Parlamentskorrespondenz Nr. 352 vom 22.04.2008

Produktpiraterie: Finanzausschuss sieht Handlungsbedarf auf EU-Ebene

Abgeordneter Maier (S) warnt vor Ausufern der Medikamentenplagiate

Wien (PK) - Das auch in Österreich immer weiter um sich greifende Phänomen der Produktpiraterie beschäftigte heute den Finanzausschuss. Ein Bericht des Finanzministers belegt für das Jahr 2007 einen starken Anstieg der Anzahl der vom Zoll beschlagnahmten Fälschungen und schlägt vor allem Alarm wegen der drastischen Zunahme der Medikamentenplagiate. Die Abgeordneten waren einer Meinung in der Einschätzung der Brisanz des Problems und sahen den Bericht als weiteren Handlungsauftrag an die Behörden, wobei Abgeordneter Johann Maier (S) vor allem auch die europäische Ebene angesprochen sah. Staatssekretär Christoph Matznetter kündigte eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Zollverwaltungen unter besonderer Einbeziehung der Herkunftsländer der gefälschten Produkte an.

In der Debatte zeigte Abgeordneter Johann Maier (S) die Dimension der Produktpiraterie am Beispiel der Arzneimittelfälschungen auf. Er zitierte einen diesbezüglichen Artikel der "New York Times", aus dem hervorgeht, dass mittlerweile weltweit 8 bis 10 % aller Medikamente gefälscht sind und in manchen Ländern Afrikas, etwa Nigeria, die Arzneiplagiate bereits einen Marktanteil von 60 % aufweisen. Die Rendite von 1 000 eingesetzten Dollars sei bei gefälschten Arzneimitteln höher als im Drogenhandel. Das Problem sei national nicht effektiv zu bekämpfen, schloss Maier. Er rief zu grenzüberschreitenden Anstrengungen auf, sah aber noch Defizite bei der Rechtsdurchsetzung in der EU. So gebe es nach wie vor keine ausreichenden Kontrollen an den EU-Außengrenzen, insbesondere in den Containerhäfen. Importeure würden ein regelrechtes "Hafen-Hopping" betreiben und sich jenen Hafen aussuchen, in dem die Kontrollen am wenigsten rigoros sind, gab Maier zu bedenken. Er sprach in diesem Zusammenhang von organisierter Kriminalität, die nur auf EU-Ebene durch entsprechende Rechtsvorschriften und Zusammenarbeit bekämpft werden könne. Irritiert zeigte sich Maier über den Umstand, dass es derzeit zum Teil an Strafdrohungen fehle. So sei in Österreich das Fälschen von Arzneimitteln nicht einmal gerichtlich strafbar. Maier verlangte mit Nachdruck eine EU-weite Harmonisierung der Strafbestimmungen, appellierte aber auch an die Konsumenten, nicht über das Internet oder im Urlaub gefälschte Waren zu kaufen.

Die Abgeordneten Wolfgang Zanger (F) und Josef Bucher (B) erinnerten an den Umstand, dass Indien nunmehr das Hauptherkunftsland der gefälschten Medikamente ist, und forderten eine entsprechende operationelle Zusammenarbeit der jeweiligen Zollbehörden. Für weitere Anstrengungen des Zolls trat auch Abgeordneter Bruno Rossmann (G) ein, der im Übrigen auch die entwicklungspolitische Seite des Problems beleuchtete.

Staatssekretär Christoph Matznetter schickte voraus, der österreichische Zoll sei bloß bei Einfuhr und Ausfuhr gefälschter Produkte zuständig. Was die Arzneimittel betrifft, sah er auch Handlungsbedarf bei der Gesundheitsministerin. Matznetter meinte, es sei grundsätzlich zu überlegen, ob es ausreiche, das Phänomen der Medikamentenfälschungen allein auf dem Wege der Verwaltungsstrafen zu bekämpfen.

Die Bandbreite des Problems reiche jedenfalls, wie Matznetter unterstrich, von bloßen Patentverletzungen bis hin zu groben Gesundheitsgefährdungen. Dazu komme auch noch, dass mit dem Internetversand die üblicherweise bei Medikamenten bestehende Sicherheitskette Arzt-Apotheker unterlaufen werde. Matznetter trat deshalb für eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren von im Internet angekauften Arzneimitteln ein und sprach sich darüber hinaus für eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Zollverwaltungen mit den Herkunftsländern der gefälschten Produkte aus.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung)