Parlamentskorrespondenz Nr. 671 vom 10.07.2008

Vom Finanzprokuraturgesetz bis zur Van Gogh-Ausstellung

Nationalrat debattiert Vorlagen des Finanzausschusses

Wien (PK) – Nach der rund dreistündigen Debatte zur Europapolitik standen Vorlagen des Finanzausschusses auf der Tagesordnung des Nationalrats. Thematisch ging es um die Befugnisse der Finanzprokuratur, das Abgabenänderungsgesetz 2008, die Änderung des Glückspielgesetzes und die Übernahme von Haftungen für die Ausstellung "Vincent van Gogh. Gezeichnete Bilder".

Befugnisse der Finanzprokuratur werden ausgeweitet

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) würdigte einleitend das Bemühen des Präsidenten der Finanzprokuratur um Verbesserungen, kritisierte das neue Finanzprokuraturgesetz aber als inkonsequent und lehnte es ab. Die Verstärkung von Aufgaben der Prokuratur, die den freien Berufen zuzuordnen seien, widerspreche der Linie der ÖVP, die da laute "Mehr privat, weniger Staat". Anwaltliche Tätigkeit verlange Verschwiegenheit und Konzentration auf die Interessen des Klienten, führte der Redner aus. Diese beiden Grundsätze könnten von der Finanzprokuratur, einem Amt des Finanzressorts, nicht verwirklicht werden, daher seien Interessenkollisionen zu befürchten und zu erwarten, weil die Prokuratur es sich im Streit zwischen Gebietskörperschaften aussuchen könnte, welche Interessen sie zu vertreten habe. Kein Anwalt dürfte unter solchen Voraussetzungen ein Mandat übernehmen, erklärte Fichtenbauer. "Ein Amt kann niemals einen frei gewählten Rechtsanwalt ersetzen", lautete das Fazit des Abgeordneten, der die Rückverweisung der Materie an den Finanzausschuss beantragte.        

Abgeordneter Mag. IKRATH (V) bekannte sich zu einer Finanzprokuratur als Anwalt und Vertreter der Republik und als Servicestelle für die Bürger. Unlautere Konkurrenz konnte Ikrath im Gegensatz zu Fichtenbauer nicht sehen. Vielmehr sei es auch im vitalen Interesse der Bürger in einem Verfahren gegen den mächtigen Staat gelegen, nicht auch noch das Prozesskostenrisiko für die Gegenseite tragen zu müssen, gab Ikrath zu bedenken. Der Redner appellierte im Übrigen an die FPÖ, sich "einen Ruck zu geben" und Gemeininteresse über Standesinteresse zu stellen und der Vorlage zuzustimmen.

Abgeordneter WEINZINGER (F) ließ das Argument der Bürgerfreundlichkeit nicht gelten und erwiderte, wenn der Bürger gegen den Staat verliert, dann habe er sehr wohl das Prozesskostenrisiko zu tragen. Des Weiteren sah Weinzinger in der Konstruktion der Finanzprokuaratur nach dem vorliegenden Gesetz einen Angriff auf den freien Berufsstand der Rechtsanwälte, der, wie er meinte, der Möglichkeit beraubt werde, in dem Ausmaß wie bisher Gemeinden und andere Rechtsträger zu vertreten.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) begrüßte hingegen die Erweiterung der Kompetenzen der Finanzprokuratur, die seiner Einschätzung nach "natürlich" in Konkurrenz zu den Anwaltsberufen stehe.

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) sah in der Vorlage ein gutes Projekt der Verwaltungsreorganisation und zugleich eine Reaktion auf das "Unwesen" der Vergabe von Beratungsleistungen nach außen. Wichtig sei es nun, dass die Finanzprokuratur zu einem unbeugsamen Diener des Staates werden kann und überdies auch mit entsprechend dotiertem Personal ausgestattet werde.

Abgeordneter BUCHER (B) erinnerte an die Empfehlung des Rechnungshofs, die Finanzprokuratur wirkungsvoller auszugestalten, um die Interessen des Staates optimal vertreten zu können. Seine Zustimmung zu der Vorlage verstand Buchner auch als Bekenntnis zu einem leistungsfähigen und modernen Staat und als Ablehnung einer Liberalisierung auf allen Ebenen.

Staatssekretär Dr. MATZNETTER meinte, die Finanzprokuratur bringe Vorteile für die Bürger, die eine private Anwaltskanzlei nicht bieten könne, und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Prozesse AMIS und Kaprun. Die Prokuratur werde den Anwälten kein Geschäft wegnehmen, versicherte Matznetter. Im Bereich des Bundes trete sie naturgemäß primär auf, im Bereich der übrigen Gebietskörperschaften agiere die Prokuratur wie eine weitere Kanzlei, stellte er klar und rief die Anwaltschaft auf, keine Angst vor der Marktwirtschaft und dem Wettbewerb zu haben.

Abgeordnete TAMANDL (V) zeigte sich irritiert über die Position der FPÖ, der sie Unglaubwürdigkeit vorwarf. Die Freiheitlichen, die sonst immer für die "Kleinen" eintreten, würden in dieser Frage die Interessen von einer Handvoll großer Anwaltskanzleien vertreten, bemerkte sie.    

Abgeordneter Dr. GRAF (F) replizierte, die Regierungsparteien würden die freien Berufe einfach nicht verstehen. Er erwartete einen "Sog" zur Prokuratur, der sehr wohl auch zu Lasten der kleineren Rechtsanwälte gehen werde. Den Anwälten seien ohnehin schon scheibchenweise Befugnisse weggenommen worden, der freie Berufsstand sei den Regierenden offensichtlich ein Dorn im Auge, sagte er.

Abgeordneter Mag. GAßNER (S) betonte, der Staat habe das Recht, sich ein Organ zur Vertretung zu schaffen. Was die Vertretung der Gemeinden betrifft, befürchtete Gaßner allerdings, dass der Hinweis des Gesetzes auf die marktüblichen Honorare zu finanziellen Hürden führen werde. Ein S-V-Abänderungsantrag des Redners hatte eine textliche Korrektur zum Inhalt.

Abgeordneter AUER (V) sah sich in seiner Zustimmung durch die Argumentation des Rechnungshofs bestätigt, wies aber ebenfalls auf die Notwendigkeit der entsprechenden Besoldung hin.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) erwartete sich von der Erweiterung der Kompetenzen der Finanzprokuratur eine wesentliche Einschränkung der unter Finanzminister Grasser üblichen Beratungszukäufe.

Abgeordneter Ing. SCHULTES (V) wies auf das positive Ergebnis der Kontrolle der Prokuratur durch den Rechnungshof hin und unterstützte mit Nachdruck die Vorlage.

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) sprach von einem "schönen Gesetz", vermisste aber entsprechende besoldungsrechtliche Rahmenbedingungen, um für die hochqualifizierte Tätigkeit der Prokuratur auch hochqualifiziertes Personal zu erhalten.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage nach Ablehnung des F-Rückverweisungsantrags in der Fassung des Abänderungsantrages mehrheitlich angenommen.

Abgabenänderungsgesetz 2008

Abgeordneter Dr. STUMMVOLL (V) bemerkte, spannender als diese kleine Novelle seien die steuerpolitischen Perspektiven der nächsten Jahre. Stummvoll bekannte sich in diesem Zusammenhang zu Absetzbeträgen für Familien mit Kindern sowie zu Entlastungsmaßnahmen des Mittelstands.

Abgeordnete BAYR (S) begrüßte die asbestmäßige Sanierung des Austria-Centers, die durch diese Novelle mitfinanziert werden soll.

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) drängte auf Maßnahmen gegen die Teuerung und forderte weiters in einem Entschließungsantrag die Schaffung einer Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des Gesundheitswesens, wobei er an eine diesbezügliche Einigung der Regierungsparteien erinnerte.

Abgeordneter WEINZINGER (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zu diesem Abgabenänderungsgesetz an.

Abgeordneter BUCHER (B) äußerte sich ebenfalls zustimmend, wandte sich aber mit Nachdruck gegen die Einführung einer Vermögenszuwachssteuer und argumentierte, es gebe bereits eine Vermögenssteuer in Österreich. Bucher bedauerte zudem, dass es wegen der vorzeitigen Auflösung des Nationalrats nun nicht zu einer Steuerreform mit einer spürbaren Entlastung kommen werde.

Abgeordnete RINNER (S) unterstützte die Grundsteuerbefreiung der internationalen Organisationen, von der sie sich eine größere Attraktivität Österreichs als Amtssitz erwartete.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) kritisierte die im internationalen Vergleich hohe Biersteuer in Österreich, befürchtete negative Auswirkungen auf die Brauerei-Arbeitsplätze durch Kofferraumimporte aus Tschechien und Deutschland und forderte eine steuerliche Gleichstellung für dieses, wie er sagte, "Grundnahrungsmittel". Kein Verständnis zeigte er auch für die Besteuerung des Limonadenanteils im Radler.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) trat dafür ein, neben der elektronischen Steuererklärung auch noch die papierene aufrecht zu halten.

Abgeordneter HELL (S) sprach kritisch von einer einseitigen Belastung der kleinen Arbeitnehmer durch das Steuersystem und forderte auch angesichts der hohen Nahrungs- und Energiepreise eine Korrektur dieser Schieflage. Nachdem die letzte Steuerreform vor allem die Unternehmen entlastet habe, gelte es nun, den Fokus auf die kleinen und mittleren Einkommen zu richten, mahnte er.

Staatssekretär MATZNETTER "outete" sich als Biertrinker und meinte, die kleineren Brauereien sollte man dadurch fördern, indem man weiterhin ihr Bier trinkt.

Bei der Abstimmung wurde die Vorlage in Dritter Lesung einstimmig angenommen. Der G-Entschließungsantrag fand keine Mehrheit.

Umsetzung der Geldwäsche-Richtlinie im Glückspielgesetz

Abgeordneter HÖRL (V) wies auf die Bedeutung der Casinos für den Tourismus in Österreich hin und meinte, ein geordneter Spielbetrieb gehöre heute zum Highlight des Angebots. Problematisch war für Hörl, dass zwar die offiziellen Spielcasinos streng geregelt werden, die kleinen, inoffiziellen Casinos von den Bestimmungen aber ausgenommen blieben.

Abgeordnete RINNER (S) stellte fest, mit der vorliegenden Änderung des Glückspielgesetzes, die Ausweispflichten für Besucher von Spielcasinos vorsieht, erfülle Österreich nun den internationalen Standard.

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) gab zu bedenken, die Novelle schließe nicht die Lücke hinsichtlich des so genannten kleinen Glückspiels, das vom Monopol des Bundes ausgenommen ist. Bei den Automaten in Hinterzimmern von Cafés handle es sich nicht um Bagatellspiele, der Aspekt des Jugendschutzes sei nicht geregelt, Aussperrung sei nicht möglich, brachte Rossmann die Probleme auf den Punkt.

Abgeordneter WEINZINGER (F) bezog sich auf den angekündigten Abänderungsantrag, der seiner Meinung nach Verbesserungen bringt. Trotzdem sei die Angelegenheit der Glücksspiele nicht erledigt, sagte er. Man müsse vor allem zum Schutz junger Menschen Kontrollen einziehen. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass Glücksspiele oft benützt werden, um Geld zu waschen, Geld, an dem oft Blut klebe. Hier müsse eingegriffen werden, und das heute beschlossene Gesetz stelle nur einen Anfang dar.

Auch Abgeordneter BUCHER (B) hielt den Antrag für sinnvoll und vertrat die Auffassung, dass dem in der nächsten Gesetzgebungsperiode weitere Schritte folgen müssten. Vor allem habe man sich mit dem gesamten Komplex der Internetwetten und Internetspiele zu beschäftigen. Diese stellten durch den leichten Zugang eine Bedrohung dar, und mache vielfach junge Menschen zu potentiellen SpielerInnen.

Abgeordneter KIRCHGATTERER (S) betonte, die Bekämpfung der Geldwäsche mache ständige Anpassungen notwendig. Bereits jetzt sei die Geldwäsche in den Casinos erheblich erschwert. Nun würde es weitere Verschärfungen in Umsetzung der dritten EU-Geldwäsche-Richtlinie geben. Damit stelle Österreich klar, dass es sich zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung bekennt. Das führe auch zu mehr Sicherheit in Österreich und in der EU.

Abgeordneter KRAINER (S) brachte dann den bereits mehrmals angesprochenen V-S-Abänderungsantrag ein, den er auch näher erläuterte. Demnach werde unter anderem sichergestellt, dass die BürgerInnen der EU mit InländerInnen gleichbehandelt werden, erklärte er. Darüber hinaus enthalte der Abänderungsantrag ein Werbeverbot sowie zusätzliche Strafbestimmungen.

Abgeordneter Dr. BAUER (S) bezeichnete die Vorlage als richtig, da sie der Geldwäsche einen Riegel vorschiebe. Aber man müsse auch jene Menschen bei denen der Gewinn und nicht das Spiel im Vordergrund steht und die damit einer Katastrophe zusteuern, vor sich selber schützen.

Staatssekretär Dr. MATZNETTER gab bekannt, dass es nach der Sitzung des Finanzausschusses, in der der Teil zur Geldwäscherei vom Ausschuss angenommen wurde, ein Gespräch der Ressortbeamten mit Beamten der Europäischen Kommission gegeben habe. Der Auflösungsbeschluss des Nationalrates führe dazu, dass man mit Änderungen nicht mehr bis zur nächsten Glücksspielreform warten könne, weil die Zeit zu knapp sei.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) zeigte sich verwundert darüber, warum bis heute keine Regierungsvorlage vorliegt, die auf einen Missstand reagiert, der seit Wochen die Wirtschaftsseiten sprengt. Unter vorgegaukeltem Kleinanlegerschutz werde groß inseriert: so sicher wie ein Sparbuch. In Österreich gebe es keinen Kleinanlegerschutz, sondern vielmehr den "Schutz für große Reinleger", und die finde man immer wieder in verdächtiger Nähe zur ÖVP, konstatierte Kogler.

Die Vorlage wurde unter Berücksichtigung des V-S-Zusatz- bzw. Abänderungsantrages einstimmig verabschiedet.

Haftungsübernahme für die Van Gogh-Ausstellung

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) wies darauf hin, dass es in der Vorlage um die Haftung für eine einzige Ausstellung in einem Museum gehe. Er sprach von einer "klassischen Anlassgesetzgebung im negativen Sinn" und meinte, jetzt komme eine große Ausstellung in der Albertina, die selbst mit der Milliarde nicht abzudecken sei; laut Gesetzesvorschlag hafte der Bund für zusätzliche 500 Mio. €. Wenn man etwas machen möchte, damit mehr Leute in die Museen gehen, sollte man den freien Eintritt forcieren, unterstrich er.

Abgeordnete LENTSCH (V) vertrat die Meinung, die Van Gogh-Ausstellung in der Albertina werde ein kultureller Höhepunkt in Wien werden. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass die ÖsterreicherInnen die Gelegenheit erhalten, eine derartige Ausstellung zu besuchen. Außerdem würden sicherlich viele TouristInnen wegen dieser Ausstellung nach Österreich kommen. Die Erweiterung der Haftung des Bundes für diese Ausstellung werde die ÖVP unterstützen, denn die gezeigten Exponate hätten immerhin einen Wert von 1,75 Mrd. €.

Abgeordneter KIRCHGATTERER (S): Die Van Gogh-Ausstellung wird Menschen ins Museum bringen, die üblicherweise nicht in ein Museum gehen. Es handelt sich um die erste Van Gogh-Schau in Österreich seit 50 Jahren. Da die Kosten für die Versicherungsprämie von der Albertina nicht getragen werden konnten, sei es unerlässlich, dass der Bund die Haftung bis zu einem Gesamtrahmen von 500 Mio. € übernimmt.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) gab bekannt, dass die FPÖ die Regierungsvorlage unterstützen werde. Vincent van Gogh sei der bedeutendste Expressionist und nach Rembrandt der bedeutendste holländische Meister. Es sei ein Glücksfall, dass die Meisterwerke in Österreich zu sehen sein werden.

Für Abgeordneten BUCHER (B) ist klar, dass sich Wien international als Kunst- und Kulturstandort positioniert habe und im Wettbewerb zu Rom, London oder New York stehe. Es sei eine enge Betrachtung, wenn man nur für ein Museum eine Kosten-Nutzen-Analyse anstelle, meinte der Redner in Richtung Zinggl.

Abgeordneter STEIER (S) wies darauf hin, dass die Ausstellung von September bis Dezember 2008 in der Albertina stattfinden werde, und erklärte, sie werde sicherlich eine der außergewöhnlichsten Ausstellungen sein, die Wien je erlebt hat. Die Ausstellung werde Menschen ins Museum bringen, die üblicherweise nicht ins Museum gehen.

Abgeordnete Mag. MUTTONEN (S) machte gleichfalls darauf aufmerksam, dass es sich um die erste große Ausstellung zu Vincent van Gogh handelt, es werden 50 Gemälde und 120 Zeichnungen einen Querschnitt durch van Goghs Schaffen zeigen. Sie sprach auch die Kritik innerhalb der Museumsszene an, weil auch andere Museen prominente Ausstellungen machen würden, sich aber die Versicherungsprämien nicht leisten können. In Zukunft werde man nach einer Lösung suchen müssen, damit alle Institutionen ähnlich gute Bedingungen für Ausstellungen vorfinden, erklärte sie.

Die Vorlage wurde mit Mehrheit beschlossen.

(Schluss Finanzvorlagen/Forts. NR)