Parlamentskorrespondenz Nr. 934 vom 10.12.2008

Oppositionelle Anträge werden einer Ersten Lesung unterzogen

Zustimmung zur behördlichen Verfolgung von Winter und Westenthaler

Wien (PK) - Anton Gaal, Paul Kiss und Walter Seledec wurden vom Nationalrat mit S-V-F-B-Mehrheit für eine weitere sechsjährige Amtsperiode zu Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission gewählt.

Der Nationalrat wählte die Abgeordneten Gisela Wurm (S), Fritz Neugebauer (V), Karl Donabauer (V) und Martin Graf (F) zu Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Sonja Ablinger (S), Karin Hakl (V), Johannes Hübner (F) und Alexander Van der Bellen (G) zu Ersatzmitgliedern. Die VertreterInnen des Bundesrates in der Parlamentarischen Versammlung werden vom Bundesrat gewählt.

Abgeordneter Dr. ZINGGL (G) erinnerte in der Ersten Lesung über seinen Antrag 9/A betreffend Änderung des BG über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Bundesmuseen und Sammlungen daran, dass die Grünen bereits in der letzten Legislaturperiode einen Antrag auf Novellierung des Kunstrückgabegesetzes eingebracht hätten. Dieser sei aber "liegen geblieben", bedauerte er. Das Kunstrückgabegesetz sei grundsätzlich nicht schlecht, meinte Zinggl, es gebe aber einige deutliche Lücken. So müsse die Definition, was ein Kunstgegenstand sei, adaptiert werden. Als am vordringlichsten erachtet der Abgeordnete allerdings die Einbeziehung der Stiftung Leopold in das Kunstrückgabegesetz. Es gehe nicht an, dass ein Museum im Einflussbereich des Bundes Raubkunst ausstelle, bekräftigte er, das mache "kein gutes Bild".

Abgeordnete Mag. Muttonen (S) machte darauf aufmerksam, dass das Kunstrückgabegesetz vor nunmehr 10 Jahren beschlossen worden sei. Mittlerweile seien Tausende Objekte an ihre rechtmäßigen EigentümerInnen zurückgegeben worden. Die Rückgabe sei eine moralische Pflicht, bekräftigte Muttonen, "daran ist nicht zu rütteln." Was die notwendige Adaptierung des Gesetzes betrifft, stellte sie eine Regierungsvorlage in Aussicht. Muttonen sprach sich jedoch dagegen aus, "die komplexe juristische Frage" der Einbeziehung der Stiftung Leopold in das Kunstrückgabegesetz in die geplante Gesetzesnovelle einzubeziehen. Derzeit werden die Bestände der Stiftung ihr zufolge von zwei unabhängigen Forschern geprüft.

Abgeordnete FUHRMANN (V) bekräftigte, die Restituton von geraubten Kunstgegenständen sei eine historische Pflicht. Ihrer Meinung nach hat das Kunstrückgabegesetz Vorbildcharakter, auch die Kommission habe gute Arbeit geleistet. Zehn Jahre nach Beschlussfassung des Gesetzes ist es für sie aber durchaus an der Zeit Bilanz zu ziehen und über Verbesserungen zu diskutieren. Die Einbeziehung der Stiftung Leopold will Fuhrmann aber von der geplanten Novellierung des Gesetzes getrennt behandelt wissen.

Abgeordneter Mag. STEFAN (F) unterstrich, auch den Freiheitlichen sei es ein Anliegen, begangenes Unrecht gut zu machen und den Opfern zu helfen. Bereicherung an den Leiden anderer dürfe nicht belohnt werden, betonte er. Stefan sprach sich allerdings im Hinblick auf die Einbeziehung der Stiftung Leopold in das Kunstrückgabegesetz deutlich gegen eine "Anlassgesetzgebung" aus. Zudem erachtet er es als bedenklich, rückwirkend einseitig in Verträge einzugreifen. Der Regierung warf Stefan vor, sich nicht für die Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Aufhebung der Benes-Dekrete einzusetzen. Stefan machte auch geltend, dass die Profiteure der Restitution oft nicht die Opfer selbst sind, sondern Erben und Rechtsanwälte. Offensichtlich wolle man aus dem schrecklichen Unheil moralisches Kapital schlagen. Er plädierte daher für eine zukunftsweisende und nicht rückwärtsgewandte Politik.

Erste Lesung: G-Antrag 16/A betreffend Änderung des Strafgesetzbuches

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) ging auf die Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption ein. Ausgeklammert seien damals Strafbestimmungen gegen korrupte Abgeordnete worden. Gegen die Initiative der Grünen, Strafbestimmungen für politische MandatarInnen einzuführen, hätte sich dann ein "Kartell der Milde" gebildet, wie Steinhauser sich ausdrückte. Man habe offensichtlich den "Sumpf aus Gönnern, Lobbyisten und Parteienspendern" nicht berühren und Milde für straffällige Abgeordnete walten lassen wollen. Eine weitere Initiative der Grünen vor der Wahl sei deshalb abermals von den anderen Parteien niedergestimmt worden. Der vorliegende Initiativantrag habe zum Ziel, diese Lücke zur Umsetzung der UN-Konvention zu schließen.  

Abgeordneter PENDL (S) merkte dazu an, es gehe um eine sachliche Regelung, und warf den Grünen in dieser Frage Populismus vor. In diesem Zusammenhang wies er auf die gegenwärtige Problematik im Sport- und Kulturbereich hin, die durch das geltende Gesetz entstanden ist. Daher solle man in Ruhe diskutieren, in die Sache Ordnung bringen und dann eine umfassende Regelung schaffen.

Auch Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) warf den Grünen Populismus vor und wandte sich dagegen, ein Bild zu entwerfen, wonach alle Abgeordneten korrupt seien. Selbstverständlich müsse man gegen korrupte MandatsträgerInnen vorgehen, aber der Vorschlag der Grünen würde zu einer starken Einschränkung des freie Mandats führen. Das könnte so weit gehen, dass jedes Mitglied des Nationalrats und des Bundesrats seine Willensbildung und seine politische Tätigkeit vor Gericht rechtfertigen müsse. Nach Vorschlag der Grünen fiele unter die Bestimmungen sogar auch die Abgabe der Stimme für eine Partei, argumentierte Donnerbauer. MitarbeiterInnen einer Interessenvertretung oder auch BürgermeisterInnen könnten die Interessen ihrer Organisation oder ihrer Gemeinden nicht mehr vertreten. Die Forderung der Grünen seien überzogen und gefährdeten die Arbeit im Haus, so sein Resümee über den Grünen Antrag. 

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) machte deutlich, dass auch die Freiheitlichen dieser Initiative der Grünen nicht zustimmen würden. Der Amtsträgerbegriff der UN-Konvention habe mit dem Abgeordnetenbegriff in Österreich nichts zu tun. Man finde auch keine einziges historisches Beispiel eines korrupten Mandatars in Österreich. Mit der letzten Novelle sei man zu weit gegangen, und man habe im Kultur- und Sportbereich damit massive Probleme verursacht. Hier sei die Grenze zwischen Korruption und echtem Sponsoring weit überschritten worden. Deshalb müsse man nachjustieren, sagte Fichtenbauer. 

Abgeordneter Mag. STADLER (B) argumentierte ebenfalls, es gebe für Stimmenkauf kein einziges Beispiel im österreichischen Parlament. Es werde für ein Gericht auch schwierig sein nachzuprüfen, ob das Stimmverhalten eines Abgeordneten gerechtfertigt war. Die Kausalität sei nicht nachzuweisen. Korruption sei in erster Linie ein Problem des exekutiven Bereichs, wo Vergabeentscheidungen getroffen werden, nicht jedoch des Parlaments. Der Forderung nach einem umfassenden Parteispendengesetz stimmte Stadler jedoch zu und warf in diesem Zusammenhang der FPÖ vor, den teuerste Plakatwahlkampf gemacht zu haben, obwohl sie hohe Schulden gehabt habe. Er stellte dabei in den Raum, ein Mafiapate habe Geld gespendet und gehe nun im FPÖ-Klub aus und ein.

In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) gegenüber seinem Vorredner klar, es sei unrichtig, dass er einen Mafiapaten kenne und dass bei der FPÖ Mafiapaten aus Georgien ein- und ausgehen. Natürlich habe die Freiheitliche Partei auch kein Geld von einem Mafiapaten aus Georgien erhalten für eine Plakataktion, betonte Fichtenbauer.

Abgeordneter GAHR (V) sprach von einem nicht sehr dienlichen Antrag, der total über das Ziel hinaus schieße. Die Abgeordneten hätten auch repräsentative Aufgaben, seien zum Beispiel bei Sport- oder Kulturveranstaltungen eingeladen, gab Gahr zu bedenken, man könne daher nicht alles hinterfragen und kriminalisieren.

Der Antrag wurde dem Justizausschuss zugewiesen.

Erste Lesung: B-Antrag 77/A auf Änderung des Bankwesengesetzes

Abgeordneter Mag. STADLER (B) stellte zunächst fest, dass der Inhalt des zur Behandlung stehenden Antrags auf einem legistischen Versäumnis beruhe. Denn wenn die Wohnungseigentümergemeinschaften Gelder bei einer Bank deponieren, dann sei es nur recht und billig, dass es dafür auch eine unbeschränkte Einlagensicherung gibt, argumentierte der Redner. Diese Gesetzeslücke sollte seiner Meinung nach unbedingt geschlossen werden.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) stellte aus seiner Sicht klar, dass es bei diesem Antrag nicht um das Ansparen von Geldern zum Erwerb von Eigentumswohnungen geht, sondern um die Verwaltung. Welche sachliche Rechtfertigung gibt es, dass man gerade Wohnungseigentümer gegenüber Mietern, die zum Beispiel Kaution zahlen, besser stellen will, fragte er. Er stehe dem Ansinnen eher sehr kritisch gegenüber.

Abgeordneter Dr. SONNBERGER (V) befürwortete grundsätzlich die geforderte Gleichbehandlung von Eigentümergemeinschaften bei der Einlagensicherung. In die Diskussion mit einfließen lassen sollte man auch, dass auf EU-Ebene eine Aufstockung der Einlagensicherung auf 100.000 € ab Ende 2011 geplant ist.

Es sei richtig, dass im Rahmen der Beschlussfassung des Bankenpakets die Einlagensicherung in Bezug auf die Wohnungseigentümergemeinschaften nicht erfasst wurde und dass dies korrigiert werden müsse, erklärte Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G).

Auch Abgeordneter LINDER (B) war der Meinung, dass vor allem ein Punkt im Bankensicherungsgesetz dringend repariert werden müsse, nämlich die Sicherung der Einlagen von privaten Wohnungseigentümern.

Der Antrag wurde dem Finanzausschuss zugewiesen.

Erste Lesung: B-Antrag 78/A zum Einkommensgesetz 1988

Bei der Frage der Absetzbarkeit von Spenden stehe auch die politische Glaubwürdigkeit auf dem Prüfstand, meinte Abgeordneter WINDHOLZ (B), zumal sich alle fünf Parteichefs dazu bekannt haben. Es sei höchst an der Zeit, hier eine konsensuale Lösung zu finden, forderte Windholz.

Abgeordneter Mag. LETTENBICHLER (V) sprach von einem jahrelangen Anliegen der Hilfsorganisationen, für das Finanzminister Pröll nun grünes Licht gegeben hat. Schon in den nächsten Tagen soll ein Spendengipfel stattfinden, um mit den betroffenen Einrichtungen die wichtigsten Änderungen zu besprechen. Dabei müssen aus Sicht der ÖVP zwei Punkte unbedingt berücksichtigt werden: Es dürfe keinen Missbrauch geben und es müssen klare Kriterien festgelegt werden. Durch die Absetzbarkeit von Spenden werden dem Finanzministerium schätzungsweise 80 Mio. € pro Jahr entgehen, konstatierte Lettenbichler, viel Geld, das aber sehr gut aufgehoben ist.

Abgeordneter VOCK (F) hielt es für ungerecht, dass Privatpersonen ihre Spenden nicht in die Einkommensteuererklärung aufnehmen und somit absetzen können wie etwa Politiker. Spenden müssen unter bestimmten Bedingungen absetzbar sein, forderte er mit Nachdruck.

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wäre es nach Auffassung von Abgeordneter Mag. BRUNNER (G) wichtig, endlich die versprochene Absetzbarkeit von Spenden umzusetzen. Die Non-Profit-Organisationen stehen derzeit massiv unter Druck, es werden Spendenrückgänge von bis zu 20 % befürchtet. Dabei dürfe jedoch nicht auf die Umweltschutz- und Tierschutz-NGOs vergessen werden, betonte Brunner.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) schloss an die Wortmeldung ihrer Vorrednerin an und wiederholte die Forderung, die ganze breite Palette an NGOs, das heißt u.a. auch die Umweltschutz-, Tierschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen, in die neue Regelung einzubeziehen.

Es gebe ein breites Bekenntnis dazu, in diesem Bereich etwas zu unternehmen, vor allem mit dem Fokus Armutsbekämpfung, meinte Abgeordnete BAYR (S). Sie gehe dabei von einem breiten Ansatz aus, der etwa auch NGOs aus dem entwicklungspolitischen Bereich umfasse.

Überdies müsse gewährleistet werden, dass sich keine neuen Schlupflöcher auftun und dass gewisse Qualitätskriterien für die NGOs gelten.

Der Antrag wurde dem Finanzausschuss zugewiesen.

Erste Lesung: F-Antrag 152/A betreffend Finanzmarktstabilitätsgesetz

Es könne nicht sein, dass einerseits Milliarden an Steuergeldern für Bankenrettungspakete zur Verfügung gestellt und andererseits keine Mitspracherechte gesichert werden, gab Abgeordneter THEMESSL (F) zu bedenken. Dadurch werde der Staat zum Bittsteller degradiert, um etwa die Kreditvergabe für kleine und mittlere Betriebe oder Einzelpersonen sicherzustellen zu können. Österreich sei zudem das einzige Land, dass das Bankenpaket ohne Wenn und Aber zur Kenntnis genommen hat. In anderen Ländern, wie z.B. Deutschland, gebe es ganz klare Einschnitte in Bezug auf die Höhe der Managergehälter oder bei der Auszahlung von Dividenden, zeigte Themessl auf.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) gab gegenüber seinem Vorredner zu bedenken, dass seine Forderungen zum Teil schon umgesetzt wurden. So habe etwa der Finanzminister bereits die Ermächtigung erhalten, Beschränkungen bei den Managergehältern zu machen. Was die Versorgung mit Krediten angeht, so stehe auch dies schon im Gesetz, informierte Matznetter. Deshalb sei der Antrag auch obsolet.

Abgeordneter Dr. IKRATH (V) schloss nahtlos an Matznetter an und wies darauf hin, dass selbst Ruhegenüsse, die unmäßig hoch angesetzt wurden, zurück gefordert werden können. Diese Regelung gehe sogar deutlich weiter als jene in Deutschland, die zudem deutlich bürokratischer gestaltet ist. Was jetzt noch notwendig ist, sei die Lockerung der Vergabekriterien, damit dort nicht ein neuer Flaschenhals entsteht, schlug Ikrath vor.

Abgeordneter HÖBART (F) zeigte kein Verständnis dafür, dass zwar einerseits für die Banken Milliarden rasch flüssig gemacht werden, andererseits aber für eine nachhaltige Steuerreform kein Geld mehr vorhanden sein soll. Außerdem könne man nicht genau nachverfolgen, in welcher Form die Mittel von den Banken verwendet werden, kritisierte Höbart. So wisse er etwa aus zahlreichen Gesprächen, dass vielen Häuslbauern von den Banken bereits das "Messer angesetzt werde". Er kenne auch kein kleines oder mittelgroßes Unternehmen, das bis dato etwas aus dem so genannten Ankurbelungs- und Bankenrettungspaket in Anspruch nehmen konnte.

Abgeordneter LUGAR (B) kritisierte österreichische Banken, die ihren Geschäftsfokus nicht auf das Inland richten. Es sei bedenklich, wenn Banken im Ausland mehr Kunden haben als im Inland, zumal dann, wenn heimisches Sparkapital in zweifelhafte Projekte investiert werde. Allein in Rumänien habe etwa die Erste Bank mehr als 2 Mrd. € verloren, erinnerte Lugar und kritisierte, dass der Staat für sein Engagement bei den Banken weder Mitsprache und Kontrolle noch Kredite für die Wirtschaft bekomme. Die hohen Renditen seien nur erzielbar, wenn alles gut ausgehe. Werde das hohe Risiko - das kein professioneller Rückversicherer ohne entsprechende Informationen eingehen würde - aber schlagend, hätte dies katastrophale Auswirkungen für den Staat, warnte Lugar.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) riet dazu, die Kirche im Dorf zu lassen. Auch wenn man möglicherweise nachbessern müsse, sei für die Bankensicherung ein vernünftiges Rahmengesetz beschlossen worden. Beachtenswert sei, was die EU, etwa aus Wettbewerbsgründen, an Veränderungen vorgenommen habe, meinte Kogler und sagte pointiert: An dieser Stelle sei mehr EU besser als weniger EU. Es sei auch vernünftig, beim Zinssatz zwischen gesunden und ungesunden Banken zu unterscheiden und bei der Hypo Alpe Adria zu prüfen, ob dort das Bankenpaket anwendbar sei, zumal schon vor der Krise faule Kredite in der Bilanz standen. Kogler will verhindern, dass bei der Bankensicherung "jetzt Krisengewinnler auf den anfahrenden Zug aufspringen".

Präsident Neugebauer wies den Antrag dem Finanzausschuss zu.

Unter einem verhandelt wurden die Berichte des Immunitätsausschusses zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten Dr. Winter und Westenthaler.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) mahnte beim Fall Winter grundsätzlich Respekt vor religiösen Symbolen ein und appelliert an die Justiz Gleichbehandlung zu üben, egal ob die Herabwürdigung religiöser Symbole den moslemischen oder den katholischen Glauben betreffe. Im Fall der Abgeordneten Winter hätte er den politischen Zusammenhang als schwerwiegender beurteilt, anders als der Immunitätsausschuss, der einen politischen Zusammenhang ablehnte, weil das behauptete Delikt vor dem Einzug der Abgeordneten in den Nationalrat begangen worden sei. Solange die Immunität bestehe, sollte man Politiker aber vor dem Zugriff der Strafjustiz schützen, wenn ein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit bestehe, lautet das Credo Stadlers.

Noch gravierender ist für Stadler der Fall Westenthaler. Man müsse sich fragen, warum Westenthaler nicht verhaftet worden sei, wenn er, wie behauptet, einen Polizisten angefahren hätte, warum die Anzeige erst drei Stunden nach der behaupteten Tat erfolgt sei und warum der angefahrene Polizist zwar eine Verletzung behauptet, aber keinen Arzt aufgesucht habe. Es gebe nur die Behauptung eines sozialdemokratischen Polizisten sowie die Aussagen "obskurer Zeugen", die erst im Wahlkampf aufgetaucht seien. "Jeder andere Staatsanwalt hätte sofort den Aktendeckel zugemacht", meinte Stadler und registrierte das Bemühen der Staatsanwaltschaft, dem Abgeordneten Westenthaler politisch ans Zeug zu flicken. Der Nationalrat sollte sich aber davor hüten, das Immunitätsrecht für politische Abrechnungen oder zur Knebelung missliebiger Oppositionsabgeordneter zu missbrauchen.

Abgeordneter PENDL (S) wies die Behauptung zurück, es gehe bei den zur Diskussion stehenden Auslieferungen um politische Abrechnungen. Sachlich zu beurteilen sei, ob ein politischer Zusammenhang bestehe. Im Fall der Abgeordneten Winter fehle er aus zeitlichen Gründen. Bei Westenthaler erinnerte Pendl an die 1979 eingeschlagene Praxis, bei Verkehrsdelikten auszuliefern, und betonte die korrekte Vorgangsweise des anzeigenden Beamten. Ein politischer Zusammenhang sei in diesem Fall nicht konstruierbar, zeigte sich Pendl überzeugt.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) erinnerte die SPÖ an sozialdemokratische Abgeordnete, die, auch schon vor 1938, zu Opfern politischer Willkür geworden seien, und warnte davor, bei der Beurteilung von Immunitätsfragen verschiedene Maßstäbe anzulegen. Wenn der Besuch eines Fußballspiels für den Bundeskanzler als Repräsentationsaufgabe gelte, müsse dies auch für Sportsprecher Peter Westenthaler gelten, sagte Scheibner und wies auf Merkwürdigkeiten des Falles hin: Ein sozialdemokratisch orientierter Exekutivbeamter, eine verspätete Anzeige, kein ärztlicher Befund - man könne einer Auslieferung Peter Westenthalers nicht mit gutem Gewissen zustimmen, lautete Scheibners Appell an die Abgeordneten.

Abgeordnetem Mag. DONNERBAUER (V) fehlte im Fall Winter der zeitliche Zusammenhang der Handlung mit der politischen Tätigkeit und im Fall Westenthaler der politische Zusammenhang der Handlung selbst. Die Westenthaler vorgeworfene Handlung stehe in keinem Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit, sie habe nichts mit seiner Funktion als Abgeordneter oder seiner Funktion als Sportsprecher zu tun. Er sei auszuliefern, weil kein politischer Zusammenhang festgestellt werden konnte.

Abgeordneter GROSZ (B) sah die von Abgeordnetem Stadler zitierte "Büchse der Pandora" durch die Entscheidungen des Immunitätsausschusses weit offen und wies auf ein Auslieferungsbegehren gegen seine eigene Person hin. Grosz mahnte, die Immunität als ein Instrument der Gewaltenteilung zu verstehen, um Mandatare vor politischen Übergriffen zu schützen, warnte davor, bei der Beurteilung von Auslieferungsbegehren mit unterschiedlichem Maßstäben zu messen und meinte, die Selbstachtung des Parlaments verlange, der Auslieferung Peter Westenthalers nicht zuzustimmen.

Abgeordneter Dr. HÜBNER (F) meinte, das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion belege, dass diese eben nicht mit zweierlei Maß messe. Gleichzeitig müsse man sich klar sein, dass dieses Delikt, wenn es nicht ein politisches Delikt sei, keines sei. Die in Rede stehenden Aussagen seien in einem politischen Zusammenhang gefallen, wenn auch nicht in Zusammenhang mit der Ausübung eines Nationalratsmandates.

Die Aussagen stellten eine Wertung dar, die man gutheißen oder verwerfen könne, die aber jedenfalls eine politische sei. Man müsse also überlegen, inwieweit man politische Aussagen kriminalisiere. Er habe da seine Bedenken. Dennoch stimme man der Auslieferung zu, zumal auch die Abgeordnete Winter dies selbst wolle, um die Sache vor einem Gericht klarzulegen. Zudem wolle seine Fraktion nicht den Rechtsstaat in Frage stellen. Generell, schloss der Redner, könne man den Fall Winter nicht mit dem Fall Westenthaler vergleichen, denn in letzterem sei jedenfalls kein politischer Zusammenhang zu erkennen.

Abgeordneter BROSZ (G) stellte die Aussagen der Abgeordneten Winter in einen größeren Zusammenhang. Es gehe um den Vorwurf der Verhetzung, die noch dazu erfolgt sei zu einem Zeitpunkt, da noch keine parlamentarische Immunität vorhanden gewesen sei. Insofern sei die Sache recht eindeutig, schloss der Redner.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) erklärte, die ganze Angelegenheit mache juristisch wie politisch kein sonderlich gutes Bild. Der politische Zusammenhang sei nicht einzuschränken auf den Nationalratswahlkampf oder auch auf die Tätigkeit im Nationalrat, sondern der Zusammenhang sei auszudehnen auf die politische Tätigkeit des Betreffenden, denn es dürfe nicht sein, dass politische Auseinandersetzung mit den Mitteln des Strafrechtes ausgefochten würden. Das sei nicht Sinn des Verfassungsgesetzes.

Abgeordneter STRACHE (F) wies die Vorwürfe Stadlers zurück und vertrat die Ansicht, das "politische Tourette-Syndrom" sei nicht die richtige Art. Die Vorwürfe gegen einen politisch anerkannten Flüchtling seien unzulässig, Stadlers Verschwörungstheorien entbehrten jeder Grundlage. Sodann fasste der Redner noch einmal die Sachverhalte zusammen und begründete die Haltung seiner Fraktion zu den in Rede stehenden Causen.

In einer weiteren Wortmeldung stellte Abgeordneter Mag. STADLER (B) noch einmal seinen Standpunkt klar.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) hielt fest, dass das dritte Lager stets schnell mit der Forderung nach lückenloser Aufklärung und entschlossenem Vorgehen zur Hand sei, nur dann nicht, wenn sie selbst davon betroffen seien. Das Strafrecht hielte sich aber nicht an die Befindlichkeiten des dritten Lagers, die betroffenen Mandatare würden die Gelegenheit erhalten, ihre Sache vor Gericht zu vertreten, denn das Strafrecht gelte auch für FPÖ und BZÖ.

Abgeordnete Winter wurde einstimmig, Abgeordneter Westenthaler mehrheitlich antragsgemäß ausgeliefert.

Im Anschluss an diese Sitzung fand eine weitere (9.) Sitzung des Nationalrates statt, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen diente.

Nationalratspräsidentin Mag. PRAMMER schloss die Sitzung mit den besten Wünschen für die kommenden Festtage und kündigte weiters einen Jahresbericht des Parlaments an, dem Informationen über die Tätigkeiten im ablaufenden Jahr zu entnehmen seien. (Schluss)