Parlamentskorrespondenz Nr. 553 vom 07.06.2008

Wissenschaft, Verkehr, Immunität

Sitzung des Nationalrats nach 15stündiger Debatte beendet

Wien (PK) – Die Errichtung der OeAD-Ges. mbH, die Änderung des Luftfahrtgesetzes, ein Rechnungshofbericht und ein Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft gegen Peter Pilz waren die Themen der Nationalratssitzung, ehe Zweiter Präsident Dr. Spindelegger die Sitzung nach mehr als 15stündiger Debatte kurz nach Mitternacht schloss.

Abgeordneter Mag. EISENSCHENK (V) unterstrich die Priorität der Stellung Österreichs in der globalen Wissensgesellschaft als Voraussetzung für die Erhaltung der Qualität des Wirtschaftsstandortes. Österreich liege bei der Mobilitätsquote seiner Studierenden und Forscher am zweiten Platz in der EU. Durch das vorliegende Gesetz werde das Service der ÖAD ausgebaut und die Möglichkeiten erweitert, international zu studieren.  

Abgeordnete Mag. KNOLL (S) bekannte sich zur Idee, Bildung grenzenlos zu organisieren, damit den Respekt vor anderen Kulturen zu fördern und zugleich den Forschungsstandort Österreich attraktiver zu machen. Der Ausbau des ÖAD-Service zur Förderung der Bildungsmobilität werde es erleichtern, Lernprozesse international zu organisieren und den Wissensaustausch in der Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Das diene der Weltoffenheit und der Friedenssicherung. 

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) lobte die Arbeit des ÖAD und bekannte sich zur Bündelung der Kräfte bei der Förderung von Internationalisierungsanstrengungen in der Forschung. Kritik übte der Abgeordnete an der imperialen Organisation der Universitäten, in denen junge Forscher nur wenig Chancen auf einen fairen Wettbewerb der besten Köpfe ungeachtet ihrer Position in der jeweiligen Hierarchie haben.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) legte zunächst einen Fünf-Parteien-Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf mit sprachlichen Verbesserungen vor und erinnerte daran, dass er sich für die Vertretung des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie im Kuratorium der ÖAD verankert werde, um es dort seine Kompetenz einbringen könne. In einem Entschließungsantrag drängte der Abgeordnete darauf, endlich den Kollektivvertrag für Arbeitnehmer an den Universitäten in Kraft zu setzen. Es sei notwendig, die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die ÖAD ihre Beratungsaufgaben tatsächlich erfüllen könne.

Abgeordnete FÜRNTRAHT-MORETTI (V) sprach sich für den Ausbau und die Verbesserung der internationalen Kooperation in der Wissenschaft aus, wofür das vorliegende Gesetz die Voraussetzungen schaffe. Es sei im Interesse die Weiterentwicklung des Forschungsstandortes Österreich daher zu unterstützen, schloss die Rednerin.

Abgeordnete Dr. BRINEK (V) bekannte sich zur Steigerung der Flexibilität und Internationalität an den Universitäten sowie zur Qualitätsorientierung, zum Wettbewerb und zu einer entsprechenden universitätsgesetzlichen Absicherung dieser Zielsetzungen. Brinek zeigte sich überzeugt, dass es gelingen werde, zeitgerecht ein gutes neues Universitätsgesetz zu verabschieden.  

Abgeordneter BROUKAL (S) warf seiner Vorrednerin vor, Wissenschaftlerinnen an den Universitäten die Qualifikation abzusprechen, jungen Menschen Wissenschaft und Forschung  beizubringen und selbständig in Forschung und Lehre tätig zu sein. Der ÖVP warf der Redner vor, ein Regierungsübereinkommen zu missachten, in dem vereinbart wurde, alle Wissenschaftlerinnen an einer Universität in eine gemeinsame Kurie zur inneren Selbstverwaltung der Universität zusammenzufassen. "Entweder es kommt zu dieser Weiterentwicklung der Mitbestimmung oder es gibt kein neues Universitätsgesetz", schloss Broukal.

In einer tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordnete Dr. BRINEK (V) den Vorwurf zurück, sie habe allen Lehrenden an den Universitäten die Qualifikation abgesprochen.

Wissenschaftsminister Dr. HAHN bedankte sich für die einhellige Zustimmung zur Umstrukturierung der ÖAD in eine GmbH und unterstrich die Notwendigkeit, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten zu stärken. Die Universitäten sollen eine weitere Exzellenzeinrichtung Österreichs werden. Dazu gehöre es, nicht in Träume zurückzufallen, die dreißig Jahre alt sind, sich aber nicht bewährt haben.  

In einer weiteren Wortmeldung teilte Abgeordneter BROUKAL (S) mit, der Minister habe ihm mitgeteilt, es seien keine weiteren Verhandlungen über das neue Universitätsgesetz vorgesehen.

Der Gesetzentwurf wurde in der Fassung des eingebrachten Fünf-Parteien-Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Der Entschließungsantrag der Freiheitlichen betreffend Kollektivvertrag für ArbeitnehmerInnen an Universitäten blieb in der Minderheit und wurde abgelehnt.

Änderung des Luftfahrtgesetzes, zwischenstaatlicher Luftverkehr

Abgeordnete Dr. MOSER kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zum Luftfahrtverkehrsabkommen an, die Änderung des Luftfahrtgesetzes müsse sie aber ablehnen, weil es das Anlagenrecht in der Luftfahrt nicht an den Stand der Technik heranführe und EU-Umweltschutzbestimmungen für Flughäfen ignoriere. Außerdem würden Rechte der Anrainer von Flugplätzen verletzt.    

Abgeordneter HURSKY (S) widersprach seiner Vorrednerin und meinte, dass Mediationsverfahren beim Flughafen Wien habe dazu geführt, dass die Belastung der Bevölkerung durch Fluglärm reduziert werden konnte. Das neue Luftfahrtgesetz biete die Grundlage für einen modernen Flugverkehr. Der Flughafen Schwechat und die AUA brauchten das, sagte der Abgeordnete und warnte davor, die AUA leichtfertig aus der Hand zu geben. Am Standort Schwechat gehe es um 55.000 Arbeitplätze, die es zu erhalten gelte.

Allein in den letzten sechs Monaten sind 24 Fluglinien in den Konkurs gegangen, zeigte Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) auf. Die neuen Rahmenbedingungen für den Luftverkehr, die heute beschlossen werden sollen, seien notwendig und sinnvoll, um die heimischen und europäischen Fluglinien im internationalen Wettbewerb entsprechend zu unterstützen. Kukacka war überzeugt davon, dass die AUA stark genug sei, um mit jedem möglichen Partner auf Augenhöhe verhandeln zu können; es müsse ihr aber der Rücken gestärkt werden.

Abgeordneter Ing. HOFER (F) brachte drei Abänderungsanträge seiner Fraktion zum Luftfahrtgesetz ein.

Abgeordnete FLECKL (S) begrüßte das Luftfahrtgesetz und die damit verbundene Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht. SPÖ-Abgeordneter HABERZETTL erläuterte sodann die Eckpunkte des Gesetzes, das unter anderem die Zuweisung eingeschränkter Flugrechte neu regelt. Sein Fraktionskollege Abgeordneter HEINZL (S) hob die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraumes positiv hervor. Neben der Erleichterung für den Flugverkehr werde ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet, war Heinzl überzeugt.

Staatsekretärin KRANZL (S) gab gegenüber der Abgeordneten Moser zu bedenken, dass sehr wohl Umweltaspekte im Gesetz berücksichtigt wurden. Was die AUA betrifft, so gehe sie davon aus, dass alle politisch Verantwortlichen an einer sehr starken österreichischen Airline interessiert sind. Ihrer Ansicht nach müsse aber zunächst eingehend geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen eine eigenständige Airline bestehen kann.

Bei der Abstimmung wurde die beiden Regierungsvorlagen mehrheitlich angenommen; die F-Abänderungsanträge blieben in der Minderheit

Rechnungshofbericht zur Spanischen Hofreitschule u.a.

Abgeordneter Dr. KRÄUTER (S) war der Meinung, dass man zunächst den Präsidenten des Rechnungshofes bezüglich der Behandlung der Rohberichte befragen soll.

Abgeordneter GAHR (V) befasste sich mit dem Bericht über die Spanische Hofreitschule, der in durchaus kritischer Weise die Entwicklung dieser Einrichtung seit der Ausgliederung im Jahre 2001 aufzeigt. Er denke, dass die Hofreitschule unter dem neuen Führungsduo auf einen Zukunftskurs gebracht werden kann, wobei es vor allem um Kosteneinsparungen, Umsatzerhöhungen und gezielte Investitionen gehe. Positiv sei, dass von 23 Kritikpunkten zwei Drittel bereits abgearbeitet wurden.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) kam auf die im Rechnungshofbericht zur Spanischen Hofreitschule enthaltenen 23 Empfehlungen zu sprechen. Diese deuten doch darauf hin, dass einiges im Argen sei, urteilte er. So heiße es etwa, dass Prämien an die Geschäftsführung nur dann ausbezahlt werden sollten, wenn die Bedingungen dafür auch erfüllt wurden oder dass Tourneeverträge vor der Tournee abgeschlossen werden sollten. Angesichts dieser Vorgänge frage er sich wirklich, was eigentlich der Aufsichtsrat, der mit Ministeriumsvertretern besetzt ist, macht. Seine Fraktionskollegin Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) schloss sich diesen Ausführungen an und war der Ansicht, dass noch längst nicht alles aufgedeckt sei. So fragte sie, ob bei der Spanischen Hofreitschule alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden, und zwar im konkreten das Tierschutzgesetz, das die reine Boxenhaltung verbietet, sowie das Gleichbehandlungsgesetz.

Die Zukunft des Verkehrs liege zweifellos bei der Schiene, erklärte Abgeordneter Ing. KAIPEL (S). Es bleibe zu hoffen, dass auch der Bereich der Nebenbahnen, die für den ländlichen Raum sehr wichtig sind, nicht vernachlässigt werden. Weiters sprach er die Frage der Sicherheit im Bahnverkehr, die Schnittstellenproblematik Straße-Schiene sowie die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs an.

Abgeordnete SCHÖNPASS (S) bezog sich in ihrer Wortmeldung auf den Rechnungshofbericht betreffend die Sicherheit auf den Nebenbahnen und führte die einzelnen Empfehlungen an, die von Minister Faymann bereits zum Großteil umgesetzt werden konnten. Mit demselben Thema befasste sich auch Abgeordneter KRIST (S), der darauf hinwies, dass es um ungefähr 56 gefährliche Kreuzungen gehe. Es dürfe heutzutage nicht mehr passieren, dass Menschen auf Eisenbahnkreuzungen ihr Leben verlieren, unterstrich er.

Rechnungshofpräsident Dr. MOSER zeigte sich zufrieden darüber, dass hinsichtlich des Berichts über die Sicherheit auf Nebenbahnen von 14 Empfehlungen zehn bereits umgesetzt wurden bzw. sich in Umsetzung befinden. Wichtig wäre es aber, dass die Hauptbahnerklärungs-Verordnung erlassen wird und dass Regionalbahnkonzepte entwickelt werden. Das Beispiel der Spanischen Hofreitschule zeige deutlich, wie wichtig es sei, dass der Rechnungshof die Möglichkeit hat, ausgegliederte Unternehmen zu überprüfen. Moser wies dann auf eine Reihe von Kritikpunkten hin, etwa auf die Tatsache, dass Oberbereiter ein durchschnittliches Gehalt in der Höhe von 173.00 Euro aufweisen, wobei zwei Drittel aus Zulagen bestehen. Es sei daher dringend notwendig, die 23 Empfehlungen umzusetzen, um dem Steuerzahler "ein Nachschießen für unwirtschaftliches Handeln zu ersparen".

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Immunität Peter Pilz

Die ÖVP-Fraktion werde im Gegensatz zur Mehrheit des Hauses der Auslieferung des Abgeordneten Pilz aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft Wien zustimmen, weil es offenbar den Verdacht auf Verletzung des Amtsgeheimnisses und der Anstiftung zum Amtsmissbrauch gibt, erklärte Abgeordneter Mag. KUKACKA (V). Er erinnerte daran, dass sogar Pilz selbst im Immunitätsausschuss erklärt habe, er hätte das Verfahren gerne geführt. Peter Pilz sei für ihn so etwas wie ein politischer Wiederholungstäter, da er die rechtliche Grenzüberschreitung und das Ausreizen der Rechtsordnung zum Markenzeichen seiner Selbstdarstellung gemacht hat. Kukacka zeigte kein Verständnis dafür, wenn Pilz im Untersuchungsausschuss immer wieder mit Emails hantiert, die einem früheren Bundesminister gestohlen wurden.

Für den Abgeordneten PENDL (S) stand die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts im Vordergrund. Man wäre daher schlecht beraten, auf Anlassfälle aufzuspringen, weil dadurch von einer guten und seit vielen Jahren bewährten Usance abgegangen würde. Der politische Zusammenhang wurde hergestellt und deshalb sei auch nicht auszuliefern, betonte Pendl.

Man muss den Abgeordneten Pilz nicht lieben, um dennoch klar trennen zu können zwischen einer politischen Debatte und einer rechtlichen Beurteilung, erklärte Abgeordneter ÖLLINGER (G). Außerdem sei die Aussage des Abgeordneten Kukacka nicht richtig, dass es einen Verdacht auf Amtsmissbrauch gibt. Kukacka wolle nur ein Exempel statuieren und damit einen Warnschuss an die Beamtenschaft abgeben, meinte Öllinger, indem nämlich klar gemacht werden soll, sich nicht mit Oppositionsabgeordneten einzulassen.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) bedauerte, dass man Gefahr laufe, dass das Rechtsinstrument der Immunität beliebig wird. In der Vergangenheit habe man aus gutem Grund immer zunächst die Frage gestellt, ob ein politischer Sachverhalt oder ein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit vorliege. Er wolle sicher nicht, dass die Anträge auf Auslieferung an die Staatsanwaltschaft zu Mehrheitsentscheidungen werden. Graf trat dafür ein, die Immunitätsbestimmungen und die Auslieferungspraxis zu überarbeiten, aber nicht beliebig, sondern modern und adäquat.

Abgeordneter DARMANN (B) sprach sich dafür aus, die Immunitätsbestimmungen abzuschaffen. Die parlamentarische Immunität soll es weiter geben, meinte er, die außerparlamentarische Immunität sei aber durch nichts zu begründen. Zum vorliegenden Antrag des Immunitätsausschusses hielt Darmann fest, das BZÖ werde der Auslieferung von Abgeordnetem Pilz weder zustimmen noch sie ablehnen, seine Fraktion werde sich an der Abstimmung nicht beteiligen.

Bei der Abstimmung folgte der Nationalrat mehrheitlich der Empfehlung des Immunitätsausschusses, der behördlichen Verfolgung von Abgeordnetem Peter Pilz (G) nicht zuzustimmen. Der Ausschuss hatte darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung (Beihilfe zur Verletzung des Amtsgeheimnisses, §§ 12 und 310 StGB) und der politischen Tätigkeit von Pilz besteht.

Eine weitere (64.) Sitzung des Nationalrats diente in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen. (Schluss)