Parlamentskorrespondenz Nr. 596 vom 19.06.2008

Unterrichtsausschuss: Bildungsstandards werden gesetzlich fixiert

Schmied will Qualitätssicherung und Feedback-Kultur entwickeln

Wien (PK) – Bildungsstandards werden im österreichischen Schulsystem rechtlich verankert. Die Mitglieder des Unterrichtsausschusses gaben heute teils einstimmig, teils mit S-V-F-Mehrheit der entsprechenden Novelle zum Schulunterrichtsgesetz unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags ihre Zustimmung (606 d.B.). Ein Abänderungsantrag der Grünen, der eine andere Zielrichtung der Bildungsstandards vorsieht, wurde zwar vom BZÖ unterstützt, blieb damit aber in der Minderheit.

Der Entschließungsantrag der Grünen, in dem sich diese gegen die  Einführung von Bildungsstandards für Dreijährige aussprechen, wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt und erhielt damit nicht die erforderliche Zustimmung (370/A[E]).

Bildungsstandards stellen ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung dar, heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage. Sie sollen regelmäßig umfassende und objektiv festgestellte Ergebnisse zu den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler liefern, um entsprechende Steuerungen und Planungen im Bildungsbereich vornehmen zu können. Sie dienen auch dazu, die Bildungsziele für Lernende und Lehrende gleichermaßen transparent zu machen und die Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen zu erleichtern.

Grüne und BZÖ: Überprüfung setzt zum falschen Zeitpunkt an

Abgeordneter Dieter Brosz (G) übte an der Zielrichtung der Bildungsstandards Kritik. Sie sollten generell ein Instrument darstellen, um die Schulqualität zu heben und die Lernerfolge der SchülerInnen zu verbessern. Sie dürften dem Ziel des individualisierten Unterrichts nicht im Wege stehen, forderte er. Er gab daher dem skandinavischen Modell den Vorzug und brachte dazu auch einen Abänderungsantrag ein. Darin wird festgehalten, dass es sich bei Bildungsstandards um Mindestanforderungen handeln sollte. Sie dürften keinesfalls so umfangreich sein, dass für die Erfüllung derselben fast die gesamte Unterrichtszeit aufgewendet werden muss. Darüber hinaus sollte nach Auffassung der Grünen die Überprüfung zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem im Falle des Nichterreichens der Ziele noch gegengesteuert werden kann. Eine Überprüfung an den Schnittstellen des österreichischen Bildungssystems, also am Ende der 4. bzw. 8. Schulstufe, sei nicht sinnvoll. Die Grünen schlagen daher vor, die Stichproben am Beginn der 3. und 7. Schulstufe anzusetzen.

Dem stimmte auch Abgeordneter Gernot Darmann (B) zu. Man brauche eine Erhebung zu einem früheren Zeitpunkt, um zeitgerecht entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Darmann forderte auch eine flächendeckende Erhebung.

Schmied: Entwicklung einer Feedback-Kultur ohne Schuldzuweisungen

Dem hielt Bundesministerin Schmied entgegen, dass es ihr um eine Rückmeldung an das System gehe, um einen Qualitätscheck des Schulstandorts. Nicht die Schule werde im Mittelpunkt stehen, sondern die Rückmeldung an das System, an die LehrerInnen in Bezug auf Ressourcen, Methoden, etc. Ihr Ziel sei es, die Qualitätsstandards von der Leistungsfeststellung der SchülerInnen zu entkoppeln.

Die Qualitätsstandards seien ein Meilenstein, der zwei Problemfeldern in der Schule entgegenwirken soll. Denn einerseits hänge der erfolgreiche Abschluss eines Bildungsweges oft von den Finanzen der Eltern ab, andererseits gebe es große Ergebnisunterschiede unter den einzelnen Schulstandorten. Bildungsstandards stellten nun eine zentrale Maßnahme in Richtung Kompetenzorientierung und Qualitätssicherung dar und sollten ein wesentliches Element der Schulentwicklung bilden. Es gehe um die Standortentwicklung inklusive der Weiterbildung der LehrerInnen und der Entwicklung neuer Methoden, stellte die Ministerin fest. Schmied bekräftigte mehrmals, die Bildungsstandards seien klar vom Beurteilungssystem zu trennen.

Grundsätzlich stellte die Ministerin fest, dass es sich bei den Bildungsstandards um ein sensibles Thema handle, das zirka 120.000 LehrerInnen betreffe. Sie habe daher frühzeitig über ihre Pläne informiert und damit versucht, die bildungspolitische Diskussion in der Öffentlichkeit zu versachlichen. Ihre Vorgängerin, Ministerin Gehrer, habe die Bildungsstandards initiiert und das Projekt sei eines der bestvorbereiteten im Bildungsbereich. Bildungsstandards sollen laut Schmied zu einem Paradigmenwechsel in der Haltung beitragen. Sie wolle eine wertschätzende Feedback-Kultur ohne Schuldzuweisung erzeugen, deren Aufbau durch Organisationsentwicklungsprojekte begleitet werden soll. Die Standards seien als Regelstandards konzipiert, und man beabsichtige, die Stichproben so durchzuführen, dass jede Schule einmal im Dreijahresrhythmus vorkommt.

Dieser Argumentation konnten sich die Abgeordneten Barbara Zwerschitz und Dieter Brosz (beide G) nicht anschließen. Es sei eine Chimäre, sagte Brosz, zu glauben, dass Schüler nicht überprüft werden. Das skandinavische Modell werde von ihm deshalb favorisiert, weil es flächendeckend ist und Fördermaßnahmen direkt an den Rückmeldungen ansetzen.

Dem hielt Abgeordnete Gertrude Brinek (V) entgegen, es gebe keine "richtige" Variante der Standards. Wichtig sei nun, einen österreichischen Weg zu entwickeln und diesen dann auch entsprechend zu evaluieren. Die Aufgabe des BIFIE werde es sein, die Aussagekraft der Stichproben sicher zu stellen. Man solle daher nun auf der gut vorbereiteten Basis starten und das Ganze als "Work in Progress" betrachten, meinte sie.

Auch Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) vertrat die Auffassung, dass man die umfangreichen Vorarbeiten, die auch in Kooperation mit Deutschland und der Schweiz stattgefunden haben, nicht über Bord werfen sollte, und räumte ein, dass jedes Modell seine Berechtigung habe. Es gehe darum, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen und aufgrund eines internen Feedbacks rechtzeitig Korrekturen anzubringen. Bildungsstandards seien aber keineswegs dazu da, LehrerInnen zu beurteilen.

Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Robert Rada (S). Das österreichische Schulwesen zeichne sich positiv durch Rahmenlehrpläne aus. Es habe sich aber die Notwendigkeit ergeben, in diesem Rahmen Leitlinien näher zu definieren. Das mache eine Evaluierung und bessere Vergleichbarkeit möglich. Rada räumte jedoch ein, dass durchaus eine Gefahr der Gängelung der LehrerInnen besteht, was im Widerspruch zur gewollten Individualisierung des Unterrichts stehe. Würde man sich dem von den Grünen propagierten Modell anschließen und ständig überprüfen, ginge viel pädagogische Freiheit verloren, warnte Rada.

Seitens der FPÖ kam ebenfalls Zustimmung zu den Bildungsstandards. Diese seien ein erster und mutiger Schritt, stellte Abgeordneter Martin Graf fest, man werde sich aber die Umsetzung genau anschauen müssen. Er bedauerte, dass der Inhalt der dafür notwendigen Verordnung noch nicht bekannt ist, meinte aber, es sei wichtig, das Ganze nun in Gang zu setzen und eine Kultur zu entwickeln, die es in Österreich derzeit nicht gebe. (Fortsetzung) 


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