Parlamentskorrespondenz Nr. 582 vom 17.06.2008

Thema Terrorismusbekämpfung im Rechnungshofausschuss

Follow-up-Prüfungen bei der Polizei in Wien und Salzburg

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf der Sitzung des Rechnungshofausschusses standen RH-Prüfungen im Bereich des Innenministeriums zur Diskussion. Eingangs würdigte Innenminister Platter mit Unterstützung der Abgeordneten die hervorragende Arbeit der Exekutive bei der EURO 2008. Dann wandten sich die Mitglieder des Ausschusses den Schlussfolgerungen aus einer Gebarungsüberprüfung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Innenressort (III-96 d.B.) zu. Der Rechnungshof empfahl, Personalressourcen zur Terrorismusbekämpfung zu verlagern, um Bedrohungen wirkungsvoller begegnen zu können. Der Rechnungshof schlug auch vor, Konzepte für den interkulturellen Dialog sowie für nationale Strategien zur Extremismusbekämpfung und Spionageabwehr auszuarbeiten sowie für die Ausbildung von Analytikern und für den Schutz wichtiger Infrastruktur. Die innerstaatliche Zusammenarbeit sei beim Kampf gegen den Terrorismus zu intensivieren. Das Gefahrenpotenzial von "Sekten, pseudoreligiösen Phänomenen und destruktiven Kulten" sollte eingeschätzt und Präventionsmaßnahmen gegen Wirtschaftsspionage umgesetzt werden.

Abgeordneter Gerhard Reheis (S) leitete die Debatte mit der Aufforderung an den Ressortleiter ein, im Detail Auskunft über die Behebung der vom Rechnungshof festgestellten Mängel und über die Umsetzung der Empfehlungen zu geben.

Abgeordneter Norbert Sieber (V) wies darauf hin, dass von den 26 Empfehlungen 15 bereits umgesetzt, 9 im Stadium der Realisierung und nur noch 2 offen seien. Das Bundesamt habe klar definierte Aufgaben mit den Schwerpunkten Terrorismusbekämpfung sowie Vorkehrungen gegen Wirtschaftsspionage und gegen den politischen Extremismus.

Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) befasste sich mit dem Informationsaustausch zwischen dem Heeresnachrichtenamt (HNA) und dem BVT und drängte darauf, bei der Bekämpfung des politischen Extremismus gleichermaßen auf die Gefahren von rechts wie von links zu achten.

Abgeordneter Peter Pilz (G) lobte den Bericht des Rechnungshofs und wertete ihn als realistischen Befund zur Tatsache, das Österreich das am schlechtesten auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus vorbereitete Land in der EU sei. Pilz kritisierte die Kompetenzzersplitterung auf zwei Nachrichtendienste, von denen einer jenseits und der andere diesseits der Grenze arbeiteten. Die Zusammenarbeit zwischen dem BVT und dem HNA sei nur informell geregelt und der Informationsaustausch funktioniere nur schlecht, weil zwischen den beiden Einrichtungen mehr Konkurrenz als Kooperation herrsche. Es stelle sich auch die Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Datenfluss zwischen BVT und HNA geregelt sei. Als Kern der Rechnungshofkritik ortete Pilz Mängel in der operativen Analyse. In diesem Zusammenhang sprach der Abgeordnete von einem bestürzendem Prüfergebnis und wollte vom Rechnungshofpräsidenten wissen, in welchem Bereich die bislang einzige operative Analyse vorgenommen wurde.

Innenminister Günter Platter würdigte die Qualität des Rechnungshofberichtes und sprach von einer guten Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes. Nur noch zwei Empfehlungen seien offen, 14 bereits umgesetzt, 10 seien im Stadium der Umsetzung. Entwürfe für nationale Strategien zur Terrorismusbekämpfung seien bereits erstellt worden.

Das 2002 eingerichtete Bundesamt widme sich gemeinsam mit 9 Landesämtern schwerpunktmäßig dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus, in den Bereichen Prävention und Repression und habe dabei beachtliche Erfolge erzielt, etwa bei der Festnahme eines Terrorismusverdächtigen, erinnerte Platter.

Zu den Kritikpunkten des Rechnungshofs betreffend Analyse und innerstaatliche Zusammenarbeit informierte der Minister über die Erstellung eines Ausbildungskonzepts sowie über organisatorische Neuerungen mit dem Schwerpunkt "operative Analyse", wobei auch internationale Erfahrungen berücksichtigt werden. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt und dem Verteidigungsressort wurde verbessert und funktioniere sowohl im Bereich der strategischen als auch der operativen Analyse hervorragend. Diese Zusammenarbeit bedürfe keiner gesonderten rechtlichen Grundlage, er beabsichtige aber den Abschluss eines Verwaltungsübereinkommens, teilte der Innenminister den Abgeordneten mit.

Weiters erfuhren die Ausschussmitglieder von der Definition kritischer Infrastruktur gemeinsam mit der EU, vom Ausbau der internationalen Kooperation bei der Terrorismusbekämpfung, von der genauen Beobachtung im Bereich des Extremismus sowie von der Umschichtung von Personal zum Kampf gegen den Terrorismus. Bei Bargeldleistungen gelte das Vier-Augen-Prinzip, teilte Platter mit und berichtete von der Verringerung der Führungsspanne im BVT durch Übertragung von mehr Eigenverantwortung an die einzelnen Fachbereiche.

Rechnungshofpräsident Josef Moser beurteilte die Umsetzung von 50 % der 26 Empfehlungen positiv, hielt die Verringerung der Führungsspanne aber noch für eine offene Frage. Zu den Schwerpunkten zähle die Verlagerung zusätzlicher Personalressourcen im Fachbereich Terrorismus, die Intensivierung der innerstaatlichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die Erarbeitung eines Ausbildungskonzeptes für Analytiker. Bei der Zusammenarbeit zwischen BVT und HNA spiele auch der Datenschutz eine Rolle, hielt der Rechnungshofpräsident fest. Es fehle ein Verwaltungsübereinkommen für den Informationsaustausch.

Abgeordneter Peter Pilz (G) hielt diese Feststellung des Rechnungshofpräsident für schwerwiegend. Angesichts des Fehlens eines einheitlichen operationalen Lagebildes stelle sich die Frage, auf welcher sachlichen Basis der Innenminister in der Öffentlichkeit Aussagen über einen "Al-Kaida-Cluster" in Österreich getroffen habe. Denn der Rechnungshofpräsident habe mitgeteilt, dass das einzige operative Analyseergebnis nicht aus dem Bereich Terrorismusbekämpfung, sondern aus dem Bereich Extremismus stamme.

Weiter Detailfragen des Abgeordneten Pilz betrafen Probleme bei der rechtskonformen Anschaffung von elektronischen Analyseeinrichtungen und bei der Informationsschnittstelle BVT-HNA.

Diesbezügliche Fragen beantwortete Rechnungshofpräsident Moser, indem er wiederholt erklärte, dass es für den Informationsaustausch zwischen BVT und HNA keine rechtliche Grundlage gebe, beim Austausch von Analysedaten im strategischen Bereich aber keine personenbezogenen Daten ausgetauscht werden. Er, Moser, schlug vor, durch ein Ressortübereinkommen den Weg von der informellen zur formalisierten Zusammenarbeit zu gehen. Durch die Rückabwicklung eines elektronischen Informationssystemprojekts sei kein Schaden entstanden.

Innenminister Günter Platter erläuterte den bisherigen Informationsaustausch zwischen BVT und HNA auf der Grundlage der Amtshilfe, wobei der Rechtsschutzbeauftragte eingebunden sei und bekräftigte seine Absicht, ein Ressortübereinkommen abzuschließen.

Dem Vorschlag des Abgeordneten Haimbuchner (F), das Bundesamt und die 9 Landesämter zusammenzuführen konnte Minister Platter nichts abgewinnen. Er sei gegen eine Aufblähung des BVT und halte es für Zweckmäßig in den Bundesländern Landesämter arbeiten zu lassen.

Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) bestritt demgegenüber, dass ein Informationsaustausch zwischen BVT und HNA auf der Grundlage bloßer Amtshilfe funktioniere und blieb bei seiner Forderung nach Eingliederung der Landesämter in das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.

Auch Rechnungshofpräsident Josef Moser hielt es für überlegenswert, den Staatsschutz zu zentralisieren. Strategische Lagebilder beinhalten keine personenbezogenen Daten.

  

Abgeordneter Peter Pilz (G) hielt fest, dass es keine rechtliche Grundlage für den Austausch personenbezogener Daten zwischen HNA und BVT gebe, es gebe keine gemeinsamen Lageberichte und Österreich habe keinen funktionierenden Verfassungsschutz im Bereich des Terrorismus. Der Minister lasse die Beamten seines Ressorts im Stich, formulierte der Abgeordnete pointiert. Schließlich hielt es Pilz für sinnvoll, die beiden Dienste BVT und HNA nach deutschem Vorbild in einen einzigen Dienst zusammenzuführen.

Demgegenüber wies Innenminister Platter die Ausführungen des Abgeordneten Pilz zurück und hielt fest, der Verfassungsschutz funktioniere hervorragend.

Abgeordneter Hermann Gahr (V) warf Abgeordnetem Pilz vor, den Rechnungshofausschuss in einen Unterausschuss des Innenministerium umwandeln zu wollen.

Follow-up-Prüfungen der Bundespolizeidirektionen Salzburg und Wien

Weiters debattierte der Ausschuss die Berichte des Rechnungshofes über die Follow-up-Überprüfungen der Bundespolizeidirektionen Salzburg und Wien, die ein durchaus unterschiedliches Bild ergaben.

Der BPD Salzburg attestierte der Rechnungshof, seine Empfehlungen weitgehend umgesetzt zu haben, ortete allerdings noch Verbesserungsbedarf bei der Ermittlung der Vollzugskosten der Schubhäftlinge, der Beschaffung von Dienstwagen und bei der Ausstattung mit Unfalldatenspeichern. In Wien hingegen seien die Empfehlungen zum weitaus überwiegenden Teil nicht umgesetzt worden, heißt es im Bericht kritisch. Der Rechnungshof bemängelte vor allem, dass die Möglichkeiten zur Erhöhung der Außendienstpräsenz nicht genutzt wurden und das Einsparungspotenzial von rund 35 Mill. € nicht realisiert werden konnte.

Als großen Erfolg für Salzburg wertete Abgeordnete Andrea Eder-Gitschthaler (V) die Ausführungen des Berichts zur BPD Salzburg. Die Zusammenführung der Wachkörper bringe nun mehr Exekutivbeamte für den Außendienst und wirke sich so positiv auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus, war sie überzeugt.

Abgeordneter Stefan Prähauser (S) zeigte sich überwiegend zufrieden mit dem Bericht betreffend Salzburg, schlug aber ebenso wie Abgeordneter Alois Gradauer (F) aus Gründen der Verkehrssicherheit eine Wiedereinführung des Unfalldatenspeichers ein.

Wien könnte sich an Salzburg ein Beispiel nehmen, lautete das Fazit des Abgeordneten Manfred Hainbuchner (F), der vor allem kritisierte, dass die BPD Wien den Empfehlungen des Rechnungshofes in Richtung Außendienstpräsenz nicht nachgegangen ist. Der Kritik an Wien schloss sich auch Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) an. Sie forderte ebenfalls mehr Exekutive auf der Straße und meinte überdies, Schulwege sollten nicht durch wertvolle und teure Exekutivbeamte, sondern durch eine eigene Stadtwache gesichert werden.

Abgeordnete Ruth Becher (S) gab wiederum zu bedenken, die vom Rechnungshof empfohlene Rückkehr in den Außendienst sei in vielen Fällen aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht möglich.

Innenminister Günther Platter stellte zur BPD Salzburg fest, der Rückgang bei der Zahl der angezeigten Straftaten um 17 % zeige, dass die Maßnahmen greifen. Das Abstellen des Unfalldatenspeichers erklärte er mit dem hohen Verwaltungsaufwand. Es gehe darum, die Exekutive von der Bürokratie zu entlasten, um wieder mehr Beamte auf die Straße zu bekommen, betonte er. Die Frage der Wiedereinführung des Datenspeichers werde geprüft, er sei aber diesbezüglich nicht besonders optimistisch, sagte Platter.

Was die BPD Wien betrifft, teilte er mit, entsprechende Reformvorschläge seien bereits ausgearbeitet, jetzt warte man nur noch auf die Zustimmung des Bundeskanzleramtes, um dann in der zweiten Jahreshälfte 2008 mit der Umsetzung zu beginnen.

Rechnungshofpräsident Josef Moser deponierte abermals die Empfehlung, exekutivdiensttaugliche Beamte in den Außendienst rückzuführen. Es sei sinnvoll und kostengünstig, Exekutivbeamte nicht mit Verwaltungsaufgaben zu betrauen, sondern sie dort einzusetzen, wo man sie am meisten brauche, nämlich im Außendienst auf der Straße, unterstrich Moser mit Nachdruck.

Der Bericht wurde bei der Abstimmung einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Behandlung der Berichte über die Immobiliengebarung der ÖBB und die Umsetzung des Bundesbahnstrukturgesetzes wurden einstimmig auf 3. Juli vertagt. (Schluss)