Parlamentskorrespondenz Nr. 657 vom 08.07.2008

Ökostromgesetz-Novelle passiert Nationalrat im zweiten Anlauf

Heftige Kritik der Grünen

Wien (PK) – Im zweiten Anlauf – die Vorlage war zuletzt vom Plenum des Nationalrat an den Ausschuss zurückverwiesen worden – passierte heute die 2. Ölostromgesetz-Novelle den Nationalrat.

Abgeordnete Dr. LICHTENECKER (G) bezeichnete die vorliegende Novelle zum Ökostromgesetz als "schlecht und miserabel". Auch die Abänderungsanträge hätten keine substantielle Verbesserung gebracht. Darüber hinaus sei die Vorlage aus ihrer Sicht schlampig. Für den Klimaschutz werde es kaum etwas bringen. Die Regierung arbeite mit Taschenspielertricks, sagte Lichtenecker, und der geplante Ausbau der Biomasse, der Fotovoltaik und der Kleinwasserkraft sei viel zu gering. Das gleiche gelte für die zusätzlichen Fördermittel. Im Gegensatz zur Landeshauptleutekonferenz habe die Regierung die Chance, in Bezug auf die Stabilisierung der Energiepreise nicht erkannt und nicht genutzt. Das wirke sich negativ auf die Wirtschaft und die Haushalte und vor allem auf den Mittelstand aus. Die Klimaschutzziele könnten damit nicht erreicht werden, stellte Lichtenecker fest, die in der vorliegenden Novelle einen "Scherbenhaufen" in der Energiepolitik sah.

Abgeordneter KOPF (V) zeigte sich "verblüfft", mit welcher Vehemenz die Grünen das Ökostromgesetz kritisieren, ohne dafür ausreichend Argumente zu haben. Kopf erinnerte daher an die Ausweitung des Fördervolumens, das nach einer Evaluierung flexibel erhöht werden könne. Mit dem Gesetz rette man auch die Biogasanlagen und schaffe ein Anreizsystem, sowohl für neue Anlagen, als auch für die Einsparung von Biogas. Darüber hinaus gebe es zahlreiche zusätzliche Aspekte, die die Kritik nach Auffassung Kopfs nicht rechtfertigen. Kopf ortete auch einen Widerspruch in der Argumentation der Grünen, die einerseits die Förderungen noch stärker ausbauen wollen, andererseits aber die Belastungen für den Mittelstand beklagen.

Abgeordneter THEMESSEL(F) nannte das Ökostromgesetz ein Stückwerk, das sogar vom ehemaligen EU-Kommissar Franz Fischler kritisiert worden sei. Es sei nicht sinnvoll, hoch profitable Anlagen zu fördern, bemerkte er, vielmehr sollte man nach dem Vorbild Deutschlands sinnvolle Energieformen unterstützen. Das tue das vorliegende Gesetz jedoch nicht.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) hielt eine Energiewende in Richtung auf einen zukunftsträchtigen Energiemix mit einem massiven Ausbau erneuerbarer Energieträger und die Entkoppelung von Lebensstandard und Energieverbrauch für unerlässlich, wenn man den erreichten Lebensstandard erhalten möchte. Gravierende Veränderungen seien dafür notwendig. Bauer bekannte sich aber auch zur Deckelung der Ökostromzuschläge im Interesse energieintensiver Industrien. Zu den Hauptthemen der Zukunft werde das Energiesparen und die Erhöhung der Energieeffizienz zählen, sagte Abgeordneter Bauer, der einen Abänderungsantrag mit Detailbestimmungen für die Befreiung sozial schwacher Stromkonsumenten von der Zählpunktepauschale vorlegte. In einem V-S-Entschließungsantrag trat Bauer für die Förderung von Photovoltaikanlagen aus Mitteln des Klimafonds ein.

Abgeordneter SCHALLE (B) kritisierte, das Ökostromgesetz bringe auch in der neuerlich abgeänderten Form Belastungen statt Entlastungen für die Bevölkerung. Erneuerbare Energieträger würden ignoriert, klagte der Abgeordnete, obwohl Solarenergie, Photovoltaik und Windenergie kostenlos zur Verfügung stünden und völlig unabhängig von Spekulationen auf den Rohstoffmärkten zu haben seien. Die zögerliche Politik der Bundesregierung sei völlig unverständlich, sagte Abgeordneter Schalle, der den obligatorischen Einbau von Warmwasseranlagen auf Basis von Solarenergie bei Neubauten forderte. Der Abgeordnete schlug auch ein Bonus-Malus-System für Verbraucher vor, um das private Engagement für das Energiesparen zu fördern.

Wirtschaftsminister Dr. BARTENSTEIN bat die Abgeordneten bei der Umsetzung des Masterplans Wasserkraft, mit dem es möglich sein werde, CO2-Emissionen zu reduzieren. Der Minister bekannte sich dazu, die Wasserkraft unter Berücksichtung der Ökologie und unter Einbindung der BürgerInnen auszubauen. Die Kritik an mangelndem Ausbau der Photovoltaik wies der Ressortleiter zurück, indem er eine Verfünffachung der Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen in den nächsten Jahren in Aussicht stellte. Die Ökostrom-Novelle sei das Ergebnis einer bemerkenswerten Zusammenarbeit zwischen seinem Ressort mit den Abgeordneten Bauer und Kopf, sagte der Minister und zeigte sich überzeugt, ein Gesetz auf den Tisch des Hauses gelegt zu haben, das den Vergleich mit dem deutschen Erneuerbare Energien-Gesetz nicht zu scheuen brauche. Die Arbeit an einem Initiativantrag zur Förderung des Ausbaus von Kälte- und Wärmeleitungen, der noch in den nächsten Tagen beschlossen werden soll, begrüßte der Minister ausdrücklich. Gegenüber Abgeordneter Lichtenecker bekannte sich der Ressortleiter zur Förderung der energetischen Ablaugeverwertung in Pöls, durch die hunderte Arbeitsplätze in der Industrie und tausende bei den Zulieferern gesichert werden können.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) sprach sich für eine Förderung erneuerbarer Energieträger mit dem Ziel aus, die Rentabilitätskurven fossiler und erneuerbarer Energieträger einander möglichst bald kreuzen zu lassen. In diesem Sinne besprach Mitterlehner die Novelle positiv, wobei er sich ausdrücklich dazu bekannte, Industriebetriebe nicht zusätzlich zu belasten - die Kritik der Opposition sei für ihn unverständlich, schloss Mitterlehner. 

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) erinnerte daran, dass in Deutschland jährlich 600mal mehr Photovoltaikleistung installiert werde als in Österreich. Hier denke man eher daran, die Landwirtschaft oder die Zellstoffindustrie unter dem Titel Ökostrom zu fördern. Zielführender wäre es gewesen, solche Förderungen aus anderen Töpfen zu finanzieren als aus dem Ökostromgesetz, meinte der Abgeordnete. Der wegen zunehmender Knappheit unvermeidliche Preisanstieg bei fossilen Energieträgern mache alternative Technologien immer billiger und werde demnächst dazu führen, dass sich die Rentabilitätskurven schneiden. Umso unverständlicher sei es, dass eine Technologie- und Wirtschaftspartei wie die ÖVP bei der Ökostromförderung nach wie vor auf der Bremse stehe. Die ÖVP sollte möglichst rasch auf die Ökospur zu kommen, sagte Kogler pointiert.

Abgeordneter Mag. KUZDAS (S) sprach von einer guten Lösung für die Konsumenten und für die Ökostromerzeuger. Der Ausbaustopp beim Ökostrom sei nun zu Ende, die Zusammenarbeit zwischen SPÖ, ÖVP und Bundesminister Bartenstein habe gut funktioniert, sagte der Abgeordnete. Unverständlich sei, dass die Grünen einem Gesetz nicht zustimmen, das deutliche Verbesserungen gegenüber der bisherigen Ökostromförderung bringe. Kritik ohne konstruktive Vorschläge sei politisch zuwenig, lautete die Kritik des Redners gegenüber der Opposition.

Abgeordneter DI KLEMENT (F) kritisierte die vorliegende Novelle als ein "Ökostromblockadegesetz". Mit den vorgesehenen Einspeistarifen sei es nicht möglich, Ökostrom auf der Basis von Photovoltaik zu produzieren. Statt Gaskraftwerke zu bauen, die Österreich von russischen und iranischen Gaslieferungen abhängig machen, sollte man erneuerbare Energieträger forcieren. Die Industrie werde bei den Energiekosten dreifach gefördert, gleichzeitig blieben die Produzenten von Ökostrom auf der Strecke. Weder Private noch KMU werden künftig Photovoltaikanlagen errichten können - das habe die Bundesregierung zu verantworten.

Abgeordneter SCHULTES (V) erinnerte daran, dass die G8 in der Energiepolitik auf Atomkraft setzen, was für Österreich bedeute, alternative Ressourcen verstärkt zu nutzen: Wind, Wasserkraft und Sonne. Schultes schlug für die Zukunft vor, die wegen stark steigender Energietarife steigenden Gewinne der Erdgasförderanlagen und der Wasserkraftwerke für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie einzusetzen.

Abgeordneter GARTLEHNER (S) wies darauf hin, dass Windenergie wegen der stark steigenden Energiepreise bereits knapp vor der Wirtschaftlichkeit stehe. Der Abgeordnete bekannte sich auch zur Förderung der Photovoltaik im sozialen Wohnbau sowie von privaten Investoren aus dem Klima- und Energiefonds. Abstellen will der Abgeordnete Spekulation mit Rohstoffen, die zu Preistreiberei führen.  

Abgeordneter HOFER (F) erinnerte daran, dass seit der letzten Ökostromgesetz-Novelle kein neues Windkraftwerk gebaut wurde, obwohl Windenergie-Produzenten künftig keine Förderungen brauchen werden, weil sie zu Marktpreisen produzieren können. Die Ökostromgesetz-Novelle sei ungenügend, weil sie nicht erlaube, den steigenden Strombedarf aus erneuerbaren Energieträgern zu decken. Im Gegenteil, da General Motors und Mercedes demnächst serienreife Elektroautos auf den Markt bringen, werde die Nachfrage nach Ökostrom ab 2010 stark steigen. Österreich werde sein Ökostromgesetz schon bald ändern müssen. Es sei aber zu befürchten, dass eine künftige Koalition nicht im Stande sein werde, das heute mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Gesetz zu ändern.

Abgeordnete STEIBL (V) stellte klar, dass die Ökostromförderung für die Ablaugeverstromung in Pöls mehr als 400 Arbeitsplätze vor Ort und tausende weitere bei den Zulieferern sichern werde.

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) konzentrierte sich in ihrem Redebeitrag auf Verbesserungen bei der Transparenz der Ökostromabrechnungen für die Konsumenten und auf die Befreiung von Grundsicherungsbeziehern von der Zählpunktpauschale.

Abgeordneter STEINDL (V) bezeichnete die Deckelung der Ökostromzuschläge zu Gunsten energieintensiver Industrien als notwendig für den Wirtschaftsstandort. Österreich verzeichne beim Anteil des Ökostroms mit 70 % einen europäischen Spitzenwert. "Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt und liegen schon jetzt weit über den Ökostromzielsetzungen der EU", sagte der Abgeordnete.

Abgeordnete LUEGER (S) stellte die Ökostromgesetz-Novelle in den Zusammenhang des Klimaschutzes und unterstrich die Notwendigkeit, die Energieeffizienz zu erhöhen, um den Zuwachs des Energieverbrauchs zu dämpfen. Die vorliegende Novelle berücksichtige soziale Aspekte, fördere die Photovoltaik und erleichtere die Förderungsabwicklung für Kleinwasserkraftwerke.

Abgeordneter OBERNOSTERER (V) wies die Behauptung Veit Schalles zurück, die Treibstoffkonsumenten in Kärnten würden von den paar Cent profitieren, die der Diesel in Kärnten billiger sei. Tatsächlich werde die Preisdifferenz in Kärnten vom Steuerzahler getragen, das entspreche nicht der Politik der Volkspartei, hielt Obernosterer fest.

Abgeordneter FÜLLER (S) unterstützte die geplante Förderung der energetischen Nutzung der Ablauge in der Zellstoffindustrie in Pöls, die es erlaube, hunderte Arbeitsplätze in der Region und tausende weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern abzusichern.

Abgeordneter GLASER (V) ortete einen Widerspruch bei den Grünen, die einerseits die Verstromung von Biomasse forderten, andererseits aber - mit Blick auf die Nahrungsmittelkrise in den Entwicklungsländern - kritisierten. Der Redner hielt es für möglich, Biomasse energetisch zu nutzen und zugleich die Nahrungsmittelbasis zu erhalten und auszubauen, denn die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion setze die Versorgung mit günstiger und sicherer Energie voraus.

Abgeordneter MARIZZI (S) besprach die Reparatur des Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetzes nach einem Einspruch des Verfassungsgerichtshofes. In diesem Zusammenhang wies der Redner auf die Rolle des Verbunds bei der Nutzung der österreichischen Wasserkraft hin, verteidigte das mehrheitlich öffentliche Eigentum an der Verbundgesellschaft und warnte vor jedem Ausverkauf. Der nächste Nationalrat sollte sich mit der Frage befassen, ob Strom aus Kernkraft wettbewerbsfähig sei und ob es nicht zweckmäßig wäre, eine Klage gegen die Wettbewerbsfähigkeit von Atomstrom einzubringen.

Abgeordneter WENINGER (S) erklärte Details der ElWOG-Novelle und warnte davor, Investitionen in die Stromnetze zu vernachlässigen, weil dadurch die Versorgungssicherheit gefährdet würde. Schließlich warnte der Abgeordnete auch vor der neuen Atomkraftdiskussion in Europa und bekannte sich nachdrücklich zur Förderung des Ökostroms. Die SPÖ verlangt einen europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie und sagt Nein zur Übernahme österreichischer Energiekonzerne durch multinationale Atomkonzerne.

Bei der Abstimmung wurden zunächst die Rückverweisungsanträge der Grünen mehrheitlich abgelehnt.

Die Zweite Ökostromgesetznovelle 2008 wurde mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit in der Fassung des V-S-Abänderungsantrages angenommen. Der V-S-Entschließungsantrag für ein Photovoltaikförderungsprogramm erhielt mehrheitliche Zustimmung.

Der Beschluss des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und die Änderung des ElWOG erfolgten jeweils mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. (Schluss Ökostrom/Forts. NR)