder Nischenthema der einschlägigen Forschung, heißt es im Vorwort. In insgesamt 15 Beiträgen wird ein thematischer Bogen gespannt, der von der Rolle der Frau im NS-System, dem weiblichen Beitrag zum Widerstand und die bemerkenswerte Zivilcourage mancher Frauen bis hin zum beeindruckenden Zeugnis einer KZ-Überlebenden, Marie-Jo Chombart de Lauwe, reicht. Ein nach wie vor marginalisierter Aspekt, der jedoch sehr viele weibliche Häftlinge der KZ betraf, ist die sexualisierte Gewalt, die in ihrer extremsten Ausformung bis zur Sexzwangsarbeit in den Lagerbordellen reichte. Die Wahrnehmungen der großen "schweigenden Masse" rund um die KZ sowie der Blickpunkt auf die Täterschaft der Aufseherinnen in den Lagern oder der ideologisch motivierten Schreibtischtäterinnen runden das Bild endgültig ab und ermöglichen eine facettenreiche Gesamtsicht.

Wie jede Diktatur der Welt versuchte auch der Nationalsozialismus, die Kunst und die Wissenschaft zu kontrollieren, zu zensurieren und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Den repressiven Mechanismen der Unterdrückung der Freiheit fügten die Nazis jedoch noch ein rassistisch motiviertes Element hinzu: So wurden ganze Kunstrichtungen als "entartet" und "jüdisch" abqualifiziert und verboten, so galten ganze Wissenschaftsdisziplinen als "jüdische Afterwisschenschaft" und nicht umsonst brannten die Bücher von verfemten Schriftstellern bereits in den Anfangsjahren der Nazi-Herrschaft. In dem Buch "Der Geist ist frei" sind Biografien von 32 Menschen versammelt, die entweder als KünstlerInnen oder WissenschafterInnen nach Mauthausen deportiert wurden oder nach ihrer Befreiung eine Laufbahn in diese Richtungen einschlugen. Sie stehen exemplarisch für jenes enorme geistige und menschliche Potenzial, das durch die Nazis vernichtet wurde. Und sie sollen erinnern an die unzähligen, kreativen und hoffnungsvollen Menschen, die die Verfolgung nicht überlebt haben.

Das Mauthausenhausen Komitee Österreich

Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) wurde 1997 vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und von der Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche mit den Israelitischen Kultusgemeinden Österreich als Partner in Form eines Vereins als Nachfolgeorganisation der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen gegründet. Die Schriftenreihe des Mauthausen Komitee Österreich besteht seit dem Jahr 2006, wobei mit der Publikation der Broschüre "Meine Tage waren leer. Biografien und Zeitzeuginnenberichte weiblicher Häftlinge des KZ Mauthausen" der Grundstein gelegt wurde; mittlerweile kann die Edition, bei der jährlich bis zu vier Bücher erscheinen, auf eine beeindruckende Reihe von Publikationen zurückblicken (www.mkoe.at). (Schluss)